Auszubildende für das Handwerk zu finden, ist nicht einfach. Das weiß auch Max Knoll. Er ist Geschäftsführer der Metzgerei Knoll aus Stockach mit rund 75 Angestellten und schon seit 35 Jahren im Betrieb. Weil die Besetzung von Ausbildungsstellen immer schwerer wird, ist er in diesem Jahr neue Wege gegangen: Er rekrutiert seine Lehrlinge aus Asien. Eine Nachfrage bei anderen Unternehmen aus anderen Branchen zeigt, wie groß die Nachwuchssorgen allgemein sind, wie kreativ Firmen inzwischen werden und wo die Umstände es schwer machen.
Drei Stellen biete er dieses Jahr neu an, berichtet Knoll, alle drei seien durch junge Menschen aus Indien belegt. Problemlos ist dieses Vorgehen allerdings nicht. Knoll sagt: „Eigentlich hätten sie schon hier sein sollen, weil auch die Schule schon losgeht, aber das verzögert sich.“ Was genau das Problem sei, wisse Knoll nicht. Denn die Rekrutierung laufe über den Landesinnungsverband für das Fleischerhandwerk Baden-Württemberg. Dennoch ist Knoll von diesem Weg überzeugt. Der 58-Jährige sagt: „Ich bin guter Dinge.“
Immer weniger Bewerbungen gehen ein
Und wie kam es zu diesem eher ungewöhnlichen Schritt? Knoll habe von dem Rekrutierungsprogramm gehört und Interesse bekundet. Dann habe alles seinen Lauf genommen. Nun hofft der Metzgermeister, dass seine neuen Lehrlinge bald eintreffen.
Außerhalb des Programms habe er nur wenige Bewerbungen auf die Lehrstellen in dem Metzgerbetrieb erhalten. Einer habe sich im September noch gemeldet, da seien die Stellen aber schon vergeben gewesen. Woran es liegt, dass sich kaum noch jemand für das Metzgerei-Handwerk interessiert, könne Knoll nicht sagen.
Arbeitsbedingungen haben sich verbessert
Denn in den vergangenen 35 Jahren hätten sich die Arbeitsbedingungen im Metzgerei-Handwerk zum Positiven entwickelt, findet Knoll. Zwar gebe es noch immer Wochenend-Arbeit und einen Brückentag kenne er nicht. Aber die Produktion beginne heutzutage erst um 6 Uhr morgens. Früher habe er teils schon um Mitternacht aufstehen müssen. Und auch körperlich sei der Beruf längst nicht mehr so fordernd. Und Knoll betont: „Es braucht das Handwerk.“
Auch der Lebensmittelfachverkauf hat durch Rekrutierungsprogramme aus dem Ausland wieder mehr Auszubildenden, schreibt die Handwerkskammer Konstanz in einer Pressemitteilung. So seien rund 50 neue Verträge unterzeichnet worden. Vergangenes Jahr seien es nur halb so viele gewesen. Viele Lehrlinge kommen demnach aus Indien, Indonesien oder Marokko.

Bei Bacher bleiben auch im September die Türen für Bewerber offen
Die Bacher Edelstahl GmbH hingegen setzt noch nicht auf Auszubildende aus dem Ausland. Nicht etwa, weil die Bewerberlage wesentlich besser wäre als im Metzgerei-Handwerk, sondern vielmehr wegen der bürokratischen Hürden, wie Stefanie Cierocki sagt. Sie ist stellvertretende kaufmännische Leiterin bei Bacher und für die Ausbildung zuständig.
Zwar gebe es immer wieder Anfragen von Firmen, die Azubis aus dem Ausland vermitteln, ernsthaft darüber nachgedacht habe das Unternehmen aber noch nicht. Für dieses Jahr hat Bacher laut Cierocki zwei Ausbildungsstellen ausgeschrieben. Eine davon konnte fristgerecht besetzt werden. Für die andere sei man noch in Gesprächen, so Cierocki – da hatte das Ausbildungsjahr aber schon angefangen.
Deshalb betont sie: „Man muss bereit sein, auch später die Türen noch für junge Menschen offenzuhalten.“ Vergangenes Jahr habe das Unternehmen mangels geeigneter Bewerber keine Lehrstelle besetzen können, sagt Geschäftsführer Mario Bacher. Seiner Meinung nach sei die Eigeninitiative bei der jungen Generation zurückgegangen.
Stockach als Standortnachteil
Als ein Problem sehen Cierocki und Bacher, dass Stockach schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sei. Bacher nennt ein Beispiel: „Wir hatten mal einen jungen Mann aus Allensbach, der Interesse gezeigt hat. Aber mit Bus und Bahn wäre er pro Weg eine dreiviertel Stunde unterwegs gewesen.“ Zu viel für den potenziellen Lehrling. Und das sei nur eins von vielen Beispielen. Bacher: „Das Problem hat uns in den letzten Jahren vier bis fünf Bewerber gekostet.“
Untätig bleibe der Edelstahl-Verarbeitungsbetrieb dennoch nicht. Die Firma Bacher biete Praktika an, sei auf Ausbildungsmessen und bei Karrieretagen präsent, biete Besuchstage an. Interessenten gebe es so immer wieder. Mario Bacher betont: „Es lohnt sich, eine handwerkliche Ausbildung zu machen. Man hat einen sicheren Arbeitsplatz, der nicht durch künstliche Intelligenz gefährdet ist. Das Handwerk ist zukunftssicher.“
Bessere Ausbildungslage in der Industrie
Interessanter scheinen für viele Bewerber allerdings Industriebetriebe zu sein. Der Stockacher Standort von Rheinmetall hat nämlich keine Probleme, Ausbildungsstellen zu besetzen. „Rheinmetall kann über fehlende Bewerbungen nicht klagen“, schreibt David Ginster, Referent Öffentlichkeitsarbeit, auf Anfrage.
Zum 1. September seien in Stockach zwei junge Menschen eingestellt worden, die Industriekaufleute werden wollen. Zwei weitere werden laut dem Unternehmen frisch zum Elektroniker für Geräte und Systeme ausgebildet. Somit seien alle ausgeschriebenen Lehrstellen besetzt.
Unternehmen will Ausbildung ausbauen
Für das kommende Jahr wolle Rheinmetall in Stockach daher je drei Stellen als Elektroniker für Systeme und Geräte und als Industriekaufleute anbieten. Zusätzliche Stellen, etwa für IT-Berufe, seien in Planung.

Laut Ginster werde Rheinmetall als ein attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Ein Grund dafür dürfte sein, dass das Unternehmen seinen Auszubildenden auch diverse Vorteile, sogenannte Benefits, anbiete. Ginster nennt als Beispiel Firmen-Fitnessangebote, Weihnachts- und Urlaubsgeld und Azubi-Events. Und: „Wir bieten einen sicheren Arbeitsplatz mit verschiedenen Weiterbildungsmöglichkeiten und hohen Übernahmechancen.“
Auch die Entwicklung sei durchaus positiv. So sei die Zahl der Bewerbungen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Monatlich würden den Konzern in Deutschland rund 20.000 Bewerbungen erreichen – allerdings für über 40 Standorte, nicht nur Stockach.