Sie will es wissen. Susanne Eisenmann, CDU, 55 Jahre alt, seit 2016 Baden-Württembergs Kultusministerin, will Ministerpräsidentin werden. Gewinnt sie, ist die Stuttgarterin die erste Frau in der Geschichte, die die Geschicke des Landes leitet. Und sie würde den bislang einzigen grünen Ministerpräsidenten der Bundesrepublik, Winfried Kretschmann, vom Thron stoßen. So die historische Einordnung.

Dazu kommt: Bei der Landtagswahl am 15. März 2021 steht für die CDU alles auf dem Spiel. Für die Partei wäre es nicht weniger als ein politisches Drama, würde sie nach 2011 und 2016 zum dritten Mal in Folge nicht von der Villa Reitzenstein aus regieren.

Mit Kretschmers Konzept gegen Kretschmann

Doch wie will Eisenmann gewinnen? Um sich dieser Frage anzunähern, empfiehlt sich ein Besuch ihrer Tour „Eisenmann will‘s wissen“, bei der sie alle 70 Landtagswahlkreise im Südwesten besucht. Beim Auftakt im VIP-Bereich der Heidenheimer Voith-Arena vor wenigen Tagen kamen 150 Besucher. Impulsgeber des bürgernahen Formats der Südwest-CDU ist Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der die letzte Landtagswahl damit erfolgreich bestritt: „Direkt: Kretschmer im Gespräch mit ihrer Gemeinde.“

Keine langen Reden, Bürger können ihre Sorgen loswerden, der Politiker gibt sich im lockeren Gespräch verständnisvoll. Kurz zusammengefasst kann so das Konzept beschrieben werden. Eisenmann will zuhören, will erfahren, was den Bürgern auf den Nägeln brennt. Vorbei soll die Zeit sein, in der alte CDU-Granden bei Bier und Wein im Hinterzimmer besprechen, was das Volk will oder zu wollen hat.

Und mit Kretschmanns Konzept gegen Kretschmann

Das erinnert etwas an die „Politik des Gehörtwerdens“, die Eisenmanns Rivale Kretschmann seit Jahren propagiert. Oft ist das Gefühl wichtiger als der Inhalt – und hier versucht die CDU die Grünen mit den eigenen Waffen zu schlagen.

In Heidenheim nimmt sich Eisenmann mehr als zwei Stunden Zeit, um auf die Bürger einzugehen. Der Großteil der Fragen kommt zur Bildungspolitik, was kein Wunder ist, schließlich ist dies als Kultusministerin ihre zentrale Zuständigkeit. Es geht um die IT-Ausstattung an Schulen, das Fiasko mit der digitalen Bildungsplattform, um Corona-Vorgaben in Kitas und Schulen – aber auch, wie bei all solchen regionalen Terminen, um Themen wie marode Straßen.

An ihrer Leistung als Ministerin gibt es Kritik

Die Bildungspolitik ist in Corona-Zeiten auch die Achillesferse Eisenmanns, also ihr möglicher wunder Punkt. Schließlich zeichnen vor allem Gewerkschaftsvertreter gerade in der Krisenzeit ein düsteres Bild von der Situation an den Schulen, was für Eisenmann mit Blick auf ihre Wahlchancen gefährlich werden könnte.

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Sie sieht es aber anders. Eisenmann betrachtet die Kultuspolitik eher als eine Chance, um sich auf einem zentralen Feld mit landespolitischer Zuständigkeit zu profilieren. „Ich habe ein Ressort mit einem Etat von 13 Milliarden“, untermauert sie ihren Gestaltungswillen mit Zahlen.

Beim Auftakt der Tour Eisenmanns in Heidenheim richten der dortige Oberbürgermeister und Landrat in alter Manier lobende Worte und Finanz-Wünsche an die Ministerin. „Das ist hier kein Gespräch mit dem Landrat, dem Oberbürgermeister und dem Landtagskandidaten“, sagt Eisenmann zu den Zuhörern, klar und bestimmend.

Susanne Eisenmann (rechts) im Gespräch mit Tour-Gästen. Die Kandidatin für das Amt des Ministerpräsidenten zeigt sich dabei selbstkritisch.
Susanne Eisenmann (rechts) im Gespräch mit Tour-Gästen. Die Kandidatin für das Amt des Ministerpräsidenten zeigt sich dabei selbstkritisch. | Bild: Susanne Strehle

Eisenmann hat in der Vergangenheit manche mit ihrer direkten, Kritiker sagen sogar ruppigen Art vor den Kopf gestoßen. Bei „Eisenmann will‘s wissen“ zeigt sie aber ein anderes Gesicht. Sie gibt sich selbstkritisch – und nimmt bei einigen Themen bewusst die Sichtweise der Bürger ein. „Wir müssen bei der Umsetzung von Bauprojekten viel schneller sein“, sagt sie, als sich ein Besucher darüber beklagt.

Sie erklärt, dass es bei der Lehrerversorgung noch viele Probleme zu lösen gibt oder gibt zu, Corona-Verordnungen oft zu kurzfristig veröffentlicht zu haben. Eine Politikern versteht die Sorgen der Bürger – die Liste könnte an dem Abend problemlos fortgesetzt werden.

Die Umfragewerte sind nicht schlecht

Eisenmann kann sich Hoffnung machen, Regierungschefin zu werden. Die Umfragewerte für die Südwest-CDU – auch beeinflusst vom positiven Bundestrend der Partei – waren zuletzt positiv, bei einer Befragung von Insa vor wenigen Tagen lag sie mit 31 Prozent sogar drei Prozentpunkte vor den Grünen. Gelingt Eisenmann der Coup, würde sich die Karriere einer Frau krönen, die 14 Jahre lang das Büro von Günther Oettinger in seiner Funktion als Landtagsfraktionschef leitete.

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Danach wurde sie Stuttgarts Schulbürgermeisterin, ehe sie dann CDU-Landeschef Thomas Strobl 2016 in das grün-schwarze Kabinett holte. Da Strobl Partei und Landtagsfraktion der Südwest-CDU nicht hinter sich bringen konnte, öffnete sich im vergangenen Jahr die Türe für Eisenmann immer mehr. Bei einem Treffen im April 2019 in Strobls Wohnung in Heilbronn machte Eisenmann ihm klar, dass sie mit Blick auf die Spitzenkandidatur das Feld nicht räumen werde. Am Ende zog die Frau an Strobl vorbei, die er selbst gegen Widerstände in der CDU-Landtagsfraktion ins Amt gehievt hatte.

Zu Eisenmanns engstem Kreis zählen neben ihrem Mann – Oettingers früherem Regierungssprecher Christoph Dahl – auch Kultus-Amtschef Michael Föll und Manuel Hagel, Generalsekretär der Südwest-CDU. Mit Hagel, der digital denkt und einen Wahlkampf auf der Basis der Meinungsforschung organisiert, stimmt sie jeden Schritt ab.