„Morgen“, so verspricht es Experte Felix Duscha, „da rennt ihr hier die Bäume hoch.“ Morgen scheint in diesem Moment aber noch sehr, sehr weit entfernt. Jetzt gerade versuchen die sechs angehenden Gartenbauer nämlich mühevoll, sich im strömenden Regen an einem Seil ein kleines Stückchen nach oben zu hieven.
Es ist ihr erstes Mal. Sie alle sind Teilnehmer an einem Baumpflegeseminar, das die Albert-Schweitzer-Schule und Stadtgrün VS anbieten.
27 junge Männer und Frauen sind an diesem Morgen dabei im Stadtpark Möglingshöhe in Schwenningen. Zwei Tage lang werden die Auszubildenden aus dem Garten- und Landschaftsbau im dritten Lehrjahr hier alles über Bäume und ihre Pflege lernen – die Seilklettertechnik (SKT) inklusive.
Alex Ostertag ist einer der Teilnehmer, die jetzt gleich hoch hinaus wollen. Den speziellen Sicherungsgurt für die Baumpflege hat er schon an. Baumpflege-Profi Martin Wetzler hilft ihm nun, die Pantine am Schuh festzuzurren. An dieser kleinen Aufstiegshilfe wird in wenigen Minuten das Kletterseil eingehakt werden.
Ist der 19-Jährige aufgeregt? Alex Ostertag schüttelt den Kopf mit dem roten Sicherheitshelm.
Die Kletterseile haben Martin Wetzler und Felix Duscha schon vorab für die Schüler im Baum platziert – mithilfe einer speziellen Technik. Mit einer Wurfschnur und einem Wurfbeutel wird die Leine über einem geeigneten Ast platziert und dann befestigt. „Die Seilklettertechnik ermöglicht es, dass man überall hinkommt“, erklärt Wetzler. Auf diese Weise könne baumschonend gearbeitet werden.
Ist das ein Traum für die Zukunft?
Bis man im Baum aber tatsächlich sicher genug ist, um mit Kettensäge und Co. in luftiger Höhe arbeiten zu können, braucht es viele Monate Übung und Routine, sagt Felix Duscha. Selbst ist er, der eigentlich vom Felsklettern kommt, schon seit einigen Jahren im Geschäft. Das Seminar sei daher lediglich eine Art Schnuppertag, um erste Momente hoch oben zwischen den Ästen erleben zu können – und vielleicht für die Zukunft Gefallen daran zu finden.
„Wir versuchen, den Schülern die Sprache der Bäume zu vermitteln“, bringt Martin Wetzler den Inhalt des Seminars auf den Punkt. Etwa, was eigentlich passiert, wenn ein Baum geschnitten wird. Wie dies richtig geht. Wann ein Gehölz krank aussieht oder wie man vorgehen kann, wenn es von einer Baustelle betroffen ist. „Sie lernen, den Baum zu lesen.“
Zunächst lernen sie aber, wie sie es überhaupt nach oben in dessen Äste schaffen. Etwa zehn bis 16 Meter hoch geht es heute bei der Premiere. Erfahrende Kletterer arbeiten in 30 Metern Höhe und mehr. Yannik Bäumer, 24 Jahre alt, und der 19-jährige Louis Martin hängen schon fest am Seil. Er habe zwar schon etwas Klettererfahrung, aber eben nicht auf einem Baum, erzählt Louis. „Wir freuen uns drauf“, sagen beide.
Klassenkamerad Jeremy Goler (18) dagegen ist nach eigenem Bekunden schon ein wenig aufgeregt. Aus Spaß, so erzählt er, sei er früher zwar schon öfter auf Bäume geklettert. „Aber nie mit einer Kletterausrüstung.“
Felix Duscha erklärt noch kurz den Sicherungsknoten. Der soll später verhindern, dass man beim Abseilen auf den Boden knallt – und schon kann es losgehen.
Der Aufstieg ist anstrengend
Dass es gar nicht so einfach ist, sich nach oben zu ziehen, merken alle schnell. „Das geht echt in die Hände“, ruft einer. Wer schließlich rund eineinhalb, zwei Meter über dem Boden schwebt, muss noch einmal überprüfen, ob alles fest sitzt, dann geht es weiter hinauf.

„Dem Material zu vertrauen, ist mit das Schwierigste“, kann Felix Duscha aus eigener Erfahrung berichten. Also einfach zu glauben, dass das dünne Seil, der Ast und der Gurt schon halten werden. Heute gehe es nur darum und um ein wenig Technik, die Sägen und Scheren müssen noch am Boden bleiben. „Morgen dürfen die Teilnehmer vielleicht auch ein bisschen schneiden“, so Duscha.
Dieser Trick hilft beim Ast-Fällen
Wie dies richtig geht, haben ihnen die Experten vorab schon gezeigt. Etwa jenen Trick: Einen großen Ast darf man nicht einfach absägen, weil er sonst am Ende Übergewicht bekommen, abreißen und den Stamm beschädigen könnte. Mit Entlastungsschnitten vorab wird dies verhindert.
Bei Alex Ostertag läuft sie inzwischen, die Sache mit dem Seil. Schnell erreicht er den ersten Ast. Auch dieses erste Hindernis, das am Seil gar nicht so einfach zu überwinden ist, stoppt den 19-jährigen nicht. Er schafft es darüber und dann noch ein gutes Stück höher.
Jetzt johlen sogar ein paar Klassenkameraden vom Boden aus. Und wie fand er es denn so da oben? Toll. „Das war gut, macht sehr viel Spaß“, sagt Alex Ostertag, als er wieder mit beiden Füßen auf festem Boden steht.