Frau Disch, was kann Ergotherapie?

Die Ergotherapie unterstützt Menschen dabei, ihre Handlungsfähigkeit im Alltag, Beruf und Freizeit zu verbessern oder wiederzuerlangen und zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Sie kommt unter anderem bei physischen, psychischen oder kognitiven Einschränkungen zum Einsatz. Ziel ist es, die Selbstständigkeit und Lebensqualität eines Menschen zu fördern. Dazu gehört natürlich immer ein ganzes Netzwerk verschiedener Professionen. Unsere Aufgabe ist es, die Teilhabe an Bereichen des alltäglichen Lebens differenziert zu betrachten – also zu schauen, was konkret jemand braucht, um seinen Alltag möglichst selbstbestimmt gestalten zu können.

Sie arbeiten in einer neurologischen Rehabilitationseinrichtung für Kinder und Jugendliche. Was ist daran besonders herausfordernd?

Das Arbeiten in einer neurologischen Rehabilitationseinrichtung empfinde ich als besonders spannend, weil es hier immer Möglichkeiten gibt, sich fortzubilden und zu lernen. Unser Beruf ist unglaublich vielfältig und die Einsatzgebiete sind so zahlriech, dass ich nicht alle hier nennen kann. Auch wenn die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen herausfordernd sein kann, erleben wir viele berührende und motivierende Momente durch ihre Offenheit.

Mit welchen Methoden und Techniken arbeiten Sie?

In unserem Team verbinden wir evidenzbasierte Arbeit mit praktischer Erfahrung. Wir versuchen dabei aktuelle Leitlinien und Studien zu berücksichtigen, aber ebenso wichtig ist der kollegiale Austausch. Gerade im neuropädiatrischen Bereich gibt es noch relativ wenige konkrete Leitlinien – da ist das Wissen, das jeder einzelne im Team mitbringt, besonders wertvoll. Aktuell integrieren wir verstärkt die funktionelle Elektrostimulation. Diese Methode finde ich besonders spannend, weil sie gezielt dabei hilft, Bewegungsabläufe aus dem Alltag, wie zum Beispiel das Greifen eines Glases, zu trainieren und zu unterstützen.

Wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus?

Bunt und vielseitig. Allein durch das große Spektrum an Altersstufen und Rehabilitationsphasen und damit unterschiedlichen Schweregraden, gibt es viel Abwechslung. Die erste Therapieeinheit mit einem neuen Kind oder Jugendlichen ist für uns immer besonders wichtig. Hier lernen wir nicht nur unser Gegenüber kennen, sondern wir gehen auch auf die Suche nach Hypothesen. Was ist dem Gegenüber wichtig in seinem Alltag? Was hindert denjenigen derzeit daran es durchzuführen und was können wir mit unseren Mitteln anbieten, um zu helfen? Im weiteren Verlauf schauen wir dann täglich: Was trainieren wir heute, um diesem Ziel näher zu kommen?

Wann wird es für Sie schwierig?

Ich erlebe in meinem Arbeitsalltag auch Situationen, in denen ich an die Grenzen meiner Möglichkeiten komme. Das kann frustrierend sein. Umso wichtiger ist es dann, den Blick auf die kleinen Dinge zu richten – denn oft lässt sich die Lebensqualität trotzdem auf subtile, aber spürbare Weise beeinflussen.

Wie grenzt sich die Ergotherapie von anderen Therapien ab, beispielsweise von der Physiotherapie?

Oft überschneiden sich die Bereiche – und das ist gut so, denn es zeigt, wie eng wir zusammenarbeiten. Trotzdem hat jede Profession ihren eigenen Schwerpunkt. In der Ergotherapie steht der Alltag im Fokus. Unsere Aufgabe ist es, kreative Lösungen zu finden, um alltägliche Aktivitäten wie das Essen, Anziehen, Schneiden mit der Schere oder Kochen in die Therapie zu integrieren. Das ist für mich das Besondere.

Das könnte Sie auch interessieren

Sie sagten, Sie arbeiten eng mit anderen Bereichen zusammen. Mit welchen?

Da unsere Arbeitsbereiche so vielfältig sind, und weit über die Motorik hinausgehen, haben wir viele Schnittpunkte. Im Hegau-Jugendwerk schätze ich besonders, dass es so viele Berufsgruppen sind, mit denen wir uns austauschen können. Mit der Schule beraten wir uns über Möglichkeiten zur Unterstützten Kommunikation, mit der Physiotherapie über Ideen zur motorischen Förderung, mit der Logopädie über Risiken beim Frühstückstraining. Und das sind nur einige der Berufsgruppen, mit denen wir kooperieren.

Welche Ausbildung, oder welches Studium haben Sie absolviert?

Ich habe zunächst eine dreijährige Ausbildung an einer Ergotherapie-Schule abgeschlossen. Nach einigen Berufsjahren habe ich berufsbegleitend ein Studium „Motorische Neurorehabilitation“ zur Spezialisierung in dem Bereich der Neurologie absolviert.

Erfüllt Sie Ihr Beruf?

Ja, denn ich liebe die Arbeit mit Menschen. Ich darf dabei die unterschiedlichsten Menschen mit ihren ganz verschiedenen Hintergründen und Geschichten kennenlernen. Für mich ist es ein großes Privileg, wenn sie mich an ihren Geschichten und an einem Stück ihres Weges teilhaben lassen – und mir ihr Vertrauen schenken, sie zu unterstützen.