Wenn Mensch auf Biber trifft, kann das für jede Menge Ärger sorgen. So verunreinigte in Böhringen etwa aufgestautes Oberflächenwasser das Trinkwasser im Tiefbrunnen Viehweide und der Fußweg durch das Gewann Hundertjauchert musste wegen Überschwemmung gesperrt werden, weil ein Damm den dortigen Bach angestaut hatte. Nun gibt es im größten Radolfzeller Ortsteil jedoch positive Nachrichten rund um das Nagetier – denn die Einheimische und Besucher haben es einem Biber zu verdanken, dass der Böhringer See nicht mehr wegen Blaualgen gesperrt werden musste.

Und das, obwohl sich die Grenzwerte laut Laura Poschenrieder von der Stadtverwaltung mittlerweile halbiert haben. Im Böhringer See dürfte also schon bei einer niedrigeren Konzentration von Giftstoffen aus Blaualgen nicht mehr gebadet werden als in der Vergangenheit.

Weniger Nährstoffe – weniger Blaualgen

Zuletzt für Badende gesperrt werden musste der Böhringer See vor drei Jahren. Dass seither kein Badeverbot mehr ausgerufen werden musste, liege an einem Biber, der seinen Damm direkt am Zufluss zum See, dem Pfarrmoosgraben, gebaut hat. „Mir ist das Bauwerk schon länger aufgefallen“, sagt Laura Poschenrieder. Im Frühjahr dieses Jahres habe sie den Damm entdeckt. Im Mai habe sie begonnen, vor und nach diesem Wasserproben aus dem Pfarrmoosgraben zu nehmen. Diese seien im Labor der Radolfzeller Kläranlage ausgewertet worden.

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Das Ergebnis: Der Nährstoffgehalt im Wasser sei hinter dem Damm deutlich niedriger als davor. Es gelangen also weniger Nährstoffe von außerhalb in den See – und das sorge dafür, dass weniger Blaualgen wachsen. „Dadurch, dass der Damm im Wasser steht, wird die Fließgeschwindigkeit des Wassers reduziert“, erklärt Poschenrieder. Das mache es verschiedenen Pflanzen deutlich leichter, die Nährstoffe zu binden. Außerdem können sonstige Feinstoffe auf den Boden absinken und gelangen so nicht mehr in den See.

Der Biber spart 250.000 Euro

Gleichzeitig sorge der Biberdamm dafür, dass der Boden rund um den Graben feuchter sei. „Da sind sehr gute Wachstumsvoraussetzungen von Schilf“, so Poschenrieder. Und das ist wichtig: Die Pflanze binde nicht nur Nährstoffe, sondern setze beim Verrotten Stoffe frei, die das Wachstum von Blaualgen zusätzlich hemmen können.

Neben dem Zufluss zum Böhringer See zeigt sich: Durch den Biber breitet sich Schilf aus. Und das hilft gegen Blaualgen.
Neben dem Zufluss zum Böhringer See zeigt sich: Durch den Biber breitet sich Schilf aus. Und das hilft gegen Blaualgen. | Bild: Laura Poschenrieder

Aus diesem Grund habe es schon früher die Idee gegeben, auf den Flächen neben dem Pfarrmoosgraben Schilfflächen anzulegen. Auch sei vorgeschlagen worden, den Zufluss zum See zu verbreitern, sodass das Wasser nicht mehr nur im Graben geflossen, sondern über die Fläche gerieselt wäre. Nun sei das dank des Bibers nicht mehr nötig.

Und das spare der Stadt jede Menge Geld. Bepreist worden seien die Maßnahmen nämlich mit 250.000 Euro – Stand vor etwa zehn Jahren. Heute wären die Kosten laut Poschenrieder also vermutlich deutlich höher ausgefallen.

Der Nager wird vermutlich bleiben

Zwar gebe es trotz Biberdamm keine Garantie, dass in Böhringen kein Badeverbot mehr verhängt werden müsse. Einen überaus positiven Einfluss hat das Nagetier aber dennoch. Und Laura Poschenrieder glaubt, dass es auch in Zukunft am Pfarrmoosgraben einen Biberdamm geben wird: „Ich bin mir relativ sicher, dass er bleibt, weil der See ein gutes Revier ist.“ Außerdem seien Biber sehr standorttreu.

Und selbst wenn der aktuelle Biber irgendwann einmal nicht mehr lebe, werde der Standort vermutlich von einem anderen Tier übernommen. Denn Reviere seien stark umkämpft: „Die meisten toten Biber gehen mittlerweile auf Revierkämpfe zurück.“

Auch anderswo gibt es positive Auswirkungen

In Radolfzell gebe es seit Ende des vergangenen Jahres in jedem Ortsteil Biber, hauptsächlich angesiedelt seien sie an den Seen, auch am Bodenseeufer. Vor allem in und um Böhringen gebe es mehr Tiere als anderswo. „Der Biber ist hier etabliert“, betont Laura Poschenrieder. Und er habe auch nicht nur am Böhringer See einen positiven Effekt.

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Anfang des Jahres habe ein Tier im Bereich der Ortsverbindungsstraße zwischen Güttingen und Stahringen einen Bach aufgestaut und dadurch einen kleinen See entstehen lassen, in dem sich Amphibien fortpflanzen konnten. Das habe dafür gesorgt, dass in dem Bereich am Amphibienzaun rund 11.000 Tiere gezählt wurden, so Poschenrieder. Zuvor seien es 1000 bis 2000 pro Jahr gewesen.

„Orte, an denen der Biber auftaucht, sind Orte, an denen die Biodiversität sich entfaltet“, sagt Laura Poschenrieder.
„Orte, an denen der Biber auftaucht, sind Orte, an denen die Biodiversität sich entfaltet“, sagt Laura Poschenrieder. | Bild: Marinovic, Laura

Auch Libellen profitieren laut Laura Poschenrieder von den Biberaktivitäten. „Orte, an denen der Biber auftaucht, sind Orte, an denen die Biodiversität sich entfaltet“, fasst sie zusammen.

Nasse Moore sind ein Beitrag zum Klimaschutz

An anderer Stelle hilft der Biber, den Wasserstand bei Moorböden anzuheben. Das ist laut Umweltbundesamt ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, denn trockengelegte Moorböden in Deutschland würden pro Jahr rund 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente abgeben. Das seien rund 7,5 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen.

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Laut Laura Poschenrieder gibt es darum bereits Projekte, an denen Moore wieder ausreichend befeuchtet werden – doch die seien sehr teuer und bräuchten sehr viel Vorlaufzeit. Der Biber dagegen löse das Problem von ganz alleine.

Poschenrieder bedauert daher, dass bislang wenig über die Vorteile der Biber gesprochen werde. Dabei sei es positiv, dass sich die Tiere wieder etabliert haben – schließlich waren sie vor rund 150 Jahren fast ausgerottet.