Im Grunde führt sie Menschen hinters Licht. Das ist das, was sie in ihrem Studium der Theatermalerei gelernt hat, sagt Kathrin Kobinger. Die 34-Jährige sitzt in den Zuschauerrängen der Seebühne Bregenz und erzählt von ihrem Beruf. Als Kascheurin arbeitet sie an dem Bühnenbild mit, baut täuschend echte Modell-Bäume und -Häuser.

Damit das Publikum in die Inszenierungen eintauchen kann, modelliert sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen etwa Tüll und Polycarbonat so, dass auf der Bühne eine eindrucksvolle Kulisse entsteht. Oder wie Kobinger sagt: „Es geht darum, aus den verrücktesten Sachen Dinge zu machen, die echt aussehen.“ Für die Oper „Der Freischütz“ ist das aktuell das Abbild eines verschneiten Dorfes nach dem Dreißigjährigen Krieg, über dem der Mond thront – und direkt dahinter schimmert der Bodensee.

Das aktuelle Bühnenbild zum „Freischütz“ steht nun schon im zweiten Jahr. Im Herbst geht es dann mit Hochdruck an die Arbeiten für die ...
Das aktuelle Bühnenbild zum „Freischütz“ steht nun schon im zweiten Jahr. Im Herbst geht es dann mit Hochdruck an die Arbeiten für die Kulisse von „La Traviata“. | Bild: Simon Conrads

Ursprünglich kommt Kobinger vom Achensee in Tirol, eine Zufallsbegegnung mit einem Theatermaler weckte ihr Interesse an dem Beruf. So ging sie zum Studium nach Dresden, arbeitete seither unter anderem bei den Bayreuther Festspielen, beim Deutschen Nationaltheater in Weimar und in Kapstadt. An den Bühnenbildern der Seebühne Bregenz ist sie seit knapp 10 Jahren beteiligt. „Das ist schon sehr besonders“, sagt Kobinger über ihren Arbeitsplatz direkt am Bodensee. Wenn sie im Sommer morgens früh über den Steg zur Bühne gehe, denke sie häufig: „Wow, ist das schön.“

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Lange Vorarbeiten

Der „Freischütz“ ist bei den Festspielen bereits im zweiten Jahr, das Bühnenbild musste in diesem Jahr also nicht neu gebaut werden. Die Arbeiten für die von Philipp Stölzl erdachte Kulisse haben dabei schon im September 2023 begonnen, erzählt Kathrin Kobinger. Bevor die Elemente auf der Seebühne aufgebaut werden, gibt es sogenannte Bauproben. Die Bühnenelemente müssen möglichst wetterfest sein, denn der Großteil der Kulisse bleibt zwischen den zwei Spielzeiten über den Winter stehen und wird im Frühjahr vor der zweiten Spielzeit nur wieder herausgeputzt. Am Mond der „Freischütz“-Kulisse etwa haben sich in den vergangenen Monaten mehrere Risse gebildet. „Das ist derzeit unser größtes Sorgenkind“, sagt Kobinger. Die Risse gilt es für das Kascheur-Team nun zu bearbeiten.

Kathrin Kobinger modelliert einen Bühnen-Baum im Oktober 2023.
Kathrin Kobinger modelliert einen Bühnen-Baum im Oktober 2023. | Bild: Bregenzer Festspiele/Lisa Mathis

An das Wetter müssen sich die Bühnenarbeiter aber auch im Sommer anpassen, sagt Kobinger. In den heißen Monaten starteten sie mit den Arbeiten auf der Seebühne morgens teilweise um 6 Uhr, dann seien die Temperaturen noch auszuhalten. „Der Vormittag ist Gold wert.“ Bei Regen wiederum wird die Arbeit auf der Bühne eingestellt. Am Tag des Gesprächs mit dem SÜDKURIER war Regen angekündigt, Kobinger arbeitet daher in der Montagehalle mit Seeblick an einem Teppich für die Hausoper, also die Vorführung im Festspiel- und Kongresshaus.

Blick in die große Montagehalle im Mehrzweckgebäude der Bregenzer Festspiele.
Blick in die große Montagehalle im Mehrzweckgebäude der Bregenzer Festspiele. | Bild: Simon Conrads

Es kommt auf das richtige Material an

Neben dem Wetter müssen die Bühnenelemente auch den Abläufen bei den Vorführungen standhalten. Herausfordernd waren unter diesem Gesichtspunkt etwa die Eisschollen, die über den vorderen Teil der Bühne verteilt sind. Die ersten Varianten bestanden aus Plexiglas, erzählt Kathrin Kobinger. Allerdings seien diese Konstruktionen unter einem Schlitten, der in der Aufführung genutzt wird, eingebrochen. Schließlich sei das Team dann auf eine Lösung aus Polycarbonat-Platten gekommen. „Man findet immer einen Weg“, sagt Kobinger. Die über die Bühne verteilten Eiszapfen bestehen aus dünnen Carbonatplatten und Montagekleber.

Dass es sich hier nicht um echte Eiszapfen handelt, sieht man erst bei näherem Hinschauen.
Dass es sich hier nicht um echte Eiszapfen handelt, sieht man erst bei näherem Hinschauen. | Bild: Simon Conrads

Im Studium der Theatermalerin wurde sie eigentlich – wie es der Name vermuten lässt – als Malerin ausgebildet, in Bregenz gefalle ihr nun aber die Kombination aus Malerei und plastischer Arbeit. Höhepunkte der Tätigkeit? „Zusammen auf der Bühne arbeiten und merken, dass immer mehr steht.“

Drei, vier Tage brauche es noch, bis das Bühnenbild für die Aufführungen ab Juli wieder fertig ist, schätzt Kobinger. In der Zeit der Aufführungen fallen für die Kascheure Kleinigkeiten an, die zu tun sind. Nebenher wird auch jetzt im Mai schon an ersten Bauproben für das Stück der nächsten beiden Jahre gewerkelt. Nach der Saison kommt ein Urlaub – und im November geht es mit den Arbeiten an der Kulisse der Verdi-Oper „La Traviata“ richtig los.