Herr Heckenkamp, was hat Sie dazu bewegt, Ihrer Heimat Münster den Rücken zu kehren und sich bei der Feuerwehr in Konstanz zu bewerben?
Mich hat es schon eine Weile lang in Richtung Süddeutschland und in Richtung der Berge gezogen. Vor gut zwei Jahren ergab sich dann die Chance: Ich habe die Ausschreibung der Stadt Konstanz für die Stelle des Wachleiters gesehen und war sofort begeistert. Parallel habe ich mich dann auch andernorts beworben und sogar die Zusage für eine Kommandantenstelle in Baden-Württemberg erhalten. Doch Konstanz war für mich die Traumstadt: Mit liebenswerten Menschen, dem See und der Nähe zu den Alpen. Deshalb war schnell klar, dass Konstanz für mich ganz oben steht. Umso schöner, dass es geklappt hat!
Sie haben sich in den zwei Jahren als Wachleiter bei der Feuerwehr Konstanz eingelebt. Wie haben Sie die Wehr und die Stadt erlebt?
Ich habe die Menschen als sehr offen und herzlich erlebt. Ich bin mit freundlichem Interesse begrüßt worden. Man findet sich schnell ein; das hatte ich mir schwieriger vorgestellt. Die Konstanzer Feuerwehr ist im Grundsatz gut aufgestellt und in der richtigen Richtung unterwegs. Ein paar Kleinigkeiten gibt es aber doch, die man noch anpassen muss.
Was war bislang Ihr eindrücklichstes Erlebnis in der Feuerwehr Konstanz?
Der starke Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung. Das ist hier sehr ausgeprägt. Bei Feuerwehren ist das häufig anzutreffen, aber man darf das dennoch nicht als selbstverständlich annehmen.
Sie haben am 1. August die Nachfolge von Bernd Roth als Kommandant angetreten. Was reizt Sie an der verantwortungsvollen Führungsaufgabe?
Es war absehbar, dass Bernd Roth in den Ruhestand geht. Der Tag kam dann allerdings eher als gedacht. Von ihm übernehme ich eine große Verantwortung. Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben, denn ich habe in einer guten Zeit gelebt. Die aktuelle weltpolitische Lage ist auch für uns Wehren sehr spannend und herausfordernd – wenngleich mit traurigem Hintergrund.
Auf was für einen traurigen Hintergrund spielen Sie an?
Es liegen unruhige Jahre vor uns. Ich hoffe, dass es nicht zu weiteren Kriegen kommt. Aber wir müssen uns als Gesellschaft auf Krisen vorbereiten, darunter auch Naturkatastrophen oder zum Beispiel größere Stromausfälle. Es bedarf einiges Know-how, um auch die Feuerwehr auf den Stand zu bringen, um auf die neuen Gegebenheiten entsprechend reagieren zu können.
Stehen wir als Gesellschaft an einem Wendepunkt?
Ich mache mir viele Gedanken um die nachfolgenden Generationen. Im Kriegsfall würde mein 17-jähriger Sohn vielleicht eingezogen. In meiner Generation gab es den Kalten Krieg und kriegerische Auseinandersetzungen, aber gefühlt war das alles nicht so nah wie jetzt. Mit Blick auf manche Führungspersonen der Weltmächte mache ich mir ein Stück weit Sorgen. Dass es brenzliger wird, ist für mich eindeutig. Man darf dabei nicht panisch werden, aber wir werden in unserer verwöhnten Konsumgesellschaft Gewohntes zurückstellen müssen, um krisensicher zu werden. Dementsprechend müssen wir auch unsere Wehr aufstellen. Wir gehen in die richtige Richtung, gerade auch was Bevölkerungs- und Katastrophenschutz anbelangt. Es gibt in Bund und Land Planungen. Jetzt müssen wir die lokale Ebene genau beleuchten.
Was bedeutet das konkret für die Feuerwehr Konstanz?
Es geht nicht nur um die materielle, sondern vor allem um die organisatorische Weiterentwicklung. Wir haben bereits damit begonnen, Einsatzkonzepte für verschiedene Szenarien zu erarbeiten und Liegenschaften, die beispielsweise als Wärmeräume dienen können, genau zu betrachten. Das müssen wir intensivieren.
Welche Szenarien haben sie vor allem im Fokus?
Naturkatastrophen, darunter Starkregenereignisse wie kürzlich in Moos. Aber auch Internet- und Stromausfälle durch Naturereignisse oder Anschläge, deren Folgen sehr weitreichend sind, denn dann funktionieren weder Telefone noch Kassensysteme und so weiter. Gerade für Anschlagsszenarien braucht es einen engen Zusammenschluss mit anderen Organisationen, wie beispielsweise Polizei, DRK, Malteser und THW, um Synergien zu erzielen. Auch wenn Anschlagsszenarien nicht unsere ureigenste Aufgabe sind, so können wir doch maßgeblich dazu beitragen, Sicherheit zu gewährleisten und akute Hilfe zu leisten. Die Aufgaben sind sehr vielschichtig, deshalb müssen wir die Zusammenarbeit stärken und die Kompetenzen bündeln, und zwar ohne jedwede Befindlichkeiten, denn Hilfe zu leisten und Sicherheit zu gewährleisten, geht nur gemeinschaftlich.
