Es ist ein Abend im Jahr, an dem es mal nicht um die große Politik geht. Stadträtinnen und Stadträte, sonst durchaus auch mal politische Widersacher, sitzen quer durcheinander, dazu einige Mitarbeiter der Stadtverwaltung und einige wenige externe Gäste. Die Spitalkellerei, für die der Konstanzer Gemeinderat über die Spitalstiftung das oberste Aufsichtsgremium ist, gibt einen ersten Bericht über die soeben abgeschlossene Weinlese und stellt ihre Strategie für die kommenden Jahre vor.
Und es wird an die sagenumwobene Wendelgard erinnert – das zwar nicht gerade mit Schönheit, aber mit reichem Grundbesitz gesegnete Fräulein aus Meersburg. Wenn sie regelmäßig von einem Ratsherren ausgeführt wurde, fielen ihre Weinberge dereinst an die Stadt, heißt es in der Wendelgard-Sage. In ihr heißt es weiter, dass sich die einflussreichen Männer aus Meersburg zu schade dafür waren und die findigen Konstanzer einsprangen. Und so kam die Spitalstiftung im Jahr 1272 zu einigen der schönsten Weinberge am Bodensee, seither gibt es gewissermaßen ein Stück Konstanz in Übersee.
Für einen Abend die Politik mal Politik sein lassen
Genau dort, auf dem historischen Rebgut Haltnau am Fuß- und Radweg zwischen Meersburg und Hagnau, trifft sich der Konstanzer Gemeinderat jedes Jahr an einem Herbstabend. Auch, weil es gut ist, für einen Abend die Politik einmal Politik sein zu lassen und sich daran zu erinnern, dass man doch gemeinsam etwas Gutes für die Stadt erreichen will. Die meisten freuen sich auf den kameradschaftlichen und auch mal feucht-fröhlichen Abend, andere bleiben lieber fern und sehen es auch skeptisch, sich ein Abendessen spendieren zu lassen (der Wein ist ja ohnehin sozusagen städtisch).
Diese Entscheidung ist den Gästen, die für dieses Jahr eingeladen wurden, abgenommen. Oberbürgermeister Uli Burchardt hat die auf den 17. Oktober terminierte Haltnau-Sitzung ersatzlos gestrichen. Das wurde im Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss (HFK) bekannt. Im Absage-Schreiben, das zwischenzeitlich verschickt wurde, begründet Burchardt seinen Schritt mit der Finanzlage der Stadt. Er wisse, dass sich die Sitzung als gemeinsamer Anlass etabliert habe, so Burchardt. Nach dem Beschluss der Haushaltssperre sei sie jedoch in diesem Jahr nicht angemessen.

Im Gemeinderat, der zugleich der Stiftungsrat der Spitalstiftung ist und genau genommen auch in dieser Eigenschaft auf die Haltnau fährt, gibt es viel Verständnis für diesen Schritt. Einerseits Ausgaben einzufrieren und andererseits auf der anderen Seeseite fröhlich zu feiern, passe nicht zusammen, heißt es dazu. Und: Es käme wohl auch bei Bürgerinnen und Bürgern nicht sonderlich gut an, auf Kosten der Stadt zu feiern, wenn ihr zugleich das Geld vorne und hinten so sehr fehlt, dass der Oberbürgermeister mit der Haushaltssperre zu einer der härtesten Sparmaßnahmen überhaupt greifen muss.