Ein Tisch ist schon mal gedeckt, denn Lilli Reifschneider und Axel Seitz starten ein neues Projekt. Sie sind ab September 2025 die neuen Gastgeber im Saal der Villa Prym am Yachthafen, auch weitere Räume und eine große Terrasse gehören dazu. Das frisch überarbeitete Parkett glänzt, die neu angeschafften Möbel laden zum geselligen Beisammensein ein – oder auch zum Arbeitstreffen.
Denn die Villa Prym kann alles sein: Ort für Tagungen, Geburtstage, Hochzeiten, Weihnachtsfeiern, Ausstellungen oder Konzerte. Bisheriger Pächter war die Stiftung Wasserrettung über Rechtsanwalt Jürgen Wagner, nun übernehmen die Geschäfts- und Lebenspartner Lilli Reifschneider und Axel Seitz. „Beim ersten Betreten der Räume im Obergeschoss stockte mir der Atem“, sagt die neue Gastgeberin, 51 Jahre.

Die beiden kennen das Gebäude aber schon länger. Seit drei Jahren betreiben sie während der Sommersaison die Gastronomie des Yacht Clubs im Erdgeschoss. „Als wir gehört haben, dass das Stockwerk darüber frei wird, kamen die ersten Gedanken auf“, erzählt Reifschneider. Ihr Partner Axel Seitz, 58 Jahre, ergänzt: „Das ist unsere Chance, ganzjährig Fuß zu fassen.“ Die Vereinsgastronomie im Erdgeschoss betreiben sie weiterhin.
Dabei sind der gebürtige Stuttgarter und seine Partnerin aus dem Ulmer Raum als Quereinsteiger in die Branche gekommen. „Axel ist Diplomingenieur Verpackungstechnik und ich gelernte Bankkauffrau, die lange im Vertrieb gearbeitet hat“, erzählt Lilli Reifschneider. „Wir wollten irgendwann was ganz anderes machen und haben einen Imbisswagen eröffnet.“

Doch dann folgte die Corona-Pandemie, sämtliche Veranstaltungen fielen weg. „Durch Zufall kamen wir mit dem Imbisswagen nach Konstanz auf den Campingplatz Bruderhofer und haben später auf der Plattform ebay Kleinanzeigen gesehen, dass der Yacht Club neue Pächter sucht.“ Nun folgt der nächste Schritt. Haben sie Bammel vor der Erweiterung?
„Nein“, sagt Lilli Reifschneider. „Wir sind sehr leidenschaftliche Gastgeber. Was wir anfangen, machen wir richtig und nicht mit halber Pobacke.“ Vor allem auf die Arbeit mit Menschen haben sie Lust. „Ich habe meinen Job bei der Bank deshalb an den Nagel gehängt, weil ich das zu wenig hatte“, so die 51-Jährige.
Bis zu 300 Essen kochen sie für den Yacht Club, wenn eine große Veranstaltung ansteht, nun kommen noch Buchungen im Saal mit bis zu 55 Sitzplätzen dazu. Wer welche Aufgabe übernimmt, ist dabei ganz klar. „Ich habe viele Ideen und Axel ist vernünftig“, sagt Lilli Reifschneider und lacht. Wenn es zu verrückte Einfälle sind, bremse er sie, bringe aber auch seine Expertise ein. Das unterstreicht Axel Seitz mit einem Vergleich: „Wir finden einen guten Konsens. Das ist wie beim Kochen: Sie steht am Herd, aber ich werde am Ende gefragt, was noch fehlt. Dann würzt sie nach.“

Die ersten Veranstaltungen sind schon gebucht, trotzdem ist noch einiges zu tun. Ein Nebenraum und die Teeküche sind nicht fertig eingerichtet, Technik wird installiert, die Internetseite ist nicht auf dem neuen Stand. „Und wir brauchen noch Visitenkarten“, ergänzt Sandra Geng und macht sich eine weitere Notiz auf ihrer Aufgabenliste. Sie bezeichnet sich als Geburtshelferin des neuen Projekts.

