Vier Tage vor der Weltmeisterschaft, während des Trainings auf Mallorca, erfuhr Simon Diesch, dass die drei alles entscheidenden Qualifikationsregatten für die Olympischen Spiele in Tokio im März und April abgesagt wurden.

Seit zwei Jahren standen die Termine fest und vier Jahre lang war es für ihn und seinen Vorschoter Philipp Autenrieth um nichts anderes gegangen, als mit der 470er-Jolle als bestes deutsches Team in den Qualifikationsregatten unter die besten zehn aller 19 Nationen zu segeln. Damit hätten sie das Ticket für die Olympischen Spiele in Tokio in der Tasche gehabt.

Jetzt galt es dagegen nur noch, schnellstmöglich die Balearen-Insel zu verlassen, um einer landesweiten Ausgangssperre zu entfliehen. Drei Monate später kam das offizielle Aus für Olympia. Die Spiele wurden auf 2021 geschoben.

Simon Diesch bereitete sich vier Jahre lang auf die Qualifikation für die Spiele in Tokio vor.
Simon Diesch bereitete sich vier Jahre lang auf die Qualifikation für die Spiele in Tokio vor. | Bild: Deutscher Segler-Verband/Lars Wehrmann

80 000 Euro kostete es die beiden Segler jährlich, an 300 Tagen weltweit unterwegs zu sein. Die Sponsorenverträge waren bis zum Ende der Spiele 2020 abgeschlossen, beim Jurastudenten stand an der Universität in Konstanz das Staatsexamen an. Trotzdem war Aufgeben für den Sohn des Häfler Segel-Olympiasiegers von 1976, Eckart Diesch, keine Option. Statt Prüfung waren jetzt wieder Hausaufgaben angesagt.

Training mit vielen Hindernissen

Das Gelände des Württembergischen Yacht-Clubs wurde aufgrund der Corona-Verordnung im Frühjahr gesperrt, segeln konnte er im 470er nur ein paar Mal zusammen mit seinem Bruder Felix von einem privaten Grundstück aus. Ansonsten blieb dem 25-Jährigen nur das Athletik-Training in den eigenen vier Wänden, um sein Trainingsniveau einigermaßen aufrecht zu erhalten.

Als nach Ostern am Olympiastützpunkt in Kiel unter strengen Auflagen wieder trainiert werden durfte, reisten er und sein Vorschoter umgehend nach Schilksee, um das Gefühl für Wind, Wasser und Welle nicht zu verlieren. Die Corona-Lage in Europa stabilisierte sich und um den internationalen Anschluss wieder zu finden, trafen sich zwei deutsche 470er-Teams mit den Seglern aus Schweden, Spanien, Portugal und aus der Schweiz in Santander an der Atlantikküste zum gemeinsamen Training.

Die 470er-Klasse ist sehr anspruchsvoll und es erfordert eine Menge Training, um an die Weltspitze zu gelangen.
Die 470er-Klasse ist sehr anspruchsvoll und es erfordert eine Menge Training, um an die Weltspitze zu gelangen. | Bild: Deutscher Seglerverband/Lars Wehrmann

Alles schien gut – die Infektionsrate war dort sehr gering – bis die Athleten für eine kurze Trainingspause nach Hause flogen. Spanien wurde zwischenzeitlich zum Risikogebiet erklärt und der Deutsche Segler-Verband (DSV) lässt die Sportler nicht mehr nach Spanien reisen.

Auch das Staatsexamen kann Simon Diesch nicht machen

Für den Fall eines Lockdowns werden derzeit alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Boote und Ausrüstung der Segler zurück nach Deutschland zu holen. Doch es kann noch schlimmer kommen. Die im März abgesagte Weltmeisterschaft und Qualifikationsregatta wurde als Europameisterschaft auf Oktober verlegt. „Selbst wenn die Regatta stattfinden sollte, was ich zunehmend kritisch sehe, wird uns der DSV nicht nach Mallorca fliegen lassen“, befürchtet Simon Diesch.

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Er wirkt resigniert, denn seine bislang straffe Lebensplanung scheint sich so langsam nicht mehr aufrechterhalten zu lassen. Sein Studium wurde auf Online-Betrieb umgestellt, womit er zwar Zugriff auf alle Lehrveranstaltungen hat, aber Scheine und Prüfungen machen kann er nicht.

Neue Regeln für 470er-Klasse bei den Olympischen Spielen 2024

„Je nachdem, wie sich die Situation entwickelt, bin ich bereit, diese Kampagne an den Nagel zu hängen, um 2028 zu starten“, sagt er jetzt. Denn die 470er-Segler treiben, was Olympia betrifft, in ganz trüben Gewässern. Für die Spiele 2024 werden in dieser Klasse neue Regeln gelten. Ab dann darf die Zweihandjolle nur noch mit gemischter Besatzung gesegelt werden. Und bis dahin eine passende Partnerin an der Vorschot zu finden, dafür sei die Zeit zu knapp, sagt Simon Diesch.