Im Bodenseekreis wurden laut Sozialministerium rund 125 000 Menschen mindestens einmal geimpft, das sind rund 57,4 Prozent aller Einwohner (Stand: 11. Juli). „Betriebsimpfungen sind hier grundsätzlich mit enthalten, allerdings gibt es verschiedene Abweichungen“, erklärt ein Sprecher des Sozialministeriums. Der Grund für die Abweichungen sind unterschiedliche Meldewege.
„Jeder impfende Arzt muss tagesaktuell an das RKI in einem aufwendigen Prozess die Daten übermitteln“, sagt Dr. Stephan Schlosser, Landesvorsitzende des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte in Baden-Württemberg (VDBW), „die genaue statistische Auswertung wäre allerdings ein großer logistischer Aufwand.“ Kurz: Wie viele Menschen im Bodenseekreis von Betriebsärzten geimpften wurden, weiß niemand so genau.
Eine SÜDKURIER-Abfrage der großen Betriebe zeigt: Es dürften zwar Tausende sein, die sich vom Betriebsarzt impfen ließen, doch die große Masse ist es eben nicht. Aus der politisch groß angekündigten dritten Säule ist – zumindest im Bodenseekreis – also eher ein „Säulchen“ geworden. Die große Masse an Menschen hat sich im Kreisimpfzentrum oder bei Fach- und Hausärzten impfen lassen und nicht beim Arbeitgeber.
Doch Vorsicht: Die Zahl der Impfungen durch den werksärztlichen Dienst, die dem SÜDKURIER mitgeteilt wurde, sagt allerdings nichts über die generelle Impfquote oder Bereitschaft in einem Unternehmen aus, denn diese wird aus datenschutzrechtlichen Gründen in keinem Betrieb erfasst. Lediglich die Impfungen durch Betriebsärzte werden gelistet.
ZF, Vetter und Airbus impften einige tausend Menschen
So hat ZF beispielsweise am Standort Friedrichshafen nach eigenen Angaben im eigenen Impfzentrum im Werk 2 rund 1600 Mitarbeiter geimpft, also rund ein Neuntel der Belegschaft. „Bis etwa Ende Juni wurde das Impfangebot überdurchschnittlich gut angenommen, danach ging der Bedarf sukzessive zurück“, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage.
Schließlich bot das Unternehmen sogar Familienmitgliedern eine Impfung an, da es noch genug Impfdosen gab – mit eher mäßigem Erfolg. „Auch bei den Familienmitgliedern scheint der Bedarf mittlerweile gedeckt zu sein. Die Resonanz hält sich in Grenzen“, sagt der ZF-Sprecher. Wenn die Zweitimpfungen in den nächsten Wochen durch sind, plant das Unternehmen keine weiteren Aktionen.

Vetter nahm an Modellprojekt des Landes teil
Der erste Betrieb in der Region, der seine Mitarbeiter impfte, war Vetter in Ravensburg. Der Abfüllspezialist nahm an einem Modellprojekt des Landes teil – und ging bereits Mitte Mai mit einem hauseigenen Impfzentrum an den Start. Mittlerweile sind laut Unternehmenssprecher Markus Kirchner rund 2800 Mitarbeiter an den Standorten Ravensburg, Langenargen und Rankweil erstgeimpft, 2600 sind bereits voll immunisiert.
„Aus einer ersten Umfrage unter unseren Mitarbeitenden im Mai ging hervor, dass rund ein Fünftel unserer Belegschaft zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens einmal geimpft war und dass unsere Mitarbeitenden generell eine hohe Impfbereitschaft haben“, sagt Kirchner. Die Mitarbeiter seien froh über das betriebsinterne Angebot gewesen.
Auch bei Airbus in Immenstaad neigt sich die Impfkampagne dem Ende entgegen. Laut Sprecher Mathias Pikelj wurden hier in den vergangenen Wochen 575 Mitarbeiter geimpft. „Damit wurden alle Interessenten abgedeckt.“
Einige größere Handwerksbetriebe taten sich mit einem Betriebsarzt zusammen
Ein ähnliches Bild ergibt sich auch in den Handwerksbetrieben. „Wir hatten einige größere Betriebe, die sich zum Beispiel gemeinsam mit einem Betriebsarzt zusammengetan haben“, erklärt Wolfgang Künze, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft im Bodenseekreis, „aber mittlerweile lässt das Interesse stark nach.“ Kleinere Handwerksbetriebe mit fünf, sechs Mitarbeitern hätten ohnehin auf vorhandene Strukturen durch Hausärzte und Impfzentren gesetzt. „Ganz oft sind die Mitarbeiter einfach selbst aktiv geworden“, sagt Künze. Wer sich impfen lassen wollte, habe das bereits getan.
