Bermatingen Ein beruflicher Wechsel mit 55 Jahren – denkt man da nicht eher an (Früh-) Rente und daran, im gewohnten Umfeld zu bleiben? „Überhaupt nicht!“, antwortet Helen Steiner, die neue Rektorin der Grundschule, sofort. „Ich wollte noch mal was Neues, und ich hoffe, meinen Beruf bis 67 auszuüben.“ Stillstand ist nichts für sie. Also hielt Helen Steiner Ausschau nach Neuem.
Das Schulamt schlug ihr Bermatingen vor. Bisher kannte sie den Ort nur als Durchfahrtsstraße mit Tempo 30. Auf dem Rückweg vom Schulamt umrundete sie das Schulgebäude – auch der Blick auf die Homepage gefiel ihr: „Das ist eine sehr lebendige Schule mit dem Leitmotiv ,Bewegung´ und einem Schwerpunkt auf sozialem Lernen. Es gibt jährliche Projektwochen zu bestimmten, wiederkehrenden Themen. Vieles von dem, was mir für eine Schule am Herzen liegt, habe ich an der Grundschule Bermatingen wiedergefunden. Dazu gehört auch der Beschluss, Ganztagsschule zu werden – eine Aufgabe, die ich gerne angehe“, erzählt Helen Steiner lebhaft von ihren ersten Eindrücken. Beeindruckt ist sie auch von der Gemeindeverwaltung, die Schulthemen offen und transparent angeht, die Betreuung aktiv fördert und bei der spürbar ist, wie sehr ihr die Schule am Herzen liegt.
So manche große Herausforderung erwartet die neue Rektorin. Der bevorstehende Anbau mit all den Mehraufgaben und Unannehmlichkeiten schreckte sie nicht ab – vielmehr freut sich darauf, mitzugestalten. Gleich in ihrer ersten Woche gab es ein Treffen mit dem Architekten. „Das Kollegium hat mich dabei super mitgenommen und mich sehr gut in die Thematik eingeführt.“ Der Übergang mit Konrektorin Katja Senft, die eineinhalb Jahre die kommissarische Leitung hatte, sei nahtlos und sehr angenehm verlaufen. Zum Wohlfühlfaktor gehört für Steiner auch eine schöne räumliche Umgebung. Sie griff zu Pinsel und Farbe, strich die Wände ihres Rektorats frühlingsgrün – vielleicht ein Symbol für den Neuanfang – und hängte Bilder auf.
Dem Thema Bürokratie, das in den vergangenen Jahren sicher nicht kleiner geworden ist, begegnet sie mit der ihr eigenen Haltung: „Dinge, die ich nicht ändern kann, nehme ich hin. Es lohnt sich nicht, daran Kraft zu verschwenden. Ich erledige sie und versuche, mich eher dem zu widmen, was ich verändern kann.“ In Bermatingen unterrichtet Helen Steiner momentan Englisch, gibt Förderunterricht und springt bei Vertretungen ein. Im nächsten Schuljahr freut sie sich, als studierte Sportlehrerin auch wieder Sport zu unterrichten. Den Sportunterricht weiß sie derweil bei ihrer Kollegin Marion Baur und der Kooperation mit den Bermatinger Vereinen in besten Händen.
Kinder annehmen, wie sie sind
Den Beruf des Lehrers ergreift man oft dann, wenn man selbst entweder ganz tolle – oder ziemlich unterirdische – Lehrer hatte. Wie war es bei ihr? „Meine Grundschulzeit habe ich eher weniger gut in Erinnerung, anfangs tat ich mich mit dem Lesen- und Schreibenlernen schwer. Gerade das war für mich eine starke Motivation, Unterricht und Schule zu gestalten, wie ich sie als Kind gut gefunden hätte. Außerdem habe ich ein Faible für Kinder, die sich mit dem Lernen schwerer als andere tun“, sagt Steiner. „Kinder brauchen in ihrem Leben mindestens eine Person, von der sie sich gesehen und verstanden fühlen und die sie so annimmt, wie sie sind.“
Besonders betont Helen Steiner in diesem Zusammenhang auch die Rolle der Schulsozialarbeit. Die Arbeit von Schulsozialarbeiterin Michaela Braun hält sie für sehr bedeutungsvoll: „Sie ist eine feste Bezugsperson für viele Kinder – eine, die zuhört, begleitet und stärkt. Kinder sollen auch ermutigt werden, anders zu denken. Ich selbst lerne viel von ihnen – sie eröffnen oft überraschende Perspektiven“, sagt die Rektorin. Besonders prägend war für sie ihr damaliger Kunstlehrer Herchenbach im Gymnasium im Schwarzwald. Er lebte vor, dass man Dinge auch auf unkonventionelle Weise betrachten und angehen kann – ein Zugang, der sie bis heute inspiriert.
Offizielle Feierstunde: Helen Steiner wird am Donnerstag, 5. Juni, um 10.30 Uhr in ihr Amt als Rektorin eingeführt. Sie fühlt sich bereits gut eingelebt und angekommen.