Eigentlich wisse jeder, dass es mit der Welt so nicht weitergehen könne. "Wir fangen mal an, Verantwortung zu übernehmen und nicht nur darüber zu reden": Das ist das Credo der 13 Mitglieder der Initiativgruppe für ein Ökoquartier. "Öko.See.Dorf" ist es benannt und soll nach dem Genossenschaftsprinzip in Friedrichshafen entstehen.
Derzeit werden die Grundlagen für die Genossenschaft erarbeitet und ein Businessplan. Die Vorbereitungen sollen über den Sommer abgeschlossen und weitere Interessierte begeistert werden. Entstehen soll ein Dorf für bis zu 150 Menschen mit verschieden großen Wohnungen, Gemeinschaftsräumen und Geschäften. Ein Bauplatz fehlt noch.
Großes Eigenheim nicht Ziel der Akteure
Wie kam es zu der Idee? "Vor sechs Jahren haben wir ein großes Haus gebaut, da hatten wir noch Kinder im Haushalt", berichtet Initiator Markus Hener. Die Kinder seien inzwischen ausgezogen und das Haus zu groß. "Und jetzt stehen wir da und fragen uns: Wie wollen wir eigentlich im Alter leben?", sagt der 60-Jährige. Seine 55-jährige Partnerin Odette Lassonczyk sieht das genauso.
Hener: "Wir wollen nicht, wie viele Alleinstehende und Paare, über große Wohnungen und Häuser verfügen und andere finden keinen Platz – wie Familien, die anwachsen und deren kleine Wohnungen aus allen Nähten platzen. Wir haben da die Vorstellung einer Rochade oder Rotation."
Initiator Markus Hener auch bei Solawi aktiv
Der verbreitete Individualismus habe dazu geführt, dass die Menschen für sich sehr viel Wohnraum beanspruchen und ihn nicht mehr hergeben, diagnostiziert Hener. Dazu kämen ökologische Aspekte und die Idee regenerativer Kreisläufe. "Biologisch haben wir unser Leben ohnehin gestaltet", sagt Hener, der zusammen mit Odette Lassonczyk vor vier Jahren den Verein Solidarische Landwirtschaft (Solawi) Bodensee mitgegründet hat.
Schließlich sei eine Projektidee daraus geworden. Bei einer Begegnung vor eineinhalb Jahren habe man Oberbürgermeister Andreas Brand die Idee vorgestellt. Laut Hener habe der OB in Aussicht gestellt, dass die Stadt daran Interesse habe und diese Idee unterstützen würde. In den vergangenen Monaten habe sich die Initiativgruppe gebildet.

Ökologisches in den Alltag bringen
"Wir schauen auch aus psychologischen Gesichtspunkten auf das Bauen", sagt Odette Lassonczyk, wie ihr Partner Diplom-Psychologe. Es gebe Untersuchungen, wonach sich Menschen in ansprechender Umgebung mit Blick auf die Natur wohler fühlen.
"Uns ist es wichtig, das Ökologische in den Alltag hineinzubringen. Die Menschen sollen so leben, dass es ihnen guttut, und nicht nur, dass ein Zweck erfüllt wird", sagt Lassonczyk. Und: "Menschen brauche Gemeinschaft, wir sind soziale Wesen. In solch einem Projekt, kann man viele Bedürfnisse von Menschen erfüllen."
Eigene Wohnung inmitten der Gemeinschaft
Ein Dorf mit maximal 120 bis 150 Menschen von Kleinkindern bis zu alten Menschen biete hier gute Möglichkeiten, dass jeder seine Wohnung haben könne, aber gleichzeitig in einer Gemeinschaft aufgehoben sei, meint Hener.
In der Schweiz und in Österreich gebe es schon viele solche Projekte, erläutert Lassonczyk. "Sehr inspiriert hat uns die Vauban-Siedlung in Freiburg", sagt Hener. In Friedrichshafen und Markdorf denke er bei manchen Neubauprojekten eher an "Menschenhaltung". Hener: "Wir wollen etwas für freilaufende Menschen und nicht Käfighaltung."
Interessenten müssen sich bewerben
Um eine sozial stimmige Mischung für das Öko-Dorf zu finden, gibt es ein Bewerbungsverfahren. "Wir wollen Menschen, die an so einer Lebensweise interessiert sind, aber auch bereit sind, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, die wir für Kommunikation und Konfliktlösung einführen wollen. Eine Methode ist gewaltfreie Kommunikation. Zum anderen haben wir eine Organisations- und Entscheidungsfindungsmethode, die Soziokratie", erläutert Hener. Soziokratie ist ein Modell zur Selbstorganisation von Gruppen.
Eintrittsgeld und Anteile zur Finanzierung
Bei der Genossenschaft gebe es ein Eintrittsgeld, erklärt Hener, und man erwerbe Anteile. Später werde anhand der jeweiligen Nutzungsfläche anteilig eine Gebühr erhoben. Für die Genossenschaft müssten die Genossen rund 20 Prozent des benötigten Eigenkapitals für die Entstehungskosten aufbringen. Der Rest werde finanziert.
Wenn jemand beispielsweise eine 70-Quadratmeter-Wohnung wolle, würden zehn Prozent Gemeinschaftsfläche hinzugerechnet, zusammen also 77 Quadratmeter. Pro Quadratmeter seien dann 750 Euro Kapital für die Wohnung einzubringen. Die Nutzungsgebühr für die Wohnung liege dann unterhalb der Durchschnittsmiete, die sonst für vergleichbaren Wohnraum bezahlt werden müsse, erläutert Hener.
Interesse bei Stadt besteht
"Die Gruppe Öko.See.Dorf hat ihr Projekt der Stadtverwaltung und interessierten Mitgliedern des Gemeinderats vorgestellt", bestätigt Stadt-Sprecherin Monika Blank. "Aus Sicht der Verwaltung bietet das Projekt einen interessanten und innovativen Ansatz. Wir sind mit der Gruppe weiter im Gespräch." Allerdings habe die Stadt derzeit keine freien Bauplätze.
"Wenn es größere Flächen in näherer oder weiterer Zukunft geben sollte, kann es auch wieder Ausschreibungen geben zu sogenannten 'Baulosen', also größeren Flächen. Dabei könnten Baugruppen, wie das Öko.See.Dorf, berücksichtigt werden", berichtet Blank – vorausgesetzt, der Gemeinderat stimme dem zu.
Informationen unter www.oekoseedorf.net