Martina Haas kann es immer noch nicht fassen: „Wir wurden bis heute nicht offiziell über den Verkauf informiert!“ Sie und weitere 30 Kleingärtner wurden vom Verkauf des Grundstücks, auf dem sich ihre kleinen oder auch großen Grünoasen befinden, förmlich überrumpelt: „Irgendwie dachten wir, die Liebherr-Erweiterung betrifft uns nicht.“
Pächter von Vorgehensweise überrascht
Doch tatsächlich ist im Bebauungsplanentwurf für die Erweiterung des Gewerbegebiets Adelheidstraße Ost eine Zufahrtstraße vorgesehen, die genau da entlang führen würde, wo sich derzeit kleine Gartenhütten, Gewächshäuschen, Blumen- und Gemüsebeete befinden. Die Stadt Friedrichshafen hat das Gelände im Frühjahr der Deutschen Bahn AG abgekauft. Doch nicht nur die Kleingartenpächter überraschte die Vorgehensweise.

Kleingärten sind ein Stück Zuhause
Auch Dennis Walter, Geschäftsführer des Vereins Bahn-Landwirtschaft Bezirk Stuttgart, der für die Friedrichshafener Kleingärten als Verwalter verantwortlich zeichnet, reagierte verwundert, als vor einigen Monaten sein Telefon klingelte und Haas von ihm mehr zum Verkauf der Flächen wissen wollte. Das genaue Datum kennt er nicht mehr, er weiß aber, dass es deutlich vor der offiziellen Information über den Verkauf, die ihn schließlich Ende Mai erreicht habe, gewesen sein muss.
Normalerweise erfahre er vom Flächenverkauf unmittelbar: „Die Kleingärtner sind unsere Mitglieder. Wir versuchen, das Beste für sie aus jeder Situation zu machen. Das geht natürlich nur, wenn wir einbezogen werden. Das ist auch der Normalfall.“ Im Falle Friedrichshafen sei es anders gelaufen als üblich: „Da wussten die Kleingärtner vor uns Bescheid.“
Kleingärtner wollen sich nicht vertreiben lassen
Aus ihren Grünoasen vertreiben lassen möchten sich diese Kleingärtner nicht. „Unsere Kinder sind hier aufgewachsen“, betont Heiko Loth, der zum Erhalt der Kleingartenanlage eine Petition bei Campact (www.weact.campact.de/petitions/erhaltet-die-kleingarten) gestartet hat: „Wir haben hier unseren Rückzugsort und ein Stück Zuhause.“ Seit 25 Jahren pachtet er hier ein Gartenstück.

Im vergangenen Jahr hat er es noch aufwendig umgestaltet und sogar eine neue Gartenhütte darauf platziert. „Das hätte ich vermutlich nicht gemacht, wenn ich gewusst hätte, dass hier bald gebaut wird“, erklärt er und Brigitte Chapelier ergänzt: „So einfach lassen wir uns hier nicht vertreiben! Wir bleiben, bis der erste Bagger kommt.“
Die Kleingärtner schildern neben den vielen schönen Stunden Freizeit, die sie hier verbringen konnten, auch ihre Begegnung mit zahlreichen Wildtieren: Blindschleichen, Fledermäusen, Libellen oder auch Ringelnattern. „Bei uns lebt ein Siebenschläfer im Schuppen“, verrät Chapelier.
Was sagen die neuen Fraktionen?
Günther Plappert erinnert sich an die Zeit zurück, in der ein Großteil der Fläche noch brach lag, auf der heute Gartenzwerge stehen und Gemüse angepflanzt wird: „Mein Vater war einer von denen, die hier noch die Bombenkrater zugeschüttet haben. Lastwagen voller Erde haben sie dafür hergefahren“, sagt Plappert.

1962 sei das gewesen. Vor 35 Jahren habe er dann die Gartenfläche übernommen und diese bietet einiges zu entdecken. Aus dem letzten nicht mit Erde befüllten Krater ist ein Gartenteich entstanden, auf dem Seerosen wachsen und in dem Goldfische schwimmen. Drumherum wachsen weiße und rote Weintrauben, verschiedene Paprikasorten, Salat und mehr frische Gemüsesorten.
Bebauung ist noch nicht beschlossen
Diese grüne Vielfalt würden die Kleingärtner und auch die Bahn-Landwirtschaft gern erhalten. Bedeutet der Aufkauf der Flächen das Aus für die 10 000 Quadratmeter große Grünfläche, die versteckt hinterm Gewerbegebiet liegt?
Walter betont: „Wir stehen in engem Kontakt mit der Stadt Friedrichshafen, seit wir offiziell von dem Verkauf wissen.“ Dabei stehe der Erhalt der Anlage im Vordergrund. Daher werde den Kleingärtnern auch auf keinen Fall gekündigt, bevor die Bebauung im Gemeinderat beschlossen sei.

Die Stadt wiederum will mit dem Aufkauf sicherstellen, dass der Bebauungsplan – sofern der Gemeinderat ihn beschließt – auch sicher umgesetzt werden kann: „Im anderen Fall bleiben die Pachtverhältnisse mit den Kleingärtnern bestehen“, ist sich die Stadtverwaltung mit Walter einig.
Die Rechtslage
- Die Rechtsgrundlage für den Umgang mit der Fläche zwischen dem Gewerbegebiet Adelheidstraße Ost und den Bahngleisen findet sich im Bundeskleingartengesetz. Dort ist auch geregelt, dass bei einer Kündigung durch den Inhaber eine Entschädigung an die Kleingartenpächter bezahlt werden muss, die Höhe bestimmt ein unabhängiger Gutachter.
- Verwaltet wird das etwa 10 000 Quadratmeter große Grundstück trotz des Verkaufs der Kleingartenanlage durch die Bahn-Landwirtschaft. Es ist vertraglich festgehalten, dass der tatsächliche Inhaber des Grundstücks nichts an der Verwaltungsaufgabe der Bahn-Landwirtschaft ändert. Diese ist eine Sozialeinrichtung, organisiert in eingetragenen Vereinen, und fungiert als Verwalter der Grundstücke der Deutschen Bahn AG, die nicht betrieblich genutzt werden, also den Grünbereichen um Bahn- und Gleisanlagen herum. Diese werden etwa als landwirtschaftliche Fläche oder als Kleingärten verpachtet.
- Die Bahn-Landwirtschaft hat die Rechtsform eines Vereins, Kleingärtner sind ihre Mitglieder und so vertritt die Organisation auch die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber den Grundstücksinhabern.
- Dabei steht die Erhaltung der Anlagen oder im Falle einer Bebauung die Beschaffung von Ausweichflächen im Fokus.