In kurzen Hosen und weißem Poloshirt steuert der „Bademeister“ mit entschlossenem Schritt auf eine Gruppe junger Männer zu. Sie spielen mitten auf der Liegewiese des Häfler Strandbads Fußball. Kicken geht hier gar nicht. Mit hängenden Köpfen verlegen sie ihren Fußballplatz weiter nach Osten. Dort ist Ballspielen erlaubt. Theo Schlegel hat freundlich, aber bestimmt für Ordnung gesorgt. Und das, sagt er, verhindere von vornherein Konflikte mit Ruhe suchenden Badegästen.
Auch plärrende Musik ist für ihn ein absolutes No-Go. Unterhaltung? Kein Problem, aber bitte mit Stöpseln im Ohr. In einer Kakophonie verschiedener Musikstile lässt es sich nun mal nicht entspannen. Der 63-Jährige hat sein Strandbad im Griff, und das seit 25 Jahren. Wie sehr er dafür geschätzt wird, lässt sich gut beobachten. Kaum einer der älteren Gäste geht grußlos oder ohne ein Schwätzchen an ihm vorbei. Theo Schlegel ist eine Institution.
Sohn eines Bademeisters folgt seinem Vater nach
Sein Beruf ist für ihn weit mehr als Arbeit. Er ist Berufung. Als Sohn des Bademeisters in Fischbach hatte er schon als Kind nur Schwimmen im Sinn und die Weichen waren gestellt. Bademeister waren früher Quereinsteiger. Voraussetzung waren eine abgeschlossene Berufsausbildung und eine Bademeister-Prüfung. 1972 änderte sich das. Staatlich geprüfter Schwimmmeister war jetzt ein attraktiver Ausbildungsberuf. Schön weiß gekleidet am Beckenrand, das hatte damals was, und jeder, der Schwimmen konnte, wollte jetzt die Badeaufsicht führen. Theo Schlegel machte seine Ausbildung im Hallenbad, bekam 1979 seinen Gesellenbrief und arbeitete dort zwei Jahre lang in seinem Traumberuf. Dann wechselte er das Gewässer.
Zwei Jahre lang diente er bei der Bundesmarine, eine wichtige Zeit in seinem Leben, begleitete sogar mit der Fregatte Augsburg die Engländer in den Falklandkrieg. An Gefechten beteiligten sich die Deutschen nicht. 1983 tauschte er die Atlantikwelle gegen die des Ailinger Wellenbad, die ihn drei Jahre später nach Fischbach zu seinem Vater spülte. Dieses alte Frei- und Seebad wollte er gern übernehmen.
Arbeiten im Colani-Bad? Das kam für Schlegel nicht infrage
Dann kam Kurt Eicher mit seinem Traum vom Colani-Bad, den er ausgerechnet in Fischbach realisieren wollte. Für Theo Schlegel brach eine Welt zusammen. In diesem Thermalbad wollte er ganz sicher nicht arbeiten. Die Bäder der Stadt waren alle besetzt und Strandbad kam für ihn nicht in Frage. Schlegel brauchte die Technik eines Hallenbads. 1999 ging Hans Hansbauer, der seit 38 Jahren das Strandbad betreute, krankheitsbedingt in Ruhestand. Okay, sagte sich Schlegel, die Stadt Friedrichshafen sucht einen Betriebsleiter, dann mache ich das eben. Dabei hatte er ein ungutes Gefühl. Hansbauer hatte große Fußstapfen hinterlassen.
Gleich zum Start eine überflutete Treibholzwüste
Keine drei Wochen im Amt, verwandelte das Jahrhunderthochwasser Ende Mai 1999 die Liegewiese des Häfler Strandbads in eine Treibholzwüste. Das Wasser reichte bis zu den Bäumen, vom Steg schaute nur noch das Geländer heraus. Provisorische Stege für die Gäste bauen, Treibholz entsorgen: Theo Schlegels Einstand fand wochenlang in Gummistiefeln statt und sollte für ihn zum Glücksfall werden. Die Gäste sahen, „da ist einer, der schaffen kann“, erinnert er sich. Die alteingesessenen Strandbädler, eine große Familie mit einer klaren Vorstellung von ihrem Bad, hatte er damit auf seiner Seite.
Viele dieser Stammgäste gibt es nicht mehr und das Publikum hat sich verändert. Aber schaffen, das muss Theo Schlegel heute noch. Zusammen mit seinem Team wird schon morgens um 7 Uhr mit dem Hochruckreiniger der Steg vom Möwenschiss befreit. Das Floß, nächtens von Enten heimgesucht, muss um 9 Uhr wieder appetitlich sauber sein. Mülleimer leeren, Planschbecken putzen – und dann haut ein Sturm einen Baum aufs Dach. Es gibt immer etwas zu tun. Seine Hallenbad-Technik vermisst Theo Schlegel nicht mehr und das Strandbad ist seine zweite Heimat geworden.
Er rettet zahlreiche Badegäste
Und das mit allen Höhen und Tiefen. Bis zu fünf Rettungseinsätze habe er pro Saison. Darunter seien immer öfter Kinder und neue Mitbürger, die nicht richtig schwimmen könnten. Seine Aufsichtskräfte haben gut zu tun. Achtung habe er vor ihrer Leistung, wenn sich bis zu 5000 Badegäste vergnügen. Spontan kommt Schlegel eine Rettungsaktion in den Sinn, eine lustige glücklicherweise: Ein Mann war mit Flossen eine große Runde geschwommen. Als er zum Steg kam, rief er den Bademeister zu Hilfe. Unbemerkt hatte ihm die Strömung die Badehose ausgezogen. Schlegel half dem Mann mit einem Handtuch aus.
Und dann war da noch der große, gutaussehende junge Mann, der auf dem Weg zum Floß auf Englisch um Hilfe rief. Schlegel brachte den Ertrinkenden zurück zum Steg. Zwei Wochen später sollte er die olympische Silbermedaille im Taekwondo gewinnen.

Nur drei Betriebsleiter innerhalb von 100 Jahren
2027 wird das Strandbad 100 Jahre alt. In dieser Zeit hat es nur drei Betriebsleiter gegeben. Das spreche für den Arbeitgeber, sagt Theo Schlegel. Wenn Schlegel am Ende der nächsten Saison in Rente geht, muss ein Nachfolger her. Keine leichte Aufgabe. Geprüfter Meister für Bäderbetriebe, wie die Berufsbezeichnung heute lautet, will keiner mehr sein. Pläne für den Ruhestand? Die macht Theo Schlegel nicht. Aber eines sei ihm noch wichtig: die Renaturierung des Strandbadufers, die im vergangenen Winter aufgrund des hohen Wasserstands nicht durchgeführt werden konnte. Jetzt soll sie bis zur nächsten Saison vollendet sein. „Das wird bestimmt sehr schön“, sagt er, „da freue ich mich richtig drauf.“