Im Oktober 2017 war für Thomas Schenker der richtige Zeitpunkt gekommen, um seinen Traum von der Seidenstraße in die Tat umzusetzen. „Ich hatte mein Referendariat als Gymnasiallehrer für Geografie und Englisch beendet“, berichtet der 34-Jährige, der inzwischen an der Swiss International School in Friedrichshafen arbeitet. Gerade mal vier Wochen Zeit hatte er für die Vorbereitung und um die notwendigen Visa für die Länder zu besorgen, durch die in früheren Zeiten die Kamelkarawanen zogen. Zeit benötigte er auch für den Bau eines speziellen Fatbikes mit breiten Reifen, wofür sich ein Sponsor fand. Wollte er doch in Asien auf sandigen Pfaden und Schotterwegen abseits der Hauptstraßen radeln. „Der Rest ließ sich auch von unterwegs regeln.“

Von der Häfler Uferpromenade in die Türkei
Von der Friedrichshafener Uferpromenade ging es für Schenker über die Alpen und die Balkanhalbinsel in die Türkei. Weiter führte seine Reise durch atemberaubende Landschaften vom Iran über Aserbaidschan, Usbekistan, Kirgistan und Kasachstan bis nach China. „Dabei ging es mir nicht ums Fahrradfahren und auch nicht um die gefahrenen Kilometer. Es ging mir viel mehr um die Begegnungen mit Menschen und um die Landschaften“, erzählt der gebürtige Heilbronner. Dabei wollte er in entlegene Gebiete abseits der großen Straßen vordringen.
Das Zelt war sein Zuhause, die Luftmatratze sein Bett
Die Tage, an denen er 100 Kilometer mehr auf dem Tacho hatte, sind Thomas Schenker nicht in Erinnerung geblieben. Dies seien Tage ohne nennenswerte Begegnungen und ohne besonderes Licht oder Motive für seine Fotos gewesen. „Die Tage mit 40 oder 50 Kilometern Strecke waren die guten Tage.“ Dabei war das Zelt sein Zuhause, Schlafsack und Luftmatratze sein Bett, Kocher und Topf seine Küche, und Landkarten und GPS wiesen ihm den Weg.

„Freundliche Menschen zu treffen macht einen Tag für mich zu einem schönen Tag.“Thomas Schenker
In seinem Buch gibt Schenker den Begegnungen mit den Menschen der unterschiedlichen Kulturen viel Raum. Da ist ein betagtes Ehepaar in Bosnien, das ihm nicht nur ein Abendessen, sondern auch ein Bett für die Nacht anbietet, die Buchhändlerin im Iran oder zwei Frauen im usbekischen Bukhara, die mit ihren gemusterten Kleidern fast Teil der Mosaike der Bauwerke sind, für die die Seidenstraße so berühmt ist. „Freundliche Menschen zu treffen macht einen Tag für mich zu einem schönen Tag“, ist im Buch zu lesen. Vergessen seien die Anstrengung bei den Steigungen und der Kampf gegen den Wind. Mit einigen sei er immer noch in regem Kontakt und es seien Freundschaften entstanden.
Es ging nicht darum, Kilometer zu sammeln
Zwei Mal hat Schenker seine Reise unterbrochen. Von der bulgarischen Hauptstadt Sofia, die er mit dem Mountainbike erreicht hat, flog er im Dezember 2017 zurück nach Deutschland, um sein Fatbike zu bauen. Mit ihm ging es im Februar direkt in die Türkei, wo das Abenteuer Seidenstraße so richtig begann. „Leider gab es Probleme mit dem Hinterrad und ich musste nach zwei Wochen wieder zurück nach Deutschland, um sie zu beheben“, schildert er. Wegen der verlorenen Zeit sei er im März direkt in den Iran geflogen, um noch vor der nahenden Sommerhitze die dortige Wüste bereisen zu können. „Da es mir nicht darum ging, Kilometer zu sammeln, war das nicht so schlimm.“ Nicht selten hielt Schenker auch seinen Daumen in den Wind, um einen Teil der Strecke in einem LKW oder auf einer Ladefläche hinter sich zu bringen und um Einheimische kennenzulernen. „In China war das vor allem notwendig, da mein Visum ja nur 30 Tage galt“, berichtet er.

Sandsturm im Iran, Knieprobleme in der Türkei
Ein Sandsturm im Iran, der Zelt und Kamera zerstört, Knieprobleme in der Türkei oder die Einreiseverweigerung nach Turkmenistan, die einen Umweg von 2000 Kilometern bedeutete – der Abenteurer stand durchaus auch vor Unsicherheiten und Herausforderungen, die es zu meistern galt. Auch die Durchquerung eines Dünenfelds in der Wüste Gobi mit dem Fatbike, beladen mit Wasser und Proviant für vier bis fünf Tage, habe ihn im Vorfeld nervös gemacht. „Bevor ich von Zuhause aufgebrochen bin, war meine größte Sorge, mit dem Alleinsein nicht gut klarzukommen“, erzählt Schenker. „Diese Sorge war unbegründet.“
Endpunkt Peking, auf dem Platz des himmlischen Friedens
Immer wieder haben ihn seine Frau und Familienmitglieder unterwegs besucht und radelten ein Stück des langen Weges mit ihm. „Es ist natürlich toll, wenn man seine Eindrücke und Erlebnisse mit jemandem teilen kann.“ Am Ende in Peking, auf dem Platz des himmlischen Friedens, sei er froh und dankbar gewesen, sein Ziel unbeschadet erreicht zu haben. „Auch wenn auf dieser Reise nicht das Ziel das Wichtigste war. Vielmehr war es der Entschluss, aufzubrechen, um meinen Traum zu erfüllen“, ist am Ende seines Buchs zu lesen. Wertvoll sei die Reise durch Tausende unvergessliche Momente geworden.