Modellbackkunst trifft Brauchtum: So beschreiben Ursula Bielefeld und Andreas Auer von den Stockacher Laufnarren die Stockemer Fasnets-Springerle. Das "Springerle" ist ein traditionelles Festtagsgebäck aus einem Anis-Eierschaumteig. An Dreikönig luden die Springerle-Experten zu einer Backvorführung ein, in deren Rahmen sie den komplexen Herstellungsprozess der Springerle erläuterten und viele Fragen der angereisten Springerle-Fans beantworteten. Obwohl die beiden erst seit drei Jahren backen, können sie viel Lob einsammeln: "In dieser Qualität kann man Springerle nicht einmal kaufen", sagt Roland Döring, der mit seiner Frau Monika Döring heute extra aus Radolfzell gekommen ist. "Wegen der Springerle", sagt er.
Doch warum backen die Stockacher Hobbybäcker denn Springerle? "Wir hatten als Fasnachtsgruppe nichts, das wir hätten ausgeben können. Das haben bei uns ja nur die Marketenderinnen", sagt Andreas Auer. Das habe er immer bedauert. Durch Zufall sei er dann auf den Schnitzer Leonhard Angele aus Bad Wurzach gestoßen, der sich auf die Herstellung von "Modeln" spezialisiert habe. So nennt man übrigens die Formen aus Binenholz, mit denen man die Motive in den Teig drückt. "Ich habe Leonhard Angele meine Fasnachtsmaske gegeben und ihn gefragt, ob er anhand dieser Vorlage ein Model erstellen könne", erzählt Auer. Dies sei dem Schnitzer gleich im ersten Anlauf gelungen. "Nun haben wir eine Möglichkeit, an Fasnacht Freude zu schenken", sagt Ursula Bielefeld. "Wir freuen uns dank der Springerle immer vier Mal: beim Backen, wenn sie im Ofen springen, wenn sie weich sind und beim Verschenken."
Aus den Reihen der Besucher im Seilercafé ertönen immer wieder Fragen, und es entsteht eine intensive Diskussion über Zubereitungsmethoden, Lagerung und Model-Formen. Jeder hat seine ganz eigene Herstellungsweise für die Springerle. So ist zum Beispiel die Anis-Frage lange ein Thema: Gemahlener Anis in den Teig oder ganze Anis-Körner auf das Backblech? Oder die Körner gar direkt auf das Springerle streuen? Monika und Roland Döring sind von der Stockacher Methode beeindruckt: "Das sind wirklich hervorragende Exemplare", lobt Roland Döring. Der Hobbybäcker ist vor allem begeistert davon, dass Andreas Auer und Ursula Bielefeld komplett ohne Backpulver auskommen. "Bei mir gehen die nur mit Backpulver auf. Außerdem helfe ich dem Springen nach, indem ich die einzelnen Springerle vor dem Backen unten noch mit etwas Wasser benetze." Springerle-Liebhaber tauschen sich untereinander aus, denn das sei der Weg zum Erfolg, sagt Monika Döringer. Die beiden Radolfzeller sind Springerle-Fans und versuchen sich schon seit Jahren an der komplizierten Backkunst.
Das "Springerle"-Backen habe eine lange Tradition, sagt Hobbybäcker Andreas Auer. "Das geht zurück bis ins Mittelalter, und auch die Römer haben früher schon Motivgebäck aus Eierschaum gebacken", erklärt er. Im Mittelalter sei diese Süßspeise aber dem Adel vorbehalten gewesen. So habe sie zum Beispiel als Dekoration an den Weihnachtsbäumen gehangen, sagt Ursula Bielefeld. Auch sei sie in der Kirche im Rahmen des Abendmahls als Leib Christi ausgegeben worden, fügt Andreas Auer an. Der Name kommt vom "Aufspringen" beim Backen. Im Ofen geht der Teig nämlich auf und wächst so auf die doppelte Höhe an.
"Heute ist diese Art des Backens allerdings nicht mehr so verbreitet", sagt Auer bedauernd. Heutzutage müsse alles schnell gehen, und kaum einer nehme sich noch die Zeit für die Filigranarbeit, die die Springerle erfordern. "Es ist eine zeitaufwendige Sache, der Prozess zieht sich über zwei bis drei Tage hin", sagt der aktive Laufnarr Auer. Zunächst wird der Teig zubereitet – "Den Eierschaum schlage ich mindestens 20 Minuten, das ist mein Geheimtipp", verrät er – dann wird ausgerollt, das Model mit dem Motiv aufgedrückt und im Anschluss ausgestochen, und dann muss der noch feuchte Teig erst einmal durchtrocknen, bevor das Springerle in den Ofen darf. Ein langwieriger Vorgang, der vollkommen umsonst war, wenn das Gebäck im Ofen dann nicht "springt", also nicht aufgeht. "Schon der kleinste Fehler kann ausreichen, um die Arbeit zunichtezumachen", warnt Ursula Bielefeld. Daher hätten viele auch Angst vor dem Springerle-Backen. Das perfekte Springerle hat übrigens ein deutlich erkennbares Motiv mit klaren, scharfen Konturen, einen Fuß, der von dem gelungenen "Sprung" im Ofen zeugt – und beim Reinbeißen ist es angenehm weich.
Das Rezept
Die Zutaten für ein volles Backblech:
- 2 Eier
- 250 Gramm Puderzucker
- 250 Gramm Mehl
- 2 Esslöffel Anissamen
- nach Belieben Vanillezucker, Kirschwasser, Rumaroma oder Zitronenschale
- zum Ausmodeln: Backbrett, Wellholz, Model, Mehl und Speisestärke, damit der Teig nicht im Model festkleben bleibt