Bermatingen Gewiss, der Spaß, in mittelalterliche Gewänder zu schlüpfen und die Zeit vor Jahrhunderten zu leben, steht mit ganz vorne. Der Seehaufen, auch Bermatinger Haufen genannt, legt dabei aber ausgesprochenen Wert auf eine möglichst authentische Gestaltung unter Berücksichtigung historischer Belege. Das will der Verein zum Gedenken an 500¦Jahre Bauernaufstand am Wochenende, 24./25.¦Mai, auf und im Areal des historischen Kehlhofs zeigen. 1525 sammelten sich dort und in direkter Umgebung die Bauern, um ihre ganzen Unternehmungen zu starten.
Geeigneter könnten die „Anführer“ des Seehaufen kaum sein: Tobias Raeder ist Historiker und Germanist, sein Stellvertreter Colja Hummel Zimmermann und Architekt bei Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Hier hat er mit Denkmälern zu tun, weshalb er die Liegenschaft Kehlhof sehr gut kennt. „Das ist ein Glücksfall, dass der Kehlhof noch nicht verkauft ist und wir sind sehr dankbar, dass die Gemeinde ihre Aufgabe erkannt hat, ihre eigene Dorfgeschichte darzustellen, das Gedenken finanziell und organisatorisch unterstützt und uns den historischen Flecken zur Verfügung stellt“, sagen sie.
Schon vor Jahren hat sich der Verein Gedanken ums Gedenken gemacht. „Wir wollten mehr Wert auf die Darstellung der damaligen Lebensumstände legen und auf die Vermittlung der Geschichte, als auf Fress- und Souvenirbuden“, sagt Tobias Raeder. Und das aus Sicht der Bauern und Handwerker, der unteren Gesellschaftsschicht, die durch neue Gesetzgebungen von Kirche und Adel unterdrückt wurde. „Diese Gesetzgebung, die auf Reichsebene vereinheitlicht werden sollte, war nur durch den Buchdruck möglich. Das Problem war, dass das Gewohnheitsrecht der Dörfer dadurch beschnitten wurde“, erklärt Tobias Raeder. Und: „Luther schrieb in dieser Zeit von der Freiheit eines Christenmenschen – er ist frei und niemandem untertan.“ Doch dieser Satz sei von den Bauern falsch interpretiert worden, denn Luther bezog dies auf die Religionsfreiheit, die Bauern aber auf ihre persönliche Freiheit, aus der die Protestbewegung mit dem Ziel der Mitbestimmung entstand. „Die hatte man der Schicht nach und nach weggenommen und diese wollten sie auf friedlichem Weg wieder erreichen. Dazu benötigten sie aber Waffen, um überhaupt gehört zu werden. Es war die erste Bewegung, die Freiheit forderte“, ergänzt Colja Hummel.
Freuen dürfen sich die Besucher auf ein Heer-Lager, Handwerker, die schnitzen, Seile drehen, Buchdruck zeigen, Löffel drechseln, Kerzen ziehen, Kettenhemden anfertigen, in die man auch mal schlüpfen darf. Zu sehen sein wird eine Pulvermühle, in der Schwarzpulver hergestellt wurde, ein Kunstschnitzer zeigt sein Talent, Frauen spinnen Wolle mit Hand und Spinnrad, der Zeugmeister erklärt die Waffen. Schwerter dürfen in die Hand genommen werden, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie schwer sie sind. „Bei uns wird Geschichte greifbar“, sagen die beiden. Dazu gibt es Vorträge über historische Waffenkunde, Pest und Cholera, Kinderspiel, eine Ausstellung im vermutlichen Hauptmannszimmer im Kehlhof, Kanonenschießen, Tanz und Musik, einen mittelalterlichen Gottesdienst mit Festumzug und vieles mehr. Befreundete Gruppen wie D`Buure aus Villingen-Schwenningen, die Hans-Müller-Gruppe aus Bulgenbach bei Rothaus/Schwarzwald und die Rotwelsche aus Memmingen werden die Dorfbelebung bereichern.
Natürlich gibt es auch Verpflegung. Weil es ein Bermatinger Gedenkfest ist, werden die Vereine mit eingebunden: Der Musikverein wird Würstchen und Spätzle anbieten, der Turnverein Kaffee und Kuchen, am Dinnelewagen gibt es die badischen Fladen und der Seehaufen schenkt Getränke aus.