Die Anklageliste ist lang: Über eine halbe Stunde lang verliest die Staatsanwaltschaft die insgesamt 14 Anklagepunkte. Zum einen muss sich der Angeklagte wegen Vergehens nach dem Gewaltschutzgesetz und Nachstellung, zum anderen wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung und Hausfriedensbruch vor dem Landgericht Ravensburg verantworten.

Kontakt zur Tochter gesucht

Zwischen November 2023 und Frühjahr 2025 ist der Angeklagte wiederholt auffällig geworden. Mehrfach soll der 68-Jährige gegen gerichtliche Auflagen verstoßen haben, indem er sich seiner Ex-Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter auf 50 Meter genähert und Kontakt aufgenommen hat. Immer wieder sei er vor der Erdgeschosswohnung der beiden in Friedrichshafen aufgetaucht, habe geklingelt, an das Küchenfenster geklopft oder sich auf der Terrasse aufgehalten.

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Dort habe er seiner Tochter teilweise kleine Geschenke und Geldbeträge hinterlassen. Mal habe der Angeklagte auch nach einem Foto der Tochter gefragt oder versucht, in die Wohnung einzudringen. Mehrfach wählt die ehemalige Lebensgefährtin den Notruf und erstattet Anzeige bei der Polizei. „Irgendwann hat sie sich nicht mehr mal die Mühe gemacht, jedes Mal persönlich anzurufen“, schildert ein Polizeibeamter, der vor Gericht als Zeuge aussagt. Stattdessen habe sie die Vorfälle gesammelt, dokumentiert und nachträglich Anzeige erstattet.

Randale in Einrichtungen und auf der Straße

Wiederholt stellt das Familiengericht eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, umgangssprachlich auch als einstweilige Verfügung oder Näherungsverbot bekannt, aus. Immer wieder missachtet der Angeklagte diese Anordnungen. Die Ex-Lebensgefährtin selbst kann sich nicht mehr zu der Sache äußern, da sie mittlerweile verstorben ist.

Im selben Zeitraum wird der Angeklagte auch anderweitig straffällig. Auf offener Straße tritt er gegen Mülleimer und fremde Autos. Außerdem randaliert er mehrfach in einer städtischen Obdachlosenunterkunft sowie in zwei psychiatrischen Einrichtungen in Friedrichshafen. In drei Fällen greift er dort andere Menschen an und erhält Hausverbot, an das er sich ebenfalls nicht hält.

„Seine Sehnsucht war zu groß“

Seit April befindet sich der Angeklagte in der Klinik für Forensische Psychiatrie im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Weissenau. Aufgrund seiner psychischen Erkrankung hat der Angeklagte seit fast zehn Jahren einen gerichtlichen Betreuer, der sich um seine Angelegenheiten kümmert. Vor Gericht spricht dieser als Zeuge und gibt seine Einschätzung über den Angeklagten ab.

Die Tochter sei ein beständiges Thema bei ihren Treffen gewesen. „Jedes Mal, wenn er sie angesprochen hat, hatte er Tränen in den Augen“, so der Betreuer. „Seine Sehnsucht war zu groß.“ Es sei kein Monat ohne Anruf der Polizei oder der jeweiligen psychiatrischen Einrichtung vergangen. „Ich kenne ihn als liebenswerten Menschen, der halt seine Probleme hat“, sagt der Zeuge. „Angst hatte ich nie vor ihm.“

Stimmungsschwankungen des Angeklagten

Während der Verhandlung wird deutlich, in welchem schlechten psychischen und körperlichen Zustand sich der Angeklagte befindet. Immer wieder unterbricht er die Verhandlung und redet vor sich hin. Obwohl er mehrmals darauf hingewiesen wird, fällt es ihm schwer, mehrere Minuten am Stück still zu sein. Auch seine Stimmung schwankt stark, mal lacht er, mal weint er oder wird laut.

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Als der Richter ihn zu der Beziehung mit der verstorbenen Lebensgefährtin fragt, antwortet er in Bruchteilen: „immer mit Liebe“. Streit habe es nie gegeben. „Ich bin doch Vater“, sagt er und weint leise vor sich hin. Zu den Taten äußert er sich nicht.

Verteidiger fordert, Verfahren zu verkürzen

Schon am ersten von insgesamt acht Prozesstagen ist von verminderter Schuldfähigkeit und einer Unterbringung nach Paragraph 63 des Strafgesetzbuchs die Rede. Der Verteidiger regt an, das umfangreiche Verfahren zu verkürzen und auf die Gewalt- und Aggressionsdelikte zu beschränken. Diese seien ausschlaggebend für das Hauptziel, einer fachgerechten Unterbringung des Angeklagten. Das Gericht und die Staatsanwaltschaft will sich bei den nächsten Terminen dazu äußern.