Friedrichshafen Die Explosion des Luftschiffs „Hindenburg“ und der Terroranschlag vom 11. September: Für die Künstlerin Christelle Oyiri verkörpern beide Ereignisse auch den schmalen Grat zwischen Fortschritt und Hybris. „Sie sind Momente, in denen technische Überheblichkeit in eine Katastrophe mündet“, so Mara-Johanna Kölmel vom Zeppelin-Museum. Oyiri setzt einer überwiegend weiß und männlich geschriebenen Geschichte eine neue Perspektive entgegen. Sie wertet das Unglück von Lakehurst als eines der ersten globalen Medienereignisse. „Es läutet die Ära ein, in der Massenmedien durch Katastrophenbilder unsere Sensationslust befriedigen“, so Kölmel.
Für die Videoarbeit „Sky is the Limit“ und die Recherche dazu hat Christelle Oyiri das erste Re-Search-Stipendium der ZF Kunststiftung erhalten. Es ist mit 30.000 Euro im Jahr dotiert und ermöglicht die Schaffung innovativer Kunstwerke in Zusammenarbeit mit Archiv und Sammlungen des Zeppelin-Museums. Ziel ist es, in künstlerischer Perspektive die Museumsbestände in andere Zusammenhänge zu stellen und so neu zu deuten. Re-Search löst das bisherige Residenz-Stipendium ab, das Kunstschaffenden einen Sommer lang das ZF Turmatelier für die Vorbereitung einer Ausstellung im Zeppelin-Museum zur Verfügung stellte. „Die Förderung bildender und zeitgenössischer Kunst war der Stiftung immer ein großes Anliegen“, sagt Regina Michel, Geschäftsführerin der ZF Kunststiftung.
Unter den Stipendiaten der vergangenen Jahre seien immer solche gewesen, die sich intensiv mit Forschung auseinandersetzten. „Hier docken wir wunderbar mit dem neuen Stipendium an“, sagt Michel. Sie erinnert an Irina Ruppert, die Migrationshintergründe in Friedrichshafen untersuchte, an Riika Tauriainen, die mit dem Schiff des Seenforschungsinstituts unterwegs war, an Ignacio Acosta, der ausgiebig zum Thema Bodenschätze recherchierte, und an Emma Adler, die einen Selbstversuch in Sachen Verschwörungstheorien unternahm. Luzia Margan beschäftigte sich mit der NS-Geschichte Friedrichshafens, Franz John mit Solarenergie aus Pflanzen und Joseph Schulz fragte nach der Bedeutung von Grenzen, als diese in Europa an Bedeutung zu verlieren schienen.
Die enge Zusammenarbeit mit dem Zeppelin-Museum entlaste die Kunststiftung, da beispielsweise die intensive Betreuung der Stipendiaten entfalle. „Wir wollen die Stiftung zukunftssicher aufstellen“, sagt Michel. Die ZF Kunststiftung wird in diesem Jahr 35 Jahre alt. Im kommenden Jahr werden sowohl Michel nach 30 Jahren als auch Vorstand Matthias Lenz nach 24 Jahren ihre Aufgaben an ein neues Team weitergeben. Die ZF Kunststiftung bleibe der nachhaltigen Förderung von Kunst und Kultur verpflichtet, sagt Lenz: „Es geht um eine kontinuierliche Förderung von Projekten und Partnern, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Unsere Förderbeträge stammen ausschließlich aus Erträgen des Stiftungsvermögens.“ Die Kunststiftung habe ihre Programme immer wieder angepasst. „Mit dem neuen Forschungsstipendium Re-Search setzen wir dieses Engagement auf neue Weise fort und vertiefen die Zusammenarbeit mit unserem langjährigen Partner Zeppelin-Museum“, erklärt Lenz.
In der Museumslandschaft sei das neue Stipendium einzigartig, sagt Claudia Emmert, Direktorin des Zeppelin-Museums. „Künstlerische Perspektiven zur Gegenwart können Menschen bewegen und dazu bringen, mit mehr Offenheit und Verständnis aufeinander zuzugehen.“ Das neue Stipendium gleiche zudem teilweise die Sparmaßnahmen des Gemeinderats aus. „Kunst und Kultur muss weiter dem Publikum zugänglich sein“, sagt Emmert. „Sky is the Limit“ von Christelle Oyiri wird ab 6. Juni in der Ausstellung „Bild und Macht. Zeppelin-Fotografie im Fokus“ im Zeppelin-Museum zu sehen sein.