Der Vorstoß von Bürgermeister Michael Thater in den sechs Wehrer Gewerbe- und Industriegebieten „andere Nutzungen“ auszuschließen, wurde in der jüngsten Gemeinderatssitzung viel diskutiert. Kritiker warnten vor einem Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Gemeinden. Letztlich stimmten acht Räte für den Antrag, sieben dagegen, bei einer Enthaltung.
Worum geht‘s? Die Stadt will ausschließen, dass Gewerbegebäude „anders genutzt“ werden und zu allgemeinem Wohnraum werden. Obwohl es für Bebauungspläne rechtsverbindliche Vorschriften gebe, zeige die Erfahrung, so Thater in der Sitzung, dass diese teilweise übergangen, nicht eingehalten oder später verändert würden.
Thater will klare Verhältnisse schaffen
Das könne zu „teilweise schwerwiegenden Nutzungskonflikten“ führen, heißt es vonseiten der Stadt. Um das endgültig auszuräumen und um für die Zukunft „klare Verhältnisse“ zu schaffen, wollte Thater ein Bebauungsplanverfahren anregen, um festzulegen, was wo in Wehr erlaubt sei. Zur argumentativen Unterstützung lud er sich Bauleitungsplaner Jérôme Amiguet von Baldauf Architekten und Stadtplaner aus Stuttgart ein. Der sagte: „Baugebiete müssen so aussehen, wie es die Baunutzung vorsieht. Die Nutzung darf sich nicht verschieben.“
Ist diese Maßnahme wirklich nötig, um die Interessen der Gemeinde zu wahren? Oder schränkt die Stadt Unternehmer in ihren Möglichkeiten ein? Kleinbetriebe und Selbständige sehen in dieser Entscheidung eine Einschränkung.
Nachteil im Wettbewerb zu anderen Gemeinden
Verschiedene Fraktionsmitglieder machten ihren Unmut kund und sprangen in die Bresche für sogenannte Betriebsleiterwohnungen auf einem Firmengelände. Allen voran Stefan Tussing (CDU), der sich für junge Firmeninhaber starkmachte. Er wollte festgehalten wissen, dass Firmen weiter auf ihrem Gelände wohnen dürfen. Auch für Neugründer, die neu bauen, müsste dies Tussings Meinung nach weiter erlaubt sein. Michael Kownatzki (FW) sehe den Nachteil im Wettbewerb zu Gemeinden wie Rickenbach, die unternehmerfreundlicher scheinen würden. Helmut Steinebrunner (CDU) sehe die „unternehmerische Freiheit“ in Gefahr und Hans-Peter Zimmermann (FDP) verwies auf „die Wirkung in der Öffentlichkeit“.
Die Servicegemeinschaft Wehr mit Axel Richter machte im Vorfeld ihre gewerbetreibenden Mitglieder auf die angestrebten Änderungen der Stadt aufmerksam. Sie sehen die Gefahr von „toten Gewerbezonen“, denen es ohne Wohnnutzung an sozialer Kontrolle, Sicherheit und Lebendigkeit fehlen könnte.

Amiguet darauf: „Normales Wohnen ist im Gewerbegebiet unzulässig. Außer, es handle sich um eine Betriebsleiterwohnung.“ Und genau hier liege das Problem. Im Rat wurde diskutiert, dass diese Wohnungen teilweise unverhältnismäßig groß seien, dass günstige Gewerbegrundstücke zum Wohnbau ausgenutzt würden. Und dann wohnten dort Familienangehörige, die nichts mit der Firma zu tun hätten.
Fokus aufs Gewerbe
Auch das sei laut Baugenehmigungsbehörde nicht erlaubt, so Amiguet, denn: „Der Fokus aufs Gewerbe muss gegeben sein.“ Hingegen dürfe ein ehemaliger Betriebsleiter nach Firmeninsolvenz wohnen bleiben. Nichts ändern würde sich da für Alt-Bebauungspläne.
Wichtig sei es, die Gewerbegebiete zu erhalten
Die Änderungen beziehen sich vor allem auf den neuen Bebauungsplan. Thater will diesen enger fassen. Um laut seiner Aussage die Gewerbegebiete zu schützen. Diese sollen der Unterbringung von produzierendem und dienstleistungsbezogenem Gewerbe dienen. Wohnraum müsse hier untergeordnet bleiben, damit die Ansiedlung auch „sinnhaft“ bliebe. Zudem sollen Vergnügungsstätten wie Spielhallen ausgeschlossen werden. Es müssen „städtebauliche Grenzen“ aufgezeigt werden. Dafür sollte das Verfahren auf den Weg gebracht werden, um zukünftig klar zu definieren, was geht und was nicht.

Wichtig sei, gerade die kleinen Gewerbegebiete in Wehr, die vom Fliesenleger, Heizungsmonteur bis hin zum Schreiner in den ausgewiesenen Flächen genutzt werden, zu schützen und sie nicht woanders hin zu vertreiben, weil dort mehr und mehr Wohnraum beansprucht werde, sagte Bürgermeister Michael Thater.
Probleme sind heute noch nicht absehbar
Das angesprochene Konfliktpotenzial in Gewerbegebieten, die zu sogenannten Mischgebieten diffundieren, wie beispielsweise in der Lachenstraße, Flienkenstraße oder in der Rhein- und Wallbacher Straße seien laut Stadt vorprogrammiert. „Die Probleme sind heute noch nicht absehbar.“
Aber Faktoren wie Emission, Schall und Geruch von Gewerbetreibenden prallen auf den Wohnschutz von Anwohnern. „Beide haben Nutzungsansprüche“, betont Bauleitungsplaner Jérôme Amiguet.
Wie wurde abgestimmt und wie geht es nun weiter?
Aufgrund des Stimmverhältnisses mit acht Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und einer Enthaltung wurde dem Beschluss zum Entwurf des Bebauungsplans „Ausschluss von Nutzungen in Gewerbegebieten“ zugestimmt. Die Entwurfsplanung wird für einen Monat im Internet und im Bürgerbüro öffentlich zugänglich sein.