42 Jahre lang hat Christiane Lange als Bibliothekarin gearbeitet, davon 14 Jahre als Leiterin der Donaueschinger Stadtbibliothek. Im September ist damit Schluss – dann geht die 66-Jährige in den Ruhestand.

Zeit für einen Rückblick auf ihr Berufsleben und ihre Leidenschaft: das geschriebene Wort. „Ich wollte nie Lehrerin werden, aber etwas mit Kultur machen. Zudem habe ich immer gerne gelesen und Bücher sortiert. Also lag mein Traumberuf auf der Hand“, sagt Lange lachend.

Doch wie sortiert man die knapp 30.000 Medien, welche die Stadtbibliothek im Bestand hat? „Es gibt vorgegebene Strukturen, die man im Studium oder der Ausbildung lernt. Es wird nach strikten Regeln vorgegangen: Unter anderem werden Bücher nach Sachgruppe, Alter und Alphabet sortiert. Diese Regeln gelten in allen Bibliotheken universell.“

Letzten Endes stecke immer die Frage dahinter: „Wo stelle ich das am besten hin, damit es die größte Aufmerksamkeit bekommt, die passende Zielgruppe erreicht und ausgeliehen wird?“ Mehrere 10.000 Bücher hat sie in ihrer Laufbahn schon in der Hand gehabt und sortiert, so ihre Schätzung.

In der Stadtbibliothek finden regelmäßig Lesungen statt, wie hier mit Ursula Gräfe (am Tisch).
In der Stadtbibliothek finden regelmäßig Lesungen statt, wie hier mit Ursula Gräfe (am Tisch). | Bild: Stadt Donaueschingen, Heike Föhrenbach

Wie sie ihr privates Regal ordnet

Wobei sie ihr privates Bücherregal nicht nach diesen strengen Regularien ordnet. „Dafür fehlt mir mittlerweile der Platz“, sagt sie. Deshalb werden zu Hause die Bücher ganz banal nach Größe sortiert.

Was zur Frage führt: Hat eine Bibliothekarin überhaupt noch Lust auf Bücher, wenn man den ganzen Tag über damit beschäftigt ist? „Absolut! Ich schlendere oft durch die Gänge und entdecke dabei ein Buch, das mich interessiert. Ich lese im Jahr zwischen 30 und 40 Bücher. Also habe ich zeit meines Lebens bestimmt 1000 Bücher gelesen.“

Ihre persönlichen Kinderbuch-Favoriten sind „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende und „Das Sams“ von Paul Maar. „Krimis lese ich nicht so gerne – weil ich sonst nicht von dem Buch weg käme und nichts mehr gearbeitet wäre“, sagt sie lachend.

Digitaler Bücherkatalog

Doch nicht nur das Lesen und Büchersortieren liegt ihr – auch die Digitalisierung ist ihr ein Anliegen. In Donaueschingen ist sie von Beginn an voll durchgestartet: Innerhalb eines Jahres haben sie und ihr Team den gesamten Medienkatalog, der aus mehreren zehntausend Büchern, Zeitschriften, DVD‘s und CD‘s bestand, digitalisiert.

Und dabei war sie der Zeit voraus: Denn für jeden Benutzer wurde folgend ein digitales Lesekonto angelegt. „Heute ist es üblich, dass man digital Bücher verlängern oder vorbestellen kann, aber 2011 war das noch die Seltenheit bei Bibliotheken“, so Lange.

Oberbürgermeister Erik Pauly und die Leiterin der Stadtbibliothek Christiane Lange. Das Sommerferienprogramm „Lesbaar“ erfreut sich ...
Oberbürgermeister Erik Pauly und die Leiterin der Stadtbibliothek Christiane Lange. Das Sommerferienprogramm „Lesbaar“ erfreut sich großer Beliebtheit. (Archivfoto, 2022) | Bild: Jennifer Schwörer/Stadtverwaltung

Doch egal, wie digitalisiert die Bibliothek heute ist – aus ihrer Sicht haben Bibliotheken über die Jahre hinweg eine neue Daseinsberechtigung bekommen.

