„Ach, ist das schön“, sagt Tobias Günther, als er die Halle betritt und die vielen Menschen sieht, die bereits Platz genommen haben, Punsch trinken und Plätzchen naschen. Pfarrer Ralf Brennecke und er haben die Gäste kurz zuvor an den Eingangstüren persönlich begrüßt.
180 Drei-Gänge-Menüs sind vorbereitet und zum ersten Mal ist die alte Turn- und Festhalle komplett für die Gäste geöffnet. „Wir haben noch Platz für mehr Tische“, betont Brennecke von der Diakonie Bodensee Oberschwaben. Das Festmahl an Heiligabend hat er gemeinsam mit Günther von der Bruderhaus Diakonie, Codekan Reimar Krauß, der Bahnhofsmission, Naveed Malik mit seinem Catering und insgesamt 30 Ehrenamtlichen auf die Beine gestellt.

Ort der Begegnung an Heiligabend
An einem der Tische sitzt Peter Damm und wärmt sich die Hände an einem Becher. „Das ist Kinderpunsch, etwas Warmes tut gut“, erklärt er. 30 Minuten habe er draußen auf den Einlass gewartet: „Ich war extra eine halbe Stunde eher da, weil ich letztes Jahr kurz nach 16 Uhr da war und mich dann an einem Tisch dazuquetschen musste.“ Damm möchte Heiligabend nicht allein sein, aber mittig im Saal sei ihm auch zu viel Trubel. „Ich mag das Angebot und auch, dass es kleinere Tische sind, an denen man gemütlich zusammensitzen kann, maximal zu sechst“, sagt er. Zum dritten Mal sei er dieses Jahr hier.
Auch Nadia Ijovenka ist nicht zum ersten Mal bei diesem Essen. Sie stammt aus Cherson und ist vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet; seit zwei Jahren lebt sie in Friedrichshafen. Sie hat zwei Bekannte mitgebracht, die ebenfalls aus der Ukraine stammen. „Es hat mir sehr gut gefallen letztes Jahr“, erklärt Ijovenka. „Es ist so freundlich, so schön hier. Daher habe ich gesagt: Kommt mit.“

Christa Dreer fällt an ihrem Tisch mit ihrer Schürze etwas auf. Sie gehört zu den ehrenamtlichen Helfern, die die Gäste an diesem Abend bewirten. Zu diesem besonderen Anlass werden alle an ihren Tischen bedient; mit Getränken, Plätzchen und Essen. „Ich sitze hier, weil ich die Gäste seit Jahren kenne“, erklärt Dreer. Seit 15 Jahren sei sie ehrenamtlich in der Bahnhofsmission aktiv, daher sehe sie viele bekannte Gesichter im Raum. „Ich bin verwitwet. Ich kann mir nichts Schöneres an Heiligabend vorstellen, als hier zu helfen“, sagt Dreer.
Dann wird die Helferin durch das nächste Weihnachtslied unterbrochen, das gemeinsam angestimmt wird. An der Geige begleitet zum zweiten Mal Katrin Bünger. Sie würde gern daran mitarbeiten, dass das Angebot für alle an Heiligabend zur Tradition wird. „Geld ist nicht alles im Leben, das Zwischenmenschliche zählt“, sagt Bünger. Es sei generell ihre Art, Menschen aufzumuntern. Zum Essen in der Festhalle hat sie eine Freundin mitgebracht, die nun spontan als Helferin mit anpackt.
Erstmals dabei ist Sebastian Dix, der mit Gitarre den gemeinsamen Gesang begleitet. Kurzzeitig ist er auch als Vertreter des Stadtwerks am See gefragt. Tobias Günther möchte darauf hinweisen, dass Dix ihnen eine Weihnachtsspende von Südweststrom verschafft hat.
Das leckere Angebot kommt gut bei den Gästen an. Gerade wird Sauerbraten mit Rotkohl und Klößen serviert, frisch zubereitet vom Team der Bruderhaus Diakonie. „Ich möchte ein riesiges Danke aussprechen“, sagt Manuela Neuhoff, die schon im vergangenen Jahr mit Freundin Andrea Fritzke vor Ort war. Ihre Nebensitzerin Sophia Le Perf ist zum ersten Mal hier und sagt, dass sie sich sofort wohlgefühlt habe. „Als Mensch, der Depression hat, fühlt man sich oft in der eigenen Familie nicht mehr wohl und willkommen. Hierher kann jeder kommen so, wie er ist und muss sich nicht verstellen.“
Genau das nimmt auch Sozialbürgermeister Andreas Hein von seinem Besuch vor Ort mit, nachdem er mit mehreren Gästen gesprochen hat: „Wir müssen umso mehr die im Blick haben, die sich nicht laut artikulieren. Da gibt‘s viele, die leise sind, obwohl sie ein Anliegen haben“, sagt Hein. Auch sei Einsamkeit ein großes Thema; Orte der Begegnung brauche es auch über Weihnachten hinaus.