Nur vier Tage lang war sie im Trainingslager als der Reset-Knopf gedrückt wurde: Mit dem letzten Flugzeug trat Julia Sude die überstürzte Heimreise nach Deutschland an und wusste nicht, wie es weitergehen würde. Doch schon Stunden nach ihrer Ankunft wurden der Olympiastützpunkt, alle Sportstätten und die Krafträume geschlossen. Die internationale Rangliste wurde vorerst eingefroren und alle Turniere nach und nach abgesagt. Es war, sagt sie, als würde die Zeit stehen bleiben.
Vater trainiert mit der Tochter weiter
Glücklicherweise haben ihre Eltern einen großen Garten. Unter der Leitung ihres Vaters und zusammen mit ihrem jüngeren Bruder, der aktiv Tennis spielt, konnte sie sich mit alternativen Aktivitäten und den Gewichten und Geräten, die zuhause im Keller stehen, fit halten. Aber anfangs nicht im Sand.
Volleyball wurde Julia in die Wiege gelegt. 1987 kam sie in Gießen als Tochter des ehemaligen Volleyballspielers Burkhard Sude zur Welt und zog vier Jahre später mit ihrer Familie nach Friedrichshafen. „Ich bin in der Bodenseehalle am Spielfeldrand praktisch aufgewachsen, weil mein Vater dort gespielt hat“, erinnert sie sich. Er wurde Beachvolleyball-Nationaltrainer, betreute als Olympia-Coach die Beach-Nationalteams bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta sowie 2000 in Sydney, wo er mit seinem Team Bronze holte. „Da war ich angefixt“, sagt sie. Oft war sie bei den Trainingslagern dabei und hat mit 16 das erste Turnier der deutschen Tour gewonnen. Trotzdem, sagt sie, habe sie sehr lange Halle und Beach parallel gespielt. Dann ging ihr Stern am Beachvolleyball-Himmel auf.
Olympische Spiele ein Traum jeden Sportlers
„Der Traum eines jeden Sportlers ist, irgendwann an den olympischen Spielen teilzunehmen“, sagt sie. So waren vor allem die beiden vergangenen Jahre von Vorbereitungen auf Qualifikationswettkämpfe im Wechsel mit Regenerationsphasen geprägt. „Es ist alles auf dieses eine Ziel ausgerichtet und wir versuchen, in jedem Bereich die letzten Prozente rauszuholen“, sagt die Sportlerin. Etwa zwei Wochen nachdem das Trainingslager abgebrochen und auch die letzten Turniere vor Olympia abgesagt wurden, erfuhr sie, dass die Spiele verschoben wurden. Sie und ihre Partnerin Karla Borger standen mit Deutschlands Athleten in Kontakt. Durch die Ereignisse sei die Verschiebung eine logische Konsequenz gewesen und nicht überraschend gekommen. Dennoch sagt sie: „Es war echt ein Dämpfer, da die ganze Jahresplanung über den Haufen geworfen wurde“. So hing sie erst einmal total in der Luft.
Sportsoldatin der Sportfördergruppe der Bundeswehr
Julia Sude hat eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten gemacht und ein Studium der Zahnmedizin begonnen. Die Einnahmen durch Preisgelder sind zwar weggebrochen, gleichzeitig fallen derzeit aber auch keine Reisekosten an. Verträge mit Sponsoren laufen Ende dieses Jahres aus und obwohl diese sehr loyal und motiviert seien, wie sie sagt, sei natürlich nicht absehbar inwieweit die Pandemie auch auf diesen Bereich Auswirkungen habe. Doch existenzielle Probleme hat sie nicht. „Ich habe das Privileg Sportsoldatin der Sportfördergruppe der Bundeswehr zu sein“, sagt sie.
Auch sonst blickt die junge Frau gelassen in die Zukunft. Die Verschiebung der Spiele habe ihr Leben auch bereichert, versichert sie. Sie kann sich intensiv ihrem Studium widmen und hat plötzlich viel mehr Zeit für Familie, Freunde und Reflexion. Zudem erkundet sie ihre Heimat, kommt so oft wie möglich nach Friedrichshafen zurück. „Ich habe den Bodensee auch früher schon geschätzt, aber es wird mit jedem Besuch noch deutlicher, warum hier so viele Menschen Urlaub machen“, sagt sie. Natürlich stehen die kommenden Turniere noch in den Sternen und die Planung und Vorbereitung für Olympia 2.0 muss flexibel bleiben. „Aber“, versichert sie, „das Ziel Tokyo steht fest“.