Vor über 100 Jahren endete der Weinbau am Schlossberg in Friedingen. Eigentlich. Denn Severin Wenzel hat ihn nun zurückgebracht. Früher habe es am Schlossberg eine größere Anbaufläche gegeben, berichtet er, doch in der Zeit rund um den Ersten Weltkrieg sei das alles aufgegeben worden. Grund waren die Rebkrankheiten, erklärt Denzel. Als dann noch ein Brand auf dem Hof am Schlossberg ausbrach, war das Schicksal des Weinbaus besiegelt. Doch jetzt stehen wieder 5000 Weinreben auf der ein Hektar großen Fläche.

Die Pflanzen wachsen dort seit 2023 und brauchen noch einige Jahre, bis sie den vollen Ertrag liefern. Doch dieses Jahr habe man ungefähr 800 Liter geerntet. „Ich strebe in Zukunft einen Ertrag von so 6000 Litern an“, so Denzel. Doch die Qualität ist für ihn wichtiger, als die Quantität: „Es geht mir vor allem darum, hochwertige Weine zu erzeugen“, erklärt Denzel. Die Trauben werden nun im familiären Weinkeller in Friedingen weiterverarbeitet. „Da ist es schon am Gären und Blubbern“, sagt der Winzer.

Ein Beruf mit Abwechslung

Severin Denzel ist 28 Jahre alt und begeistert von seinem Beruf. Nachdem er 2014 das Gymnasium abgeschlossen hatte, entschied er sich bewusst dagegen, erstmal reisen zu gehen. Auch direkt zu studieren kam nicht in Frage. Stattdessen machte er eine Winzerausbildung: „Es war mir wichtig, nach dem Abitur rauszukommen und etwas Praktisches zu machen“, berichtet er. Die landwirtschaftliche Arbeit liegt in der Familie. Die Eltern haben einen Garten-Landschaftsbau-Betrieb, auch die Großeltern waren in der Landwirtschaft tätig.

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Der Weinbau ist organisatorisch in den Betrieb seiner Eltern eingegliedert, schließlich seien die Investitionen groß. Der Vater macht außerdem beim Weinbau mit, als Hobby. Auch für Severin Denzel ist der Weinbau nicht der Haupterwerb. Eigentlich ist er Betriebsleiter bei der Hegau-Solawi (Solidarische Landwirtschaft) Klimaland GbR. Die Hegau-Solawi möchte die ökologische Landwirtschaft erhalten.

Doch der Weinanbau habe ihn in seinen Bann gezogen. Mittlerweile bewirtschaftet Denzel zwei Anbauflächen: Neben dem Weinberg in Friedingen gibt es noch eine weitere Fläche am Galgenberg in Bohlingen. Den Hof am Friedinger Schlossberg hat Denzel von der Stadt Radolfzell gepachtet. Am Winzertum interessieren ihn vor allem die verschiedenen Arbeitsschritte, die sich von Jahreszeit zu Jahreszeit ändern. Die Arbeit in so einem Jahresrhythmus mache einfach Spaß. Er listet auf: „Der Rebschnitt dann wieder nach Weihnachten. Die ganzen Arbeiten im Frühjahr, wo die Knospen aufbrechen. Man ist immer direkt dabei.“ Und am Ende stehe ein hochwertiges Produkt.

Winzer Severin Denzel bei der Weinernte in Friedingen im September 2025.
Winzer Severin Denzel bei der Weinernte in Friedingen im September 2025. | Bild: Rolf Denzel

Erste Weinlese seit über hundert Jahren

Denzel baut auf dem Acker Weißwein-und Rotwein-Sorten an. Pflanzenschutzmittel sollen verhindern, dass die Pflanzen erkranken. Um die Pflanzenschutzmittel reduzieren zu können, verwendet Denzel sogenannte „Piwis“, das sind pilz-widerstandsfähige Rebsorten. Für diese Rebsorten werden Pflanzen aus Nordamerika in die Züchtung eingekreuzt. Sie seien widerstandsfähiger gegenüber den Krankheiten, da diese zuerst in Nordamerika auftraten. Ein zeitaufwändiger Prozess: „In der Züchtung braucht es 30 Jahre, bis aus einer Kreuzung eine marktfähige Rebsorte wird“, erklärt Denzel. Sogenannte Rebschulen, ähnlich zu Baumschulen, verkaufen die Pflanzen.

Der junge Winzer stellt momentan auf ökologischen Weinbau um, der entsprechende Zertifizierungsprozess sei schon beantragt. Das Spritzen zur Schädlingsbekämpfung habe er stark reduziert, dennoch seien die Pflanzen größtenteils gesund geblieben. Ausfälle gab es zwar, verursacht durch einen Schädling. Die sogenannte Kirschessigfliege befalle aber hauptsächlich rote Trauben. „Dadurch dass wir überwiegend weiße Trauben haben, haben wir da nicht so richtig große Probleme gehabt“, erklärt Denzel.

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Gäste aus aller Welt helfen bei der Arbeit

Auf dem zugehörigen Hof wohnt Severin Denzel gemeinsam mit zwei Gärtnerinnen und Gästen aus aller Welt. Denn beim Weinbau arbeiten Work-and-Travel-Reisende, sie verdienen sich durch die landwirtschaftliche Arbeit ihre Brötchen. Die Gäste kamen schon aus Europa, Nordamerika, Südamerika, Australien und Neuseeland, berichtet Denzel. „Das ist eine schöne Sache. Sehr viele Leute haben Einblicke in unsere Kultur hier vor Ort bekommen und können trotzdem günstig reisen“, berichtet Denzel.

Rolf Denzel (links) und Severin Denzel (rechts) vor dem Verkaufsraum am Hof in Friedingen. Hier soll der neue Wein nächstes Jahr ...
Rolf Denzel (links) und Severin Denzel (rechts) vor dem Verkaufsraum am Hof in Friedingen. Hier soll der neue Wein nächstes Jahr verkauft werden. | Bild: Kilian Nagel

Der erste neue Wein wird voraussichtlich im Juni oder Juli 2026 fertig sein. Auf dem Hof am Friedinger Schlossberg gibt es einen Verkaufsraum, der ab dem nächsten Jahr feste Öffnungszeiten haben soll. Außerdem möchte Denzel den neuen Wein bei Gastronomen sowie bei Weinproben anbieten. Die Preise pro Flasche sollen zwischen 12 und 15 Euro liegen.