Mit der Brezel, den Springerle und der Schwarzwälder Kirschtorte sind Fasnachts-Küchlein oder auch Fasnet-Kiächle die bekanntesten Backwaren im alemannischen Sprachraum des Südwestens, auch wenn die „Kiächle“ zum Schmalzgebackenen zählen.
Wenn nach Weihnachtsgebäck und Christstollen Mitte Januar wieder Fasnachtsküchlein von Großbackstuben auf den Markt kommen, die als flachste Fladen tellergroß ausgebacken in der grenznahen Schweiz ebenfalls zur fünften Jahreszeit zählen, dann ist auch hier Zeit, die „Kiächle“ selber zu backen.
Und wie zu jeder Tradition gibt es auch für Fasnet-Kiächle eine historische Betrachtung. So verwahrt die Uni-Bibliothek Basel den Brief einer Barbara Amerbach, die im März 1508 ihren Sohn Basilius, der in Freiburg i. Br. studierte, zur Fastnacht einlud und ihn bat, „...uns nicht zu verschmähen und das Küechlin bi uns zu reichen“.
In jenen Jahren der Historie soll es gar zu Ausschweifung gekommen sein. Nach Basler Gerichtsakten von 1540 klagte eine Mendelin Nochbur gegen einen Hutmacher, der bei ihr Küchlein geholt und ihr die Ehe versprochen habe. Doch der Beklagte beteuerte, von der Frau eingeladen worden zu sein, von Heirat habe er nichts gesagt. Und selbst Narren-Philosoph Sebastian Brant machte den Narren 1494 in seinem „Narrenschiff“ deutlich: „Man spendet Küchlein in manchem Haus, wo besser wär', man bliebe draus.“
Zum wahren Zerfall der Sitten soll es 1775 gekommen sein, als es heißt: „Die Magd ziehe des Knechts Hosen an und der suche Küchlein in der Mägde Kammer. Da gebe es wohl über weniger als einem Jahr Mehl- und Milchschreilinge“. Und all das wegen der „Pfannenkuchen, Nonnenfürtzlein, Krapfen, Pfannzelten, Bauernküchlein, der Scherben und des unsäglichen Geschmeiss mehr…“
Frühe Schriftstücke über Küchlein aus Brand- oder Brühteig in der Pfanne und in ausgelassener Butter oder Schweineschmalz stammen aus Magdalena Platters Kochbuch von 1592, dem ältesten Dokument dieser Art. Auffällig ist in der weiteren zeitlichen Folge die Zutat Zucker. Dieser war selbst in kleinen Mengen ein Privileg der kirchliche und weltlichen Prominenz.
Weil es in der Fastenzeit verboten war, Butter oder Fett zu verwenden, galt aber auch: „Vorschriften können umgangen zu werden“. Weshalb man im ausgehenden Mittelalter beim apostolischen Stuhl Fastendispensen ab Aschermittwoch, so genannte Butterbriefe, erlangen konnte, die den Genuss von Milchprodukten (Laktizinien), Fleisch und tierischen Fetten erlaubten.
Als komplett vor-fastnachtlich und damit unverdächtig gilt ein hiesiges Rezept mit noch immer zeitnaher „Regel“ (Backanweisung) aus dem Jahre 1905. Es stammt aus dem Rezeptbuch der gebürtigen Villingerin Theresia „Resle“ Schleicher (1890-1988). Nach der Mädchenschule und der Kochschule, die viele junge Frauen besuchten, um eine gute Hausfrau und Mutter zu werden, war Resle in Freiburgs Wiehre und in Zürich in Stellung. Später lebte sie mit ihrem Mann Wilhelm Keller, Oberlokführer aus Weizen, Flügelrad-Sänger und Schachexperte, mit vier Kindern in der Marbacher Straße.
Theresia schrieb 1905, als sie in Freiburg Hausmädchen war, in damals üblicher deutscher Schrift ein Rezept für die Fasnet-Kiächle für zwei Personen und berechnete auch den finanziellen Verbrauch mit 66 Reichspfennig:
Fasnet-Kiächle für zwei
Man nehme ein halbes Pfund Mehl, Milch, 10 Gramm Presshefe, ein Ei, einen halben Kaffeelöffel Salz, Butter zwei Esslöffel Zucker und ein halbes Pfund Backfett.
In der Mitte des erwärmten Mehles macht man eine Vertiefung und rührt einen Teil des Mehles mit der aufgelösten Hefe zu einem Vorteig an, den man gehen lässt. Hierauf gibt man die zerlassene Butter, Salz, Ei, Zucker und lauwarme Milch unter das Mehl und schlägt den Teig so lange, bis er sich vom Löffel löst.
Zum Aufgehen rechnet man eineinviertel Stunden, dann sticht man aus dem gewellten Teig Küchlein aus, setzt sie auf ein mit Mehl bestreutes Brett und lässt sie nochmals aufgehen. Nun werden sie leicht auseinander gezogen (zu so genannten Scherben) und im heißen Fett schön gelb gebacken und mit Zucker bestreut. Zubereitungszeit drei bis vier Stunden.