Gerade als die ersten Redner gegen 10 Uhr vor dem ZF-Forum ans Mikrofon treten, öffnet der Himmel alle Schleusen und es gießt in Strömen. Die Teilnehmer der großen Protestaktion schlüpfen unter Regenponchos, spannen Schirme auf. „Selbst der Wettergott weint“, ruft Igor Panic vom Betriebsrat am Dienstagvormittag der Menge zu, die im prasselnden Regen ausharrt. Das passe durchaus zur aktuellen Stimmung bei Deutschlands zweitgrößtem Automobilzulieferer.

Platzregen bei der Protestaktion Video: Wieland, Fabiane

Denn bei ZF rumort es gewaltig. Schon bei den jüngsten Betriebsversammlungen hatte die Geschäftsführung ein düsteres Bild gezeichnet, mit weitreichenden Folgen für die Belegschaft. „Betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen“ – mit Sätzen wie diesem habe der Vorstand für große Unruhe gesorgt, kritisiert die Arbeitnehmervertretung. Zudem soll es erneut Kürzungen bei Lohn und Gehalt geben. Betriebsrat und Gewerkschaft hatten daraufhin Aktionen an vielen deutschen Standorten angekündigt. Im Fokus der Proteste stehen dabei auch die Pläne des Vorstands zur Zukunft der Division E, über die der Aufsichtsrat, der gerade in Friedrichshafen tagt, diskutiert und möglicherweise schon entscheidet.

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Betriebsrat und Gewerkschaft wollen mit den Protestaktionen ein klares Zeichen setzen. Die Belegschaft sei nicht mehr bereit, dem aktuellen Kurs zu folgen. Gern bemühe das Management das Sprachbild vom Schiff in schwerer See, wenn es versucht, die aktuelle Situation des Unternehmens zu beschreiben. „Wir greifen diese Metapher auf. Unter dem Motto ‚Kurswechsel jetzt – Strategie statt Havarie‘“, so die Arbeitnehmervertreter. Franz-Josef Müller, Betriebsratsvorsitzender des Betriebs Z, der die Zentralbereiche des Konzerns, die Forschung und Entwicklung sowie diverse divisionale Entwicklungsabteilungen umfasst, sprach von immer neuen Millionensummen, die beim Personal eingespart werden sollen. „Und doch reicht es diesem Vorstand nie!“

Franz-Josef Müller, Betriebsratsvorsitzender des Betriebs Z.
Franz-Josef Müller, Betriebsratsvorsitzender des Betriebs Z. | Bild: Wieland, Fabiane

Müller kritisierte weiter, dass getroffene Vereinbarungen nur noch „wenn möglich“ eingehalten werden. Selbst betriebsbedingte Kündigungen seien nicht mehr ausgeschlossen. „Stellt sich der Vorstand das unter der Rettung von ZF vor?“, wollte er wissen. Erst werde die Belegschaft wie eine Zitrone ausgepresst und dann rausgeworfen. Eine Ausgliederung der Division E hätte massive Auswirkungen auf zentrale Bereiche des Konzerns. ZF würde damit „das Herzstück herausgerissen“.

Helene Sommer (IG Metall) in strömendem Regen am Mikrofon.
Helene Sommer (IG Metall) in strömendem Regen am Mikrofon. | Bild: Wieland, Fabiane

Seinem Stellvertreter Igor Panic zufolge gehe es längst um viel mehr als die Streichung übertariflicher Zuschläge. „Es geht um unsere Arbeitsplätze“, machte er deutlich. Helene Sommer von der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben kritisierte: „Die Belegschaft soll das letzte Hemd geben, damit es weitergehen kann. Wir schmeißen aber nicht immer noch mehr Geld in ein Fass ohne Boden, Finger weg von unseren übertariflichen Zulagen“, so Sommer. Mit der breiten Unterstützung hätte die Kolleginnen und Kollegen an allen Standorten ein starkes Zeichen gesetzt.

An der IG-Metall-Geschäftsstelle vorbei führt der Protestzug durch Friedrichshafen.
An der IG-Metall-Geschäftsstelle vorbei führt der Protestzug durch Friedrichshafen. | Bild: Wieland, Fabiane

„So viele waren wir noch nie“, betonte auch ZF-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Achim Dietrich. Neben den 6000 Beschäftigten, die sich dem Betriebsrat zufolge in Friedrichshafen an den Protesten beteiligten, wurde eine Kundgebung von 4500 ZF-Beschäftigten in Schweinfurt über einen Bildschirm zugeschaltet. Dietrich hob hervor: „Ich bin mütend – einerseits wütend, andererseits müde von der andauernden Frustration.“ Statt Probleme zu lösen, mache der Vorstand seine Belegschaft seit Jahren zu Schuldigen. „Wir seien zu teuer im Vergleich zu Indien oder El Salvador“, sagte er.

Krise beim Automobilzulieferer Video: Wieland, Fabiane

Zudem hob er hervor: „Wir wehren uns dagegen, dass die Beschäftigten Management-Fehler ausbaden sollen.“ Er führte dafür verfehlte Ankäufe, Investitionsstopps oder eine falsche Preispolitik an. Mit Stellenabbau, Verlagerungen, Standortschließungen, Sparprogrammen und Investitionsstreichungen komme ZF nicht aus der Krise. Der Vorstand isoliere sich durch die Angriffe gegen die Belegschaft immer weiter, so Dietrichs Kritik. „Wir lassen uns aber nicht spalten, wir stehen geschlossen hier und wehren uns.“