„Die Bibliothek hier ist ein Treffpunkt geworden – wo jeder willkommen ist. Egal ob jung oder alt, ob Schüler, Rentner oder Neuankömmling mit Migrationshintergrund. Hier können sich alle treffen und das ohne, dass man dafür Geld ausgeben muss.“

Große Fußstapfen

Sie hinterlässt ihrer Nachfolgerin ein großes Erbe, denn die Bibliothek floriert. Offenbar sind die Donaueschinger richtige Leseratten. Rund 45.100 Besuche wurden im Jahr 2024 in der Stadtbibliothek Donaueschingen gezählt. 2023 waren es rund 41.600 Besucher.

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Rund 4.600 Personen haben einen gültigen Leseausweis und was Lange besonders freut: Knapp 3000 Leseausweise sind an unter 18-Jährige ausgestellt. „Klar kommen auch viele Jugendliche hierher, weil es hier freies WLAN gibt. Aber man merkt: Die Jungen lesen tatsächlich wieder mehr.“

Erst kürzlich hat sie mit einem Zweitklässler gesprochen. „Der sagte zur mir: Wenn ich gewusst hätte, dass es hier so viele tolle Bücher gibt, wäre ich schon viel früher gekommen“, erzählt sie.

In der Stadtbibliothek finden regelmäßig Lesungen statt, wie hier mit Ursula Gräfe (am Tisch).
In der Stadtbibliothek finden regelmäßig Lesungen statt, wie hier mit Ursula Gräfe (am Tisch). | Bild: Stadt Donaueschingen, Heike Föhrenbach

Das sind diese Gespräche, die bei Lange nachhallen und sie mit Freude erfüllen. „Das Lesen erlebt wieder einen richtigen Boom, auch bei den Jungen.“

Besonders gut laufe bei den Kindern die Kinderbuchreihe „Gregs Tagebuch“. „Sobald ein neues Buch der Reihe erscheint, ist der Ansturm riesig, diese Bücher sind quasi immer ausgeliehen“, erzählt sie. Auch die Harry-Potter-Buchreihe ist 27 Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes immer noch ein Dauerbrenner.

Besonders viel Mühe hat sie in den Aufbau der Sprachabteilung gesteckt. „Als ich kam, waren anderssprachige Medien unterrepräsentiert.“ Sie hat über die Jahre hinweg mehr und mehr fremd- und zweisprachige Medien mitaufgenommen. „Mir war es wichtig, fremdsprachige Bücher im Angebot zu haben – besonders für Menschen mit Migrationshintergrund.“

Lesestunden auf Türkisch

Doch nicht nur das: Sie hat beispielsweise auch türkischsprachige Lesestunden mit ins Veranstaltungsprogramm genommen, bei welcher türkische Lehrer den Kindern vorlesen. Und dabei wird die Sprachkompetenz gefördert, denn diese Kinderbücher sind zweisprachig, also auf Deutsch und Türkisch. „So kann man als Türke Deutsch lernen – oder umgekehrt.“ Heute gibt es viele weitere Bücher im Angebot, die zweisprachig sind, darunter auf Französisch, Italienisch, Russisch und Englisch.

Zudem hat Lange sich an ein besonderes Raumkonzept gewagt: Sie hat in dem Bibliotheksraum mehrere Arbeitsplätze geschaffen. Und diese erfreuen sich besonders bei Schülern großer Beliebtheit. „Bevor Prüfungen stattfinden, egal ob fürs Abitur oder für die Universität gebüffelt wird, sind diese Tische immer besetzt. Viele kommen einfach gerne zum Lernen hierher.“

An den Arbeitsplätzen sitzen oftmals Schüler, die für eine Prüfung lernen.
An den Arbeitsplätzen sitzen oftmals Schüler, die für eine Prüfung lernen. | Bild: Denise Kley

Auf ihren letzten Arbeitstag, den 26. September, blickt Lange mit Wehmut. „Die Arbeit hier wird mir fehlen. Aber wenn Not am Mann ist, helfe ich natürlich auch weiterhin gerne aus.“ Sie freut sich jetzt darauf, Zeit mit ihren Enkeln zu verbringen und zu lesen. Ihr derzeitiger Favorit: „Wir sehen uns wieder am Meer“ von Trude Teige.