Zumindest für Außenstehende kam die Nachricht überraschend: Jürgen Keck verlässt nach rund 30 Jahren Mitgliedschaft die FDP. Als Begründung für seinen Austritt wählte er deutliche Worte in Richtung seiner ehemaligen Partei, er kritisiert vor allem ihre vermeintlich zu linke inhaltliche Entwicklung auf Bundes- und Landesebene – weg von liberalen Grundwerten. Wie reagiert nun die Partei auf seinen Austritt und die scharfe Kritik? Und was bedeutet seine Entscheidung für seine politische Zukunft als Böhringer Ortsvorsteher und Radolfzeller Gemeinderat?
Keck würde gerne Fraktionsmitglied bleiben
Auf SÜDKURIER-Nachfrage erklärt Jürgen Keck am Donnerstag, dass er gerne Mitglied der FDP-Fraktionen im Gemeinderat und im Kreistag bleiben wolle. Schließlich habe es auch in der Vergangenheit Fraktionsmitglieder ohne Parteizugehörigkeit gegeben. Auch den Vorsitz der FDP im Gemeinderat würde er gerne behalten.

Zudem sitzt Keck für die FDP im Regionalverbund Hochrhein-Bodensee, auch hier möchte er gerne bleiben. „Momentan ist das alles aber offen, da wir in der FDP noch darüber sprechen müssen“, so Keck. Über sein Amt als Ortsvorsteher von Böhringen sagt er: „Ich bin nach wie vor gerne Ortsvorsteher in Böhringen – und das möchte ich auch bleiben.“ Hier wurde er mit Stimmen von CDU und Freien Wählern gewählt.
Denn, so begründet Keck seine Hoffnung, er sehe vor allem Differenzen zur bundes- und landespolitischen Entwicklung der FDP, kritisiere aber nicht die Arbeit und Haltung der Mitglieder vor Ort. „Hier wollen wir einfach gemeinsam unseren Ort voranbringen“, so Keck.
So reagiert die Partei
Ob das nach seiner scharfen Kritik an der aus seiner Sicht zu linken Bundespolitik der FDP, vor allem innerhalb der Ampelkoalition, möglich ist, scheint jedoch fraglich. Denn in der FDP ist das Unverständnis über Kecks Begründung für den Parteiaustritt groß – nicht aber unbedingt über die Entscheidung an sich.
Birgit Homburger, die Vorsitzendes des FDP-Kreisverbands, kann auf SÜDKURIER-Nachfrage Kecks Aussagen nicht nachvollziehen. „Die von Jürgen Keck zitierten Grundeinstellungen der FDP haben weiter Gültigkeit. Gerade die aktuelle Situation im Deutschen Bundestag zeigt, dass es dringender denn je eine politische Kraft braucht, die für Freiheit, Eigenverantwortung und wirtschaftliche Vernunft eintritt“, erklärt Homburger im Namen des gesamten Kreisverbands. Sie war auch bundespolitisch aktiv, unter anderem als Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion.

„Bedauerlicherweise übernimmt Jürgen Keck in seiner Begründung für seinen Austritt in weiten Teilen die ganze Bandbreite bekannter Narrative politischer Gegner, die dadurch nicht richtiger werden“, so Homburger weiter. Es habe in der Vergangenheit eine Vielzahl von Gelegenheiten gegeben, diese Punkte in die interne Diskussion einzubringen und zu erörtern. Doch, so kritisiert die Vorsitzende: „Sie blieben leider ungenutzt.“
Vorsitzende kritisiert Kecks Verhalten und Aussagen
Die von Keck genannten Punkte habe man laut Homburger in den vergangenen Monaten auch von anderen gelesen, die die FDP in ihrer politischen Grundhaltung anders ausrichten wollen, dabei aber in der Kritik hängen bleiben und keine klaren Positionen aufzeigen würden. So war vor zwei Wochen zum Beispiel der ehemalige Kurzzeit-Ministerpräsident von Thüringen, Thomas Kemmerich, mit einer ähnlichen Begründung aus der FDP ausgetreten.
„Dafür das politische Erbe namhafter verstorbener Persönlichkeiten der FDP in Anspruch zu nehmen, wird diesen nicht gerecht“, erklärt Homburger. Keck hatte sich in seinem offenen Brief unter anderem auf das Erbe von Theodor Heuss, Hans-Dietrich Genscher, Gerhard Baum berufen.
Auch Kecks Aussage, die FDP erwecke den Anschein, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, lässt Homburger so nicht stehen. Auf das fehlende Vertrauen der Bürger bei der zurückliegenden Bundestagswahl sei die Antwort der FDP ein intensiver, programmatischer Diskussionsprozess, in dem sie ihre politische Einstellung festige, ihr Programm für die zukünftigen Herausforderungen schärfe und die Partei erneuere. Alle Mitglieder seien eingeladen, sich einzubringen.
Jürgen Keck tat dies aus Homburgers Sicht offensichtlich zuletzt nicht mehr. So erklärt sie: „Wer als Begründung für seinen Austritt auch politische Entscheidungen zitiert, die bereits vor seiner Wahl in den Landtag von Baden-Württemberg für die FDP lagen, hat offenbar einen längeren Abkopplungsprozess durchlaufen, der nun ein Ende findet. Jürgen Keck hat sich entschieden, am Erneuerungsprozess nicht mehr teilzunehmen. Das respektieren wir.“
Wie steht es um Kecks politische Zukunft?
Ob Keck tatsächlich in den beiden Fraktionen Mitglied bleiben kann, lässt Homburger vorerst offen. „Über einen Verbleib in einer Fraktion entscheidet grundsätzlich die Fraktion. Radolfzell macht Radolfzell. Was die Kreistagsfraktion angeht, gehe ich davon aus, dass es dazu in nächster Zeit ein Gespräch zwischen den Mitgliedern der Kreistagsfraktion und Herrn Keck geben wird. Selbstverständlich spielen bei der Entscheidung auch Satzungsbestimmungen der Partei beziehungsweise ihre sinngemäße Anwendung eine Rolle“, erklärt sie.
Keck selbst hatte in seinem offenen Brief, in dem er sich offensichtlich rechts der derzeitigen FDP-Politik verortet, angekündigt, sich zu neuen Ufern aufmachen zu wollen. Wo diese liegen, bleibt jedoch vorerst unklar. „Es gibt Anfragen, aber nichts Konkretes. Ich bin offen für Neues, habe aber noch keine Entscheidung getroffen“, so Keck.