Arbeitsmediziner berichtet von organisatorischen und logistischen Problemen
Ein schwindendes Interesse an Betriebsimpfungen kann auch Arbeitsmediziner Stephan Schlosser vom VDBW bestätigen: „Im Moment höre ich aus allen Teilen des Landes, von großen Betrieben und von kleinen Betrieben und von der Industrie- und Handelskammer, dass der Bedarf gesättigt zu sein scheint.“ Seiner Meinung nach ist das Impfen durch Betriebsärzte als Bundesprojekt erst sehr spät gestartet worden.
Hinzu kamen etliche organisatorische Probleme, beispielsweise bei der Dokumentation des RKI. Sein Fazit: „Wenn die Gesellschaft möchte, dass Betriebsärzte schneller, einfacher und transparenter mitimpfen, dann muss der Unterstützungsaufwand für die Betriebe sehr, sehr deutlich gesteigert werden.“ Die Betriebsärzte seien immer bereit gestanden, hätten an vielen Stellen kräftig mitgeimpft – und würden das auch weiter tun. „Aber die logistischen Schwierigkeiten der organisatorischen Art müssen auch anderswo mitgelöst werden“, sagt Schlosser.
Haben geimpfte Arbeitnehmer Vorteile?
Wenn man vom persönlichen Gesundheitsschutz durch die Impfung absieht – nein. In allen Firmen und Betrieben ist das Testangebot freiwillig, für Geimpfte und Ungeimpfte. Keines der befragten Unternehmen wird Unterschiede machen. „Eine unterschiedliche Behandlung von geimpften und nicht geimpften Mitarbeitenden möchten wir vermeiden“, sagt Vetter-Sprecher Kirchner.
Die Maskenpflicht gilt auch für vollständig geimpfte Mitarbeiter
Beim Thema Maskenpflicht herrsche allerdings Verunsicherung, so Künze von der Kreishandwerkerschaft. Er werde häufig gefragt, ob geimpfte Mitarbeiter denn noch Maske tragen müssen, wenn sie den Abstand zu anderen nicht halten können, beispielsweise in einer Werkstatt. „Die Antwort ist klar: Ja. Daran hat sich nichts geändert“, sagt Künze.
Auch riefen ihn immer wieder Chefs an, die fragen, was sie machen können, wenn Mitarbeiter sich nicht impfen lassen wollen. Auch hier ist die Antwort eindeutig. „Das ist Privatsache“, erklärt Künze, „allerdings kann ein Chef schon verlangen, dass sich Mitarbeiter regelmäßig während der Arbeitszeit testen lassen.“ Ein Corona-Ausbruch im Betrieb sorge schließlich für einen großen wirtschaftlichen Schaden.
Werden Arbeitnehmer nach den Ferien verpflichtend getestet?
Während Schüler im Bodenseekreis nach den Sommerferien weiter verpflichtend getestet werden, gilt das für Arbeitnehmer auch nach einer längeren Urlaubszeit nicht. „Grundsätzlich gilt, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei einer Rückkehr aus Risikogebieten die erforderliche Quarantänezeit zum Beispiel mit Urlaub oder Zeitguthaben belegen müssen, sofern sie nicht mobil arbeiten können. Ein Pflichttest nach den Ferien ist nicht vorgesehen“, erklärt ein ZF-Sprecher.
Auch bei Vetter gibt es keine Pflichttests nach einem Urlaub. „Wir haben erlebt, dass unsere Belegschaft seit Pandemiebeginn sehr verantwortungsvoll gehandelt hat – auch in der Urlaubszeit, und wir dadurch die hinter uns liegenden herausfordernden Monate gemeinsam bislang sehr gut meistern konnten“, sagt Unternehmenssprecher Markus Kirchner.