Erst der Paukenschlag, dann das Donnergrollen: Die Stimmung ist schlecht, als die Konstanzer Stadtpolitik wenige Tage, nachdem Oberbürgermeister Uli Burchardt eine Haushaltssperre verhängt hat, über Geld redet. Oder besser – über Geld zu reden versucht. Denn wesentliche Informationen fehlen den Stadträtinnen und Stadträten dazu.
Dass die Verwaltung es seit Juli nicht fertiggebracht hat, eine Liste mit noch nicht begonnenen Projekten vorzulegen, sorgt für Empörung und selten schlechte Stimmung im Ratssaal. Und mittendrin Burchardt selbst, der die Kompetenz gewählter Bürgervertreter offen anzweifelt und Kritik mit dem Argument abbügelt, das finde er „populistisch“ und führe nur zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft.
Das ist die Ausgangslage der Sitzung des Haupt-, Finanz- und Klimaausschusses (HFK), die erst einmal über eine Stunde lang gar nicht richtig beginnt. Denn als Burchardt die Themen „Übersicht nicht begonnener Projekte und Maßnahmen“ sowie die Debatte über das 140.000 Euro teure Kommunikationspaket zum Klimaschutz von der Tagesordnung nehmen will, ist der Ärger fraktionsübergreifend groß. Es fallen harte Worte.
„Wir sind im Wettlauf der Orientierungslosen“, schimpft etwa Heike Rawitzer (CDU). Jan Welsch (SPD) greift Burchardt direkt an: Er habe den Eindruck, „dass Sie völlig ziel- und planlos kommunizieren“. Und Wolfgang Moßmann (Linke Liste) als noch neuer Stadtrat nimmt wahr: „Die Situation ist sehr angespannt.“


Hintergrund ist, dass offenbar alle sparen wollen – aber niemand weiß, wie. Dafür hatten sich die Stadträte auf eine Liste verlassen, die ihnen zeigen soll, wo überhaupt noch etwas gestrichen oder in die Zukunft verschoben werden kann. Ende Juli hatten sie diese Übersicht in öffentlicher Sitzung eingefordert, doch Ende September haben sie diese noch immer nicht bekommen. Dafür aber den Hinweis, die Verwaltung habe nicht genügend Sparvorschläge gemacht, weshalb ja auch die Haushaltssperre erlassen worden sei. Jan Welsch sagt, was viele so irritiert: Der Oberbürgermeister selbst habe kommuniziert, dass die Ämter nicht geliefert hätten.
Doch eine Generalkritik an der Verwaltung verbittet sich der Oberbürgermeister als oberster Chef des Rathaus-Teams. „Die allermeisten machen es, so gut es geht“, sagt er über seine Leute. Und die Befürchtung, dass in den Sommerferien noch schnell Projekte angeschoben wurden, damit sie dann als angefangen gelten und von der ja nicht ganz unerwarteten Haushaltssperre nicht mehr erfasst wären, weist er zurück. Mit Blick auf die Verwaltungsbank sagt er: „Ich ziehe niemanden über den Tisch, und von denen, die hier sitzen, macht das niemand.“

Wobei dieser Vorwurf eigentlich gar nicht im Raum steht – Stadträte mehrerer Fraktionen sagen, sie hätte sich einfach auf die Aussage vom Juli verlassen, dass angesichts des damals schon bekannten Millionenlochs keine neuen Projekte mehr angeschoben würden. Doch dann hatten sie mitten in den Ferien im SÜDKURIER gelesen, dass die Stadt den Bauantrag für das ebenso teure wie umstrittene Fahrradparkhaus am Bahnhof erteilt hat sowie einen Auftrag über 140.000 Euro für Klimaschutzkampagnen vergeben will. Beim Fahrradparkhaus habe die Bahn den Bauantrag am 6. Juni schon gestellt, entgegnet Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn. Und das Kommunikationspaket werde jetzt ohnehin erst mal nicht eingekauft, so Burchardt.
Deutliche Worte von den Räten
Doch die Fronten bleiben verhärtet. Jürgen Faden (Freie Wähler) beklagt mangelndes „Fingerspitzengefühl“, Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL&Grüne) schimpft, der OB habe doch sicher nicht grundlos den Ausgabenstopp verfügt, aber mangels Transparenz habe sie „keine Ahnung, wo wir finanziell stehen“.

Achim Schächtle (FDP) hat das „Gefühl, auf die Spitze eines Eisbergs zu schauen, und das verunsichert uns“. Moritz Schneider (Junges Forum) sieht wesentliche Fragen zum Vorgehen und zur Rolle des Gemeinderats „nicht geklärt“. Heike Rawitzer (CDU) kritisiert, man sei „im Blindflug unterwegs“, und das Handeln des Oberbürgermeisters sei „überhaupt nicht vertrauensbildend“.

Burchardt ist sichtlich angefasst und greift seinerseits den Gemeinderat an, der die Verantwortung über die Finanzen der Stadt in seinen Augen offenbar nicht zufriedenstellend wahrnimmt: „Der Gemeinderat hat nie gesagt, was er will, er hat immer nur gesagt, was er nicht will.“ Es folgen Sätze wie: „Ich habe nicht das Gefühl, dass wir das gemeinsame Interesse verfolgen“ oder „uns ist viel Seniorität verloren gegangen“, es fehlten erfahrene Leute. Und bei der Verwaltung komme aus dem Rat vornehmlich „Misstrauen und Schuldzuweisung“ an.

Liegt bis Oktober eine Liste vor?
Wie es nun weitergeht, ist unklar. Die Verwaltung will Anfang Oktober die geforderte Liste mit Sparmöglichkeiten nun tatsächlich vorlegen. Für jetzt weiß auch niemand, wie sich der Ausgabenstopp konkret auswirkt: „Wir wissen ja nicht, wen wir mit der Haushaltssperre erwischen. Wir wissen ja nicht, welche Maßnahme letzte Woche beauftragt wurde und welche morgen beauftragt worden wäre“, so Burchardt.
Zugleich mehren sich die Zeichen, dass sich jetzt der Gemeinderat das Thema greift. Jan Welsch (SPD) hat offenkundig den Glauben verloren, dass genügend Ideen zum Sparen aus der Verwaltung selbst kommen. So schlägt er vor, dass nun der Gemeinderat ein Sparpaket erarbeitet. Dafür erhält er Zuspruch auch aus mehreren anderen Fraktionen. Niklas Becker (FGL&Grüne) rechnet dabei mit schwierigen Debatten: Bisher habe es für echte Sparmaßnahmen keine Mehrheiten gegeben. Denn ob Bodenseeforum, Philharmonie oder andere freiwillige Leistungen – stets verhindere eine jeweils andere Mehrheit, dass solche Angebote infrage gestellt würden.