Der Antrag war einer der ersten, die das Netzwerk für Friedrichshafen in den neuen Gemeinderat eingebracht hat. Der soll beschließen, dass im Stadtverkehr das 1-Euro-Tagesticket eingeführt und das Bus-Angebot ausgebaut wird. Das Vorgehen der Fraktion ist einleuchtend: Der Stadtverkehr gehört zu den Technischen Werken, und die gehören zu 100 Prozent der Stadt. Also darf der Gemeinderat als Gesellschafter auch ein Wörtchen mitreden.
Gemeinderat hat keine Kompetenz
Doch genau das geht nicht. So steht es zumindest in der Ratsvorlage für die Sitzung des Verwaltungsausschusses, der am Montag tagt und sich mit diesem Antrag beschäftigen wird. Die Verwaltung bemüht viele Paragrafen, um darzulegen, dass der Gemeinderat keinen Beschluss fassen kann, der den Stadtverkehr direkt bindet. „Es besteht keine Kompetenz des Gemeinderates, über die beantragte Einführung des 1-Euro-Tickets sowie über die Einführung neuer Linien und die Verkürzung der Taktzeiten beim Stadtverkehr FN unmittelbar selbst zu beschließen“, steht in der Ratsvorlage. Zuständig dafür sei der Aufsichtsrat der Technischen Werke (TWF). Und ein Weisungsrecht habe der Rat weder gegenüber dem TWF-Aufsichtsrat noch gegenüber dem Stadtverkehr.
Wer das 1-Euro-Ticket schon hat
Allerdings führt die Verwaltung auch aus, dass der Gemeinderat sehr wohl beschließen kann, seine TWF-Aufsichtsräte aufzufordern, sich für das 1-Euro-Ticket einzusetzen. In dem Gremium sitzen neben OB Brand, Kämmerer Stefan Schrode und Bürgermeister Stefan Köhler fast ein Viertel des Gemeinderats. Allerdings: Im Rathaus will man das nicht, denn „die Verwaltung schlägt vor, die Stadtverkehr FN GmbH nicht zur Einführung eines 1-Euro-Tagestickets aufzufordern“. Abgesehen davon lehnt die Verwaltung den Netzwerk-Antrag auch ab, weil er nichts dazu sage, wie die Kosten solch eines Tickets gedeckt werden sollen. Außerdem sei der Antrag in punkto Netzausbau zu unbestimmt.
Jürgen Holeksa, Fraktionschef beim Netzwerk, sieht der politischen Debatte trotzdem gespannt entgegen, auch wenn die Verwaltung auf zwölf Seiten vor allem begründet, warum der Antrag aus formalen Gründen nicht geht. „Dass solch ein Beschluss rechtlich nicht bindend ist, wissen wir auch.“ Der Antrag sei als Aufforderung zum Handeln an die Stadt und den Stadtverkehr gemeint und auch so formuliert. Abgesehen davon sei der Antrag bereits schriftlich präzisiert worden. Aber: „Wir lassen uns nicht von Hinweisen auf Rahmenverträge ablenken“, sagt Holeksa. Er betont die Intention: Ausbau des Bus-Angebots und ein 365-Euro-Ticket in Friedrichshafen. Was davon zuerst umgesetzt werde, sei eigentlich egal.
Drei Gründe, warum das Häfler Rathaus das 1-Euro-Tagesticket im Stadtverkehr nicht befürwortet
Wie das funktionieren kann, zeigt die Stadt Radolfzell auf der anderen Seeseite. Hier hat nach Aussage von Stadtwerks-Chef Andreas Reinhardt der Gemeinderat im Mai 2017 ein Konzept beschlossen, das die Stadtwerke mit entwickelt hatten. Dazu gehörten die Taktverdichtung der Busse auf Hauptstrecken, eine Absenkung des Bustarifs auf 1 Euro pro Fahrt und die Verteuerung der Parktickets in Radolfzell. Mit beschlossen wurde der Ausgleich des zusätzlichen Defizits aus der Stadtkasse. Dazu kam es bisher aber nicht. „Wir haben mit diesem Konzept einen Einnahme-Überschuss, der so nicht geplant war“, sagt Andreas Reinhardt. Denn die Fahrgastzahlen hätten sich im ersten Jahr mehr als verdoppelt. Entscheidendes Moment fürs Umdenken bei den Radolfzellern waren für ihn „die höheren Parkgebühren“.