Ein heute 33-Jähriger soll seine Ex-Partnerin im Januar mit vorgehaltenem Messer aus ihrer Wohnung in Immenstaad gezerrt haben. Wenn sie nicht zu ihm zurückkomme, würden sie gemeinsam „in den Tod gehen“, soll er der jungen Frau laut Anklage gedroht haben. Jetzt muss er sich unter anderem wegen Geiselnahme und Nötigung vor dem Landgericht Ravensburg verantworten.
Wie der Staatsanwalt ausführte, hatten der Angeklagte und die 20-Jährige von März bis Dezember 2024 eine Beziehung geführt. Im Dezember habe sie diese beendet, der Angeklagte wollte die Trennung allerdings nicht akzeptieren. Er soll ihr immer wieder Nachrichten geschickt und sie zur Fortsetzung der Partnerschaft aufgefordert haben. „Als dies nicht fruchtete, fuhr er mehrfach zu ihr“, so die Staatsanwaltschaft.
Messer, Seil und Pfefferspray im Rucksack
Eine dieser Begegnungen fand im Januar 2025 im Zug statt. In der Bahn soll sich der Mann in die Nähe seiner Ex-Freundin gesetzt haben, als sie vom Bodensee auf dem Weg nach Berlin war. Dabei hatte er einen Rucksack. Der Inhalt laut Staatsanwaltschaft: ein Messer, ein Seil und ein Pfefferspray. Der Angeklagte soll gedroht haben, sich und ihr etwas anzutun, sollte sie nicht zu ihm zurückkehren. Einige Tage später war er laut Anklage bei ihr zu Hause aufgetaucht, soll ihr erneut gedroht haben. Sie ging davon aus, dass er eine Waffe bei sich hatte, und stimmte der Forderung, zu ihm zurückzukehren, zumindest dem Anschein nach zu.
Am folgenden Abend tauchte er erneut bei ihr auf: Er wollte sich Zutritt zu den Wohnräumen verschaffen, die sich seine Ex-Freundin mit einer Mitbewohnerin teilt, führte der Staatsanwalt bei der Verlesung der Anklage aus. Sie habe ihn aufgefordert, erst seine Schusswaffe abzulegen, dann würde sie herauskommen. Dort soll er allerdings ein Messer gezückt und ihr an den Hals gehalten haben. Als er die 20-Jährige aus der Wohnung zerren wollte, schritten Mitbewohner ein, ließen jedoch von dem Mann ab, als er auch sie bedrohte.
„Wir gehen jetzt zusammen in eine Straße, in der es dunkel ist, und reden“, soll der Angeklagte sie aufgefordert haben. Verbunden mit der Drohung, dass sie sonst beide sterben werden. Zeugen aus ihrem Arbeitsumfeld, die mit dem Auto vorbeikamen, rangen ihn dort schließlich nieder und nahmen ihm zwei Messer ab, so der Staatsanwalt. Kurze Zeit später traf die Polizei ein und nahm in fest. Die Anklage lautete unter anderem auf Nötigung und Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Richterin Claudia Denfeld brachte nach der Verlesung der Anklage einen Verständigungsvorschlag ins Spiel. Damit könne das Verfahren verkürzt werden. Voraussetzung wäre ein „glaubhaftes Geständnis“. Der Angeklagte sei nicht vorbestraft, ihm drohen Denfeld zufolge ausländerrechtliche Konsequenzen. Die Kammer halte eine Gesamtstrafe zwischen drei Jahren und neun Monaten und vier Jahren und neun Monaten für denkbar. Normalerweise zieht eine Geiselnahme eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren nach sich. Staatsanwaltschaft und Verteidigung hielten es für erforderlich, vor einer möglichen Verständigung zunächst die Geschädigte selbst zu hören.
Diese wurde über mehrere Stunden vernommen. Den Angeklagten habe sie über einen Bekannten kennengelernt, sagte die 20-Jährige vor Gericht aus. Aus Freundschaft sei Liebe geworden. Sie führten eine Fernbeziehung. „Wenn ich frei hatte, bin ich zu ihm gefahren“, erklärte sie. Für die Trennung habe es unterschiedliche Gründe gegeben. „Ich würde sagen, er war spielsüchtig“, übersetzte der Dolmetscher ihre Aussage. Später ging sie auf seine Eifersucht ein, er habe sich ihr gegenüber wenig erwachsen verhalten, die Trennung schließlich auch nicht akzeptiert.
Im Zug soll er erstmals die Drohung ausgesprochen haben, dass „wir entweder wieder zusammenkommen oder gemeinsam in den Tod gehen“. Das habe er wenige Tage später in Immenstaad wiederholt. Am Tag der Geiselnahme habe er sie aufgefordert, nach draußen zu kommen. „Meine Mitbewohnerin wollte nicht, dass ich gehe“, so die junge Frau, die vor Gericht sehr leise spricht, immer wieder aufgefordert werden muss, weiterzuerzählen, was sich an diesem Tag genau zugetragen hat. Ihre Zimmertür sei verschlossen gewesen. Warum sie ihm überhaupt geöffnet habe, wollte die Richterin wissen. Er habe angekündigt, sonst anderen Bewohnern im Haus – die hinzugekommen waren – etwas anzutun.
Über den Angeklagten selbst wurde bis auf einige biografische Daten am ersten Prozesstag nur wenig bekannt. Den Verständigungsvorschlag der Kammer lehne er ab, erklärte sein Verteidiger Uwe Rung am Ende eines langen Verhandlungstags. Er wolle selbst ausführliche Angaben machen, werde eigene Beweise vorlegen, so die Ankündigung. Der Prozess wird am Montag, 4. August, fortgesetzt. Morgens soll der Angeklagte aussagen, mittags werden Zeugen gehört.