Das grelle Scheinwerferlicht fällt auf eine Bühne, die zugleich Arena und Wohnzimmer ist. Im Publikum wechseln sich Bierglas und Cocktailschirm ab und jeder Gast ist zugleich Schiedsrichter, Fangemeinde und Ersatzchor.
Auf der Bühne ringt einer mit dem Einsatz, die Augen starr auf die flimmernden Zeilen des Monitors fixiert, während vertraute Hits so laut wie schief in den Raum geschleudert werden. Minuten später umklammert ein anderer das Mikrofon, als sei es weniger ein Instrument als ein Rettungsring. In Donaueschingen ist das Kultformat Karaoke mittlerweile fest im Nachtleben angekommen.
Der schiefe Gesang hat Donaueschingen gepackt
Karaoke ist aber mehr als nur ein Kneipenspiel für Mutige mit Mikrofon. Es ist ein soziales Ventil, ein Experimentierfeld für Eitelkeit, Gemeinschaft und die Frage, wie viele schiefe Töne eine Freundschaft aushält.
Im Irish Pub an der Karlstraße sind die Karaoke-Abende inzwischen fester Bestandteil des Programms. „Unsere Karaoke-Abende sind immer unsere Monats-Höhepunkte, sowohl für das Team als auch für die Gäste“, erzählt Wirt Matthias MashBinder.

Die Stimmung sei jedes Mal ausgelassen, egal ob jemand ein nahezu perfektes Solo hinlegt oder so schief singt, dass am Ende alle gemeinsam mitgrölen. „Wir haben mehrere Mikros und es ist auch völlig in Ordnung, einfach in der Gruppe am Tisch zu singen. Es ist eine große Party und jeder bekommt Applaus.“
Eine eigene Art der Gemeinschaft
Manchmal gehe es sogar weit über Spaß hinaus: „Es ist immer wieder ein Gänsehautmoment, wenn ein guter Song Menschen zusammenbringt und plötzlich die ganze Kneipe im Chor singt.“
Karaoke im Irish Pub findet in der Regel einmal im Monat an einem Freitag oder Samstag statt. Feste Termine gibt es nicht. Die Ankündigungen laufen über Social Media und Aushänge vor Ort. Am Freitag, 3. Oktober – ganz nach dem Motto der Einheit – steigt die nächste Karaoke-Nacht.
Im Oktober folgt am 31. das beliebte Halloween-Spezial, bei dem Kostüme auf der Bühne ausdrücklich erwünscht sind. Dass Karaoke dort inzwischen ein Publikumsliebling ist, bezweifelt niemand. „Wir haben viele Stamm-Sängerinnen und Sänger, die immer dabei sind, aber es kommen auch ständig neue Gesichter dazu. Meistens ist volles Haus und am Ende singen sowieso alle“, sagt Binder.
Die Premiere feierte das Irish Pub an Halloween 2021. „Eigentlich hatten wir Karaoke schon früher geplant, aber die Pandemie hat uns ausgebremst. Nach Corona waren viele Gäste in einem Ausgeh-Tief, die Gewohnheiten hatten sich verändert. Karaoke war da für viele ein befreiender Ausbruch aus dem Alltag. Nichts ist schöner, als den Lieblingssong aus voller Kehle rauszuschmettern.“
Jeder kann zum Popstar werden
Auch im Omega hat Karaoke inzwischen einen festen Platz – allerdings mit einer anderen Note. Hier geht es nicht nur um Kneipen-Atmosphäre, sondern um Konzert-Feeling. „Das Besondere bei uns ist, dass es auf einer richtigen Bühne mit Lichttechnik, sattem Ton und vielen Zuschauern stattfindet“, erklärt Betreiber Julian Hischmann.
Schon der erste Abend lockte Ende August rund 80 Besucherinnen und Besucher an. „Wir haben das zunächst ohne große Werbung getestet und es war gleich ein Erfolg.“ Entstanden ist die Idee durch eine Umfrage unter den Gästen.
Ab sofort findet Karaoke dort jeden vierten Donnerstag im Monat statt. Und auch Hischmann weiß, dass es dabei weniger um stimmliche Perfektion geht: „Die Stimmung ist am besten, wenn alle gleich schlecht singen können. Deshalb sollte den Anfang auch nie jemand machen, der tatsächlich singen kann.“
Karaoke lockt viele Gäste in die Clubs
Auch im Numbars hat Karaoke längst seinen festen Platz gefunden. „Bei uns wird nicht nur gesungen, sondern auch getanzt. Und jeder hat die Möglichkeit, ans Mikrofon zu treten, sei es mit einem heiteren Lied oder einer anspruchsvollen Ballade“, erklärt Jlyas Yildirim.
Der Karaoke-Abend werde bereits seit vielen Jahren veranstaltet und habe sich zu einer festen Größe entwickelt. „Den gibt es schon seit Jahren“, fügt Yildereim hinzu. Die Resonanz sei durchweg positiv: „In der Regel nehmen zwischen fünfzig und sechzig Gäste teil, es kommt immer sehr gut an.“ Auch der nächste Termin steht bereits fest. „Am 27. September 2025 laden wir erneut zu einem großen Karaoke-Abend ein.“
Karaoke begleitet Bernhard Zipfel schon lange. Bereits in seiner ersten Bar, der Limba, ließ er Gäste ans Mikrofon treten. „Das war der Anfang und es hat sich bis heute gehalten“, erinnert er sich.
Seit 2019 hat sich Karaoke auch im Kulturbahnhof etabliert – damals mit der Liveband Surprize. „Die Band hat alles geschlagen. Über 350 Songs live, das war fantastisch“, schwärmt Zipfel. Doch aus gesundheitlichen Gründen der Musiker musste die Veranstaltung später auf Technik umgestellt werden.
Zur Fasnet singen alle gerne
Geblieben ist das Konzept, zweimal im Jahr an den großen Feiertagen wie Fastnachtssonntag und Silvester die Kneipe in eine Konzertbühne zu verwandeln. „Karaoke macht Spaß und bei uns ist das ein Mega-Event“, betont Zipfel. „Mit Mischpult und allem Drum und Dran, wie ein großes Konzert.“
Die Resonanz ist riesig. „Den Leuten macht‘s Spaß, und es ist immer voll“, erzählt der Wirt. Besonders an Fastnacht zieht das Karaoke-Spektakel ganze Musikvereine im Häs aus der Region an. „Für die ist das ein Muss.“
Zunächst seien viele Gäste noch schüchtern, bis der Funke überspringt. „Wenn das Eis gebrochen ist, läuft es von selbst. Und wenn es sein muss, gehe ich eben selbst als Rampensau voran“, sagt Zipfel und lacht. Danach sei es jedes Mal „eine runde Sache“.
Die Songauswahl ist breit, die Begeisterung groß. Und wer Glück – oder noch besser Talent – hat, nimmt am Ende sogar den Wanderpokal mit nach Hause, der regelmäßig ausgespielt wird.