Der vorläufige Höhepunkt eines jahrelangen Nachbarschaftsstreits war am Mittwoch erreicht: Insgesamt 16 Anwohner reichten bei der Polizei eine Anzeige gegen das Restaurant Bella Vista ein – wegen unerträglichen Lärms und Gestanks. Anton Rüdel, Besitzer des Gebäudes Seestraße 11/1, sowie 15 weitere Anwohner unterschrieben die Anzeige.
Es geht um das permanente Geräusch einer Zuluftanlage für das Restaurant, die im Innenhof auf dem Dach der Küche installiert ist. "Es ist nicht möglich, ein Fenster zu öffnen, ohne in der Nachtruhe gestört zu werden", heißt es in der Anzeige, auch die Balkone könnten deswegen nicht genutzt werden. Es geht aber auch um Gestank "von wahrscheinlich altem Fett, Öl und verbrannten Gerichten" aus der Küche, der auftrete, wenn die Dachluken des Flachbaues "unerlaubter Weise geöffnet werden", so der Wortlaut der Anzeige.
Anwohner kritisieren Dauergeräusch
Worum geht es genau? Das Restaurant Bella Vista, an der Seestraße gelegen, hat die Küche nach hinten raus. Das Dach der Küche liegt im Innenhof – darum herum viele Wohnungen der Häuser Seestraße 11/1, Karlstraße 22 und Karlstraße 20. Von vielen Balkonen aus kann man das Dach sehen. Auf dem Dach steht eine etwa zwei Meter lange und ein Meter breite Zuluftanlage, die kalte Luft in die darunter liegende Restaurantküche pumpt.

Und diese Maschine brummt. Nach Angaben des Beschwerdeführers Anton Rüdel rund um die Uhr und so laut, dass "ein Tinnitus-Effekt" entstehe.
Um die Anlage herum gruppiert sind die Dachluken der Küche, die eigentlich geschlossen bleiben müssen. Doch nach Angaben der Anwohner werden diese immer wieder geöffnet und daraus verbreite sich Gestank, der ebenfalls kaum zu ertragen sei.
Seine Mieter beschwerten sich, einer kündigte sogar am Donnerstag die Wohnung, "wegen der Lärm- und Geruchsbelästigung durch die Lüftungsanlage", wie es in dem Schreiben heißt, das dem SÜDKURIER vorliegt. Eigene Messungen des Mieters zufolge sei ein Dauergeräusch von 41 Dezibel zu hören.
Restaurant bestreitet alle Vorwürfe
Reinhard Klumpp, Geschäftsführer des Restaurants Bella Vista, bestreitet die Vorwürfe allesamt und beschuldigt Anton Rüdel, ein Querulant zu sein, der nur sein Geschäft kaputt machen wolle. "Er versucht seit Jahren, gegen uns vorzugehen, dabei halten wir uns an alle Vorgaben, die uns das Landratsamt gemacht hat", sagt Klumpp. So sei gerade erst eine neue Zuluftanlage eingebaut werden, die "nach neuestem Stand der Technik" funktioniere und kein Geräusch von sich gebe, das die Vorgaben überschreite. Bisher sei nichts beanstandet worden von den Behörden. Zudem laufe die Anlage nur zwischen 9 und 23 Uhr, so lange, wie die Küche in Betrieb sei. Die Küchenluken blieben zu. "Sie werden nie geöffnet", beteuert Klumpp.

Doch dem widerspricht Rüdel vehement. "Die Anlage läuft im Dauerbetrieb – das Geräusch ist einfach nur unerträglich", sagt er. Er hat zum Beweis Fotos gemacht von den offenen Luken, zuletzt Mitte Juli. Da steht Aussage gegen Aussage.

Zuständig in diesem Fall ist das Landratsamt Bodenseekreis, besser gesagt das Umweltamt. Zuletzt war Peter Neisecke, Leiter des Umweltamtes, im Juni vor Ort, wie Robert Schwarz, Pressesprecher des Bodenseekreises bestätigt. Beschwerden gebe es bereits seit 2012. Doch Überschreitungen des gesetzlichen Grenzwertes von 45 Dezibel seien nicht festgestellt worden. Auf unsere Nachfrage, ob das Geräusch der Zuluftanlage jemals gemessen wurde, antwortet Schwarz: "Es sind wohl Orientierungsmessungen durchgeführt worden, die allerdings nicht dokumentiert wurden." Das heißt, dass in den Akten keine Messwerte zu finden sind. Trotzdem seien "mit dem Betreiber eine Reihe von Absprachen getroffen worden, um Verbesserungen zu erreichen", die aber alle freiwillig seien. Im Herbst soll eine erneute Begehung stattfinden, einen Termin gibt es laut Landratsamt aber bisher dafür noch nicht. Laut Auskunft von Markus Sauter, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, wurden nun von Seiten der Polizei Messungen angeordnet.

Reinhard Klumpp besteht darauf, dass er alles richtig mache. Auch sein Vermieter, Alfred Eger, bestätigt das. Er selbst war bei der Begehung mit dem Umweltamt dabei und habe sich noch nie an Gerüchen oder dem Geräusch gestört. "Wenn jemand, der direkt an der Seepromenade lebt, eine gewisse Geräuschkulisse nicht akzeptiert, dann sollte er besser aufs Land ziehen", so Alfred Eger. Er erzählt, dass es schon seit Jahren Probleme mit seinem Nachbarn Anton Rüdel gebe. "Er beschwert sich eigentlich über alles und jedes. Mal ist es der Müll, mal etwas anderes. Rüdel neigt zu emotionalen Handlungen", sagt Eger und fügt hinzu, dass es einen Grundärger gebe, seitdem Anton Rüdel in Friedrichshafen seßhaft geworden sei.

Reinhard Klumpp hat übrigens ebenfalls eine Anzeige vorbereitet, die in den nächsten Tagen bei der Polizei eintrudeln soll. Sie lautet auf Körperverletzung und Sachbeschädigung. Denn Anton Rüdel, so Klumpp, habe seine Gäste vom Balkon aus mit einem Mayonnaisen-Glas und einer Olivenölflasche beworfen, einmal sogar einen Eimer Wasser von oben auf die Terrasse geschüttet. "Anton Rüdel ist der größte Querulant, der mir in 50 Jahren untergekommen ist", so sein Resümee. Dieser Kleinkrieg wird wohl demnächst vor Gericht ausgefochten. Ob es dabei aber einen Sieger geben wird ist ungewiss.
Die TA Lärm
Die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm, kurz TA Lärm, ist eine Verwaltungsvorschrift, die dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche dient. Die TA Lärm kommt bei Genehmigungsverfahren von Gewerbe- und Industrieanlagen zur Anwendung. Für urbane Gebiete sieht die TA Lärm tagsüber, in der Zeit von 6 bis 22 Uhr, einen Grenzwert von 63 Dezibel (dB) vor, nachts einen Grenzwert von 45 Dezibel. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Richtwerte am Tag um nicht mehr als 30 dB und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB überschreiten. Die Gaststättenerlaubnis der Stadt Friedrichshafen aus dem Jahr 1994 sieht vor, dass die Dachluken der Küchenräume des Bella Vista geschlossen bleiben müssen.