Wenn die Feuerwehr alarmiert wird, geht es auch um schnelle Ausrückzeiten und Einhaltung der Hilfsfrist. Mit Umsetzung des Lärmaktionsplans stellen die Busbetriebe aufgrund längerer Fahrzeiten um. Welche Auswirkungen hat fast flächendeckend Tempo 30 für die Feuerwehr?
Subjektiv und auch nach Gesprächen mit den Ehrenamtlichen brauchen sie länger zur Wache, um von dort ausrücken zu können. Objektive Zahlen liegen mir aber noch nicht vor. Mittels Modellrechnungen können die Fahrzeiten simuliert werden. Aktuell wird der neue Feuerwehrbedarfsplan erarbeitet. Dieser wird alle fünf Jahre fortgeschrieben, um uns zukunftssicher aufzustellen. Voraussichtlich Ende des Jahres können wir ihn dem Gemeinderat vorlegen.
Braucht die Feuerwehr aufgrund des Lärmaktionsplans und des Neubaugebiets Hafner eine zusätzliche Wache?
Möglicherweise wird dies im Feuerwehrbedarfsplan ergründet. Aber jetzt schauen wir erst, dass die Liegenschaften, die beschlossen sind, umgesetzt werden. Das Feuerwehrhaus in Dettingen ist bereits in Betrieb genommen, jenes in Dingelsdorf befindet sich in der finalen Phase, sodass wir eventuell ab Oktober von dort ausrücken können. Der Bebauungsplan für das Feuerwehrhaus Allmannsdorf soll jetzt erstellt werden, danach folgt Litzelstetten. Das ist lange überfällig. Wir sind sehr dankbar, dass dies von der Bürgerschaft finanziert und mitgetragen wird.
Heißt die Zukunft in Konstanz Berufsfeuerwehr?
Wir sind eine Feuerwehr mit hauptamtlichen Kräften. Eine „Berufsfeuerwehr“ ist eine Begrifflichkeit mit anderen Rechtsvorschriften, was aber keine direkten Auswirkungen auf die Einbindung des Ehrenamtes hat. Wichtig sind und bleiben auch in Zukunft beide Säulen: Ehren- und Hauptamt. Wichtig ist, gerade in Anbetracht des demografischen Wandels, genügend Mitglieder, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu finden, um alle Funktionen besetzen und in der Hilfsfrist Hilfe leisten zu können.
Ist die Nachwuchsgewinnung schwieriger geworden?
Ich bin gespannt, wie fit die Gesellschaft in Zukunft ist. Ich habe bei Einstellungstests und Wettbewerben das Gefühl, dass die Leute weniger Grundfitness haben. Da schaue ich mit Sorge hin, ob es künftig noch genügend Menschen gibt, die „schweren Atemschutz“ tragen können. Beispielsweise der Umstieg auf E-Bikes ist dafür nicht zuträglich, denn die Leute werden bequemer. Vom Grundsatz her sind wir eine schlagkräftige Einheit, die fit unter „schwerem Atemschutz“ in brennende Gebäude geht. Aber ich bin eher skeptisch, was die Zukunft anbelangt.
Beim Brand in der Zollernstraße hat sich wieder einmal gezeigt, wie gut die Zusammenarbeit der Wehren – auch über die EU-Grenze hinaus – sowie mit weiteren Blaulichtorganisationen funktioniert. Wie wollen Sie diese Zusammenarbeit pflegen oder gar intensivieren?
Die Zusammenarbeit ist definitiv gut. Das Schöne ist, der „neue“ Kreuzlinger Feuerwehrkommandant, Marc Hungerbühler, und ich sind uns einig, die enge Partnerschaft weiter voranzubringen. Nach Corona sind manche Zusammentreffen eingeschlafen, was wir aber reaktivieren möchten. Auch wollen wir die Synergien nutzen – gerade was die Ausbildung anbelangt – denn es gibt immer etwas, das man von dem anderen lernen kann.
Was ist Ihr größter Wunsch?
Dass wir es schaffen, die Feuerwehr so weiterzuentwickeln, dass wir leistungsfähig für die Bürgerschaft und Gäste bereitstehen – und die Kameraden, die Kameradinnen, die Kollegen und Kolleginnen dabei gesund bleiben. Dass wir in Extremsituationen durch gute Aus- und Fortbildung für alle Einsatzlagen gewappnet sind und wir keine schweren Unglücke erleben müssen. Was wir hier betreiben, ist immer mit Gefahr verbunden. Das kann man nur als Team. Ich bin froh, dass wir hier sehr motivierte Menschen haben, die hinter einem stehen und das gleiche Ziel haben. Das macht es mir einfach, meine Funktion wahrzunehmen, denn ein Kommandant kann keine One-Man-Show sein.
Vielen Dank für das Gespräch.