Die Ausstellungsflächen im Städtischen Museum Überlingen zeigen längst nicht alles, was das Haus besitzt. Ständig kommen neue Exponate dazu, darunter wertvolle Schenkungen wie Gemälde und Skulpturen. Vieles davon ist eigentlich zu schade, um es vor den Blicken der Öffentlichkeit zu verbergen, doch lagert es staub- und lichtgeschützt im abgeschlossenen Depot des Hauses.

Welcher Pharao vermisst seinen Kopf? Das ist ein mumifizierter Schädel, den von Mader im 18. Jahrhundert von Kairo nach Überlingen ...
Welcher Pharao vermisst seinen Kopf? Das ist ein mumifizierter Schädel, den von Mader im 18. Jahrhundert von Kairo nach Überlingen brachte. Er datiert um 700 vor Christus. | Bild: Hilser, Stefan

Eine Türchen geht auf

Im Rahmen der Aktion "Der SÜDKURIER öffnet Türen" öffnet sich wie ein Adventstürchen für eine kleine interessierte Gruppe die Türe zum Depot. In Zusammenarbeit von Museumsleiter Peter Graubach und SÜDKURIER-Redaktion besteht damit die Möglichkeit, Raritäten und Geheimnisse zu betrachten. Unter anderem den Kopf einer altägyptischen Mumie oder ein Gemälde, das bei der Beisetzung Ludwig van Beethovens 1827 in Wien entstanden ist. Der Termin ist am Dienstag, 11. Dezember. Bewerben kann man sich ab sofort (siehe Kasten).

Unerforschtes

Bei manchem Exponat muss erst erforscht werden, um was es sich handelt, bevor es Sinn macht, es in einer Ausstellung zu zeigen. Der Kopf der ägyptischen Mumie galt lange Zeit als unspektakuläre Moorleiche. Er fristet bis heute ein weitgehend unbeachtetes Dasein im Depot. „Mein Großvater, der vor meinem Vater schon Kustos im Museum war, hat immer davon gesprochen, dass das eine Moorleiche sei.“ Ist es aber nicht, wie jüngere Forschungen zeigen.

Was man über den Schädel weiß

Bekannt ist, dass der Mumienschädel einem Menschen gehörte, der etwa 700 vor Christus lebte. Ob Mann oder Frau, das werde derzeit in einem Mannheimer Forschungsprojekt in den Reiss-Engelhorn-Museen ermittelt, berichtet Graubach. Sammlungsleiter der Mannheimer Mumienausstellung, Wilfried Rosendahl, habe den Schädel nicht nur dendrochronologisch auf sein Alter hin untersucht, sondern mittlerweile auch in einem Computertomographen durchleuchtet. Als Rosendahl seine Nase erstmals in die Glasvitrine steckte, in der der Schädel im Überlinger Museum lagert, habe er eine tiefe Brise davon genommen und begeistert ausgerufen: „Typisch Mumie!“

Ein Bildnis, das von Mader in einer orientalischen Tracht zeigt. Kairo, Konstantinopel und Überlingen waren seine Stationen, wie auf ...
Ein Bildnis, das von Mader in einer orientalischen Tracht zeigt. Kairo, Konstantinopel und Überlingen waren seine Stationen, wie auf einer Karte auf diesem Gemälde zu sehen ist. | Bild: Hilser, Stefan

Von Kairo nach Überlingen

Typisch für eine Mumie ist der Geruch nach Harz und Teer. Den Besuchern der Sonderführung wird Graubach eine Geruchsprobe ermöglichen. Er wird dann auch berichten, dass die Mumie auf kuriosem Wege nach Überlingen kam. Sie ist die Stiftung eines gewissen Franz Mader, dem Spross einer Überlinger Patrizierfamilie, der als geheimer Sekretär des Erzbischofs von Salzburg im Jahr 1699 mit einer Abordnung Kaiser Josephs I. nach Konstantinopel reiste und anschließend als Pilger nach Jerusalem und Kairo reiste. Von seinen Reisen brachte er „Rar- und Curiositäten“ mit, die er im Jahr 1709 seiner Heimatstadt vermachte.

Kopfloser Pharao?

Wie auch immer Franz Mader in den Besitz dieser orientalischen „Reiseandenken“ kam, jedenfalls bildeten sie einen Grundstock für die frühen Sammlungen der Stadt. Erst 2013, anlässlich der Vorbereitungen zum Jubiläum 100 Jahre Städtisches Museum, fand Bibliotheksleiterin Roswitha Lambertz in der städtischen Leopold-Sophien-Bibliothek ein Verzeichnis mit Schenkungen von Maders, dem zu entnehmen war, dass der Totenschädel nicht aus dem Moor, sondern aus Altägypten stammt. Der Forschergeist war damit geweckt, und Graubach ist schon sehr auf die Ergebnisse aus Mannheim gespannt. „Vielleicht finden wir ja noch heraus, welcher Pharao seinen Kopf vermisst.“

Begabter Museumsleiter

Kustos Peter Graubach leitet das Museum nicht nur, sondern er ist als Schreinermeister auch für den Bau der Vitrinen zuständig. Diese Fähigkeit bescherte dem Museum ein Depot, das landesweit Vorbildcharakter genießt, wie Graubach sagt. Die Landesstelle für Museumsbetreuung hielt demnach eigens in Überlingen ein Seminar für das Depotwesen ab, um anderen Museumsleitern zeigen zu können, wie mit „Bordmitteln“ (Zitat Graubach) gute Lagerräume geschaffen werden können. Die Stadt Freiburg habe für den Bau eines neuen Depots Millionen ausgegeben, in Überlingen wurde das vom Kustos nebenher geschaffen. Die Gemälde und Skulpturen sind hier sicher in Schränken und Schubladen verstaut, bis sie irgendwann einmal das Licht der Öffentlichkeit erblicken.