Die Konstanzerin kennt das Gastro-Paar, weil sie seit vielen Jahren Mitglied im Yacht Club Konstanz ist. Sandra Geng unterstützt in der Villa Prym mit Eventmanagement und Entwicklung. Die Drei führen ihren Besuch durch den schönen Saal mit Erker aus Holz, die beiden Nebenräume und auf die Terrasse mit Seeblick. Über diesem Stockwerk stehen bald zwei weitere Etagen leer, hier ziehen Ende des Jahres 2025 die beiden Anwälte aus. Wäre das nicht was, eine weitere Expansion?

Axel Seitz schüttelt den Kopf. „Wir stehen für nachhaltige Entwicklung“, sagt er. „Jetzt bringen wir erstmal das erste Obergeschoss zum Laufen.“ Die beiden haben sich in die historische Villa mit den Fresken an den Wänden und dem Parkett verliebt. „Damit das nicht zu Schaden kommt, tragen all unsere Stühle Socken“, sagt Axel Seitz und grinst.
Die spannende Geschichte der Villa Prym
Ihnen wie auch der Stadt Konstanz ist das historische Erbe wichtig. Die Gründerzeitvilla wurde 1877 erbaut. Wie Gaby Ellegast im Jahrbuch 2023 des Konstanzer Yacht Clubs schreibt, gab der aus Brandenburg stammende Gustav Hammer die Villa in Auftrag, die zunächst nach ihm benannt wurde.
Der Privatier war ein Jahr zuvor nach Konstanz gekommen und hatte sich das 13.000 Quadratmeter große Grundstück gekauft. Darauf ließ er neben dem Wohnhaus noch ein Ökonomiegebäude errichten sowie den Teich und Wege anlegen. In dem schlicht gehaltenen Haus wohnte er mit Frau und Kind, bis er 1895 starb.

Ein Jahr später kaufte der Fabrikant Gustav Wilhelm Prym, der aus dem Rheinland stammte und dessen Firma die maschinelle Fertigung des Druckknopfs erfand, das Haus. Prym erwarb sich über die Jahre bis zu seinem Tod im Dezember 1916 als Wohltäter einen guten Ruf in Konstanz. Unter anderem war der Bau des Bismarckturms 1912 erst möglich, nachdem Prym rund ein Drittel der Kosten dafür gestiftet hatte.

Gustav Prym ließ die ehemalige Villa Hammer so sichtbar umgestalten, dass sie fortan nach ihm benannt wurde. Laut Gaby Ellegast ließ er ein großes Gewächshaus bauen sowie das Ökonomiegebäude zum Pferdestall und später zum Wohnhaus umfunktionieren. In der eigentlichen Villa legte er sich als einer der Ersten in Konstanz einen Telefonanschluss zu, außerdem ließ er sich einen elektrischen Speisenaufzug einbauen. Diesen gibt es noch immer, zur Freude der neuen Gastgeber.
Gustav Prym ließ auch die Fassade der Villa neu gestalten. Dazu engagierte er den Karlsruher Kunstprofessor August Groh, der im Jahr 1908 an Süd- und Ostseite Jugendstilfresken umsetzen ließ. Seitdem prangen auf dem Haus Jagdszenen. Auf einem Pferd sitzen Pryms Tochter Louise und ihr Mann Wilhelm von Goedecke.

Für Lilli Reifschneider und Axel Seitz ist das Kleinod ein Glücksfall. „Hier laufen jeden Tag so viele Leute vorbei und zücken ihr Handy – und wir dürfen hier arbeiten“, sagt die 51-Jährige. Sandra Geng ermuntert die neugierigen Passanten: „Trauen Sie sich gern zu fragen, ob Sie mal reinschauen dürfen.“