Wir müssen! Das ist der Tenor der Stadtverwaltung beim Thema Lärmaktionsplan. Sie weist darauf hin, dass es sich um eine Pflichtaufgabe seitens der EU handle. Müssen wir? Das fragen einige Stadträte während der Gemeinderatssitzung, der letzten vor der Kommunalwahl. Sie haben Sorge, dass die Blaulichtorganisationen die gesetzliche Hilfsfrist nicht einhalten können, wenn auf Hauptverkehrsachsen Tempo-30 ausgewiesen wird. Die CDU legt einen Kompromissvorschlag vor.
Darum geht‘s beim Lärmaktionsplan
Der Lärmaktionsplan sei ein vorgeschriebenes Instrument, das dem Gesundheitsschutz diene. Es handle sich um Europarecht, führt Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn in das Thema ein, das bereits von den Ortschaftsräten und im Technischen und Umweltausschuss (TUA) behandelt wurde. Seien Grenzwerte überschritten, müssten Maßnahmen ergriffen werden. Für Konstanz und die Teilorte bedeutet das: fast flächendeckend Tempo-30 – auch auf Hauptverkehrsachsen.
Einig sind sich die Stadträte, dass das Tempolimit 30 Stundenkilometer in Wohngebieten und bei Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten sinnvoll sei. Aber bei den zur Disposition stehenden Hauptverkehrsachsen?
Feuerwehr-Kommandant Bernd Roth hatte im Vorfeld bereits deutlich auf die Folgen hingewiesen: Die Feuerwehr könne dann die Hilfsfrist nicht einhalten; der Radius würde sich um die Hälfte verringern. Dieser Einwand hatte Stadträte im Vorfeld der Gemeinderatssitzung nachdenklich gestimmt und beschäftigt.
Das Problem trotz Sonderrechte
Mit Martinshorn und Blaulicht dürfen Hilfs- und Rettungsorganisationen die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit überschreiten, haben aber eine Sorgfaltspflicht. Das Problem: Es gibt keine gesetzliche Regelung, die vorschreibt, wie viel schneller gefahren werden darf. Passiert bei einer Alarmfahrt ein Unfall, trage der Fahrer eine Mitschuld, äußerte Bernd Roth in der Sitzung des TUA in aller Deutlichkeit.

Langensteiner-Schönborn berichtet in der Gemeinderatssitzung von einem Urteil. Statt 30 sei bei einer Alarmfahrt 75 Stundenkilometer gefahren und der Fahrer von seiner Schuld freigesprochen worden. „Ihre Ausführungen zu Sorgfaltspflichtverletzungen kann man sich anhören; das Gericht wird nach Sachlage entscheiden“, opponiert Roger Tscheulin (CDU).
Schließlich gebe es auch andere Urteile, wie Jan Welsch (SPD) wortgewandt ausführt. Er berichtet von einer Verurteilung, wo 38 statt 30 Kilometer pro Stunde gefahren wurde. Auch bei einer geringen Abweichung könne es sehr wohl rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, so Welsch, der anfügt: Je geringer das Tempolimit, umso höher sei die Sorgfaltspflicht.

Hitzige Diskussion im Gremium
„Die Einsatzzeiten werden sich deutlich verlängern; das kann man nicht wegmoderieren“, meint Tscheulin an Langensteiner-Schönborn gewandt. Diese hätten die Stellungnahme von Feuerwehr und der Polizei deutlich gemacht.

Die FDP könne nicht zustimmen, „wenn Rettungsfahrzeuge ausgebremst“ und die Fahrer möglicherweise „zur Verantwortung gezogen werden“, äußert Heinrich Everke. Und sein Fraktionskollege Achim Schächtle formuliert: „Man kann nicht den Fahrern abverlangen, dass sie sich über das Recht hinwegsetzen.“

Auch Anke Schwede (Linke Liste), die den Lärmaktionsplan begrüßt, sieht Probleme der Rettungskräfte, wie andere Fraktionen auch.

Die FGL jedoch steht hinter dem Lärmaktionsplan, ohne Ausnahme. Anne Mühlhäußer zeigt sich ob der Diskussion verwundert. Der Lärmaktionsplan „hat im TUA breite Zustimmung gehabt“. Und sie betont: „Er muss umgesetzt werden. Eine Pflichtaufgabe, von der EU vorgeschrieben.“

Ihr Fraktionskollege Peter Müller-Neff kann nicht verstehen, „warum man sich in Deutschland so schwertut, langsam zu fahren“; in anderen Ländern wäre dies gang und gäbe.
Gibt es eine Lösung?
Die CDU stellt den Antrag, zumindest auf der Fürstenberg-/Wollmatingerstraße zwischen Zähringerplatz und Buhlenweg sowie auf der Mainaustraße vom Sternenplatz bis zur bestehenden Tempo-30-Regelung in Allmannsdorf 50 Stundenkilometer zu belassen. Alternativ stellt die CDU Tempo-40 für die genannten Straßen in den Raum.

Für das Beibehalten auf diesen beiden Hauptverkehrsachsen konnte die CDU keine Mehrheit finden, der Kompromiss mit Tempo-40 hingegen wurde mehrheitlich angenommen. Der Gemeinderat stimmte dem Lärmaktionsplan – mit dieser Änderung – zu.
Und wie geht es jetzt weiter?
Die Entscheidung ist gefällt. Die Verwaltung werde umgehend mit der Planung beginnen, wo die neue Beschilderung aufgestellt werden müsse, erklärte Sebastian Nadj vom Amt für Stadtplanung und Umwelt (ASU) im Gespräch mit dem SÜDKURIER im Vorfeld der Gemeinderatssitzung.
Dann würden die Schilder montiert, was voraussichtlich bis Ende Oktober 2024 geschehen könnte. Wie viele Schilder benötigt werden und wie hoch die Kosten sind, könne allerdings erst beziffert werden, wenn die Planung abgeschlossen sei.