Nicht gegen die Corona-Verordnung verstoßen, dennoch zum Hotspot geworden: Diese Fälle häufen sich derzeit in Baden-Württemberg nach Feiern im privaten Raum. Mittlerweile hat sich der Schwerpunkt bei der Ursache der Neuinfektionen von den Reiserückkehrern hin zu privaten Feiern verschoben, wie eine Sprecherin des Sozialministeriums auf Anfrage mitteilt.
Reiserückkehrer machten nur noch etwa ein Drittel der Neuinfektionen aus. Behörden und Landesregierung warnen davor, im privaten Rahmen leichtsinnig zu werden und Abstands- und Hygieneregeln zu vernachlässigen, die im öffentlichen Raum streng befolgt werden.
Negativbeispiel Dettingen bei Reutlingen
Beispiel Dettingen im Landkreis Reutlingen: Nach einer privaten Party vor zehn Tagen sind mindestens 15 der 33 Teilnehmer positiv auf das Coronavirus getestet worden, 25 Infizierte insgesamt sind direkt auf die Feier zurückzuführen, Hunderte ihrer engen Kontaktpersonen müssen in Quarantäne, mehrere Unternehmen, sieben Schulen im Landkreis und vier Fußballvereine sind betroffen. Täglich steigt die Zahl der Kontaktpersonen, die sich ursprünglich mit der Feier in Verbindung bringen lassen.
Und das, obwohl nach Erkenntnis der örtlichen Behörden bei der Veranstaltung alles ordnungsgemäß ablief: Laut Corona-Verordnung sind dabei bis zu 100 Personen zulässig, ein Hygienekonzept ist nicht erforderlich, Maskenpflicht besteht nicht.
Auch in Schwäbisch Hall, Sulzdorf am Neckar und im Rems-Murr-Kreis nahe Stuttgart gab es in den vergangenen Tagen Infektions-Hotspots bei Familienfeiern, nach denen die örtlichen Gesundheitsämter derzeit die Kontaktketten überprüfen und Quarantäne für Hunderte von Menschen verhängen.
Lokal drohen Restriktionen
„Wir haben lokale Infektionshotspots befürchtet. Dass die kommen werden, war uns immer klar“, sagte Regierungschef Winfried Kretschmann am Dienstag vor der Presse dazu. Das Land sieht zumindest derzeit dennoch keinen Anlass, die Teilnehmerzahl bei privaten Feiern wieder zu beschränken.
„Die Corona-Verordnung gilt nach wie vor, auch für private Feiern, allerdings ist auch klar, dass je nach Inzidenz-Lage und nach unserem vergangene Woche verabschiedeten Pandemie-Stufen-Konzept restriktive lokale Maßnahmen ergriffen werden können, wenn es erforderlich ist“, teil das Sozialministerium mit.
Die wichtigsten Änderungen der Corona-Verordnung zum 30. September
Dazu könne auch eine Begrenzung der Personenzahl im öffentlichen und privaten Raum gehören. Zurzeit funktioniere das Konzept der Kontaktpersonennachverfolgung und Quarantänepflicht aber gut. „Die Ausbrüche sind eingrenzbar, das Virus verteilt sich nicht diffus in der Bevölkerung“, teilt die Behörde mit. „Fakt ist: Private Feiern schützen nicht vor Ansteckung, nur weil sie im privaten Rahmen stattfinden – ganz im Gegenteil.“
Feucht, fröhlich, hohe Ansteckungsgefahr
Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) appelliert daher, auch im privaten Raum die Hygieneregeln zu beachten: „Überall dort, wo viele Menschen zusammenkommen, wo es feucht und fröhlich zugeht und Alkohol getrunken wird, ist die Gefahr einer Ansteckung ungleich größer als zum Beispiel beim Einkaufen mit Maske im Supermarkt oder im Außenbereich eines Restaurants“, so Lucha. „Dieser Spagat zwischen der Freiheit, wieder private Feste zu veranstalten einerseits und der permanenten Gefahr einer Ansteckung andererseits sollte jedem bewusst sein.“
Mehr junge Menschen infizieren sich
Dass die Corona-Todesfälle im Land trotz zuletzt deutlich gestiegener Infektionszahlen kaum gestiegen sind, erklärt sich laut Ministerium durch die derzeit vergleichsweise niedrige Zahl an schweren Krankheitsverläufen. Auch in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern sei die Fallzahl derzeit nicht erhöht.
Dagegen ist nach Erhebungen des Landesgesundheitsamtes die Zahl der Jugendlichen und jüngeren Personen bis 34 Jahre, die in der Regel leichtere Krankheitsverläufe aufweisen, in den vergangenen Wochen im Vergleich zu den älteren Gruppen landesweit deutlich gestiegen.