Der 6. Juni 2024 war ein großer Tag: Die Stadtverwaltung Villingen-Schwenningen und das Schweizer Unternehmen Infener gaben stolz bekannt, dass im Industriegebiet Salzgrube ein Wasserstoffhub gebaut werden soll – also eine Anlage zur lokalen Produktion des vermeintlich zukunftsträchtigen Energieträgers.
Der Grundstein sollte 2025 gelegt werden, die Inbetriebnahme 2026 erfolgen. Doch was ist daraus geworden?
Immerhin handelt es sich um ein 45-Millionen-Euro-Projekt. Anlagen in solch einer Dimension werden in der Regel mit einer gewissen Vorlaufzeit geplant. Sollte der Bau tatsächlich dieses Jahr starten, müsste der Termin also bekannt sein.
Investor ist sehr reserviert
Doch die Verantwortlichen geben sich erstaunlich schmallippig, wenn man sie nach dem Zeitplan fragt. Das steht in einem auffallenden Gegensatz zu der vor über einem Jahr versendeten Pressemitteilung, in der in aller Opulenz über die Zukunftschancen der grünen Wasserstoffproduktion speziell in Villingen-Schwenningen gesprochen wurde.
Keine Details und Zeitpläne
Franziska Grammes, Sprecherin von Infener, antwortet auf einen breiten Fragenkatalog zur Grundsteinlegung, Inbetriebnahme, einer etwaigen Planungsänderung mit wenigen dürren Sätzen: Aktuell befinde sich Infener in einer Phase der strategischen Weiterentwicklung und Abstimmung, unter anderem auch für den geplanten Wasserstoffhub in Villingen-Schwenningen. „In diesem Zusammenhang können wir derzeit leider keine weiteren Details oder Zeitpläne kommunizieren.“
Stadtverwaltung sagt gar nichts
Noch wortkarger gibt sich Madlen Falke, Sprecherin der Stadtverwaltung: „Zu einem laufenden Verfahren kann die Stadt leider keine Auskünfte erteilen“, obwohl es sicherlich von öffentlichem Interesse ist, wie lange die Verwaltung 10.000 Quadratmeter Grundfläche im Gewerbegebiet Salzgrube zu reservieren gedenkt.
Schwarz-Rot zurückhaltend
Doch wieso ist nun plötzlich eine starke Reserviertheit bei der noch vor Kurzem gepriesenen Produktion von grünem Wasserstoff zu spüren? Möglicherweise spielt die Änderung der politischen Großwetterlage eine Rolle.
Während die Ampelkoalition im Bund noch stark auf den grünen Wasserstoff setzte, um die Klimaneutralität zu erreichen, agiert die schwarz-rote Regierung deutlich zurückhaltender.
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) will inzwischen auch den blauen Wasserstoff, der aus Erdgas gewonnen wird und dessen CO₂-Anteil gespeichert werden soll, gleichrangig mit dem grünen behandeln. Das hat bereits Folgen: Unternehmen, die ihre Pläne meist noch in Ampel-Zeiten aufstellten, werden vorsichtiger.

Vorsicht der Investoren „nachvollziehbar“
Dass Investoren angesichts dieser politischen Botschaften zurückhaltender werden, kann Christian Klaiber, Geschäftsstellenleiter des Wasserstoffclusters in der Region, nachvollziehen.
Aus seiner Sicht ist das in gewisser Hinsicht bedauerlich, denn irgendwann werde die Wirtschaft in Deutschland den Energieträger wechseln müssen. Es könnten nicht ewig fossile Brennstoffe genutzt werden.
Doch zunächst muss es sich für ein Unternehmen wie Infener lohnen, in die Produktion von grünem Wasserstoff einzusteigen. Hier gibt es beispielsweise für das Land Baden-Württemberg eine Förderung. Wer zum Zuge komme, sei bisher nicht entschieden, wie Klaiber ausführt.
Infener weit fortgeschritten
Infener sei mit den Plänen zwar am weitesten fortgeschritten, aber nicht das einzige Unternehmen, das in der Region einen Wasserstoffhub erstellen will. Klaiber hofft nun, dass weitere Interessenten ihre Projekte weiterverfolgen.
Weiterer Standort in der Ortenau?
Für das Schweizer Unternehmen ist Villingen-Schwenningen nicht der einzige Standort. Ein weiterer Wasserstoffhub in Neumünster soll entstehen und auch im Südwesten, nicht weit von hier, im Ortenaukreis, könnte einer hinzukommen. 43 Millionen Euro sollen hier investiert werden.
Auch in diesem Fall hat Infener im September vergangenen Jahres in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit der Stadt Gengenbach, ähnlich wie in Villingen-Schwenningen, das Vorhaben optimistisch angekündigt. Von konkreten Rahmenbedingungen, etwa der Grundsteinlegung, war bisher allerdings nicht die Rede, wie Bürgermeister Sven Müller auf Anfrage mitteilt.

Auch in Gengenbach erst am Beginn des Prozesses
Es gebe zwar Kontakte zwischen Stadtverwaltung und Stadtwerken mit Infener, dabei gehe es vor allem um technische Details. „Wir sind qualitativ erst am Anfang des Prozesses“, meint Müller. Es habe bisher keine Konkretisierung des Projekts stattgefunden, Auskünfte aus der Schweiz dazu blieben auch aus Sicht Müllers „vage“. Ein Vertrag mit den Gengenbacher Stadtwerken, der die Stromlieferung regelt, sei bisher nicht abgeschlossen worden.
Reservierung „nicht bis in alle Ewigkeit“
Zwar habe auch die Stadt Gengenbach für Infener ein Grundstück reserviert, doch diese Vormerkung könnte „nicht für alle Ewigkeit“ aufrechterhalten werden, dazu seien Gewerbegrundstücke zu wertvoll.

Von wo genau der Hub in Villingen-Schwenningen seinen Strom beziehen soll, ist derzeit offen.
So könnte bei Überkapazitäten Energie vom geplanten Photovoltaikfeld der Stadtwerke an den Bertholdshöfen genutzt werden, die Abwärme der Elektrolyseanlage sollte das neue Hallenbad am Klosterhof beheizen, war eine weitere Idee.
Doch für das gemeinsame Bad am Klosterhof sind die Stadtwerke derzeit erst in der Vorplanungsphase, sodass es hier deutlich zu früh wäre, um Details über die künftige Heizform zu nennen, sagt Sprecher Oliver Bauer.
Keine Antwort auf Rückfragen
So bleibt aktuell vieles im Unklaren. Immerhin: „Sobald wir öffentlich über die nächsten Schritte informieren können, werden wir dies selbstverständlich proaktiv tun und Sie gerne auf dem Laufenden halten“, teilt die Unternehmenssprecherin abschließend mit.