Seit dem 15. April liegt dem Verwaltungsgericht Sigmaringen ein Eilantrag des BUND-Landesverbands vor. Das Ziel: Baustopp auf der Baustelle für das neue Hotel am Fischbacher Seeufer. Der Umweltverband hält die Baugenehmigung der Stadt Friedrichshafen für das 120-Betten-Haus in vier Gebäuden für rechtswidrig und widersprach dieser bereits im November 2020. Die Luftschiffbau Zeppelin GmbH (LZ) als Bauherrin begann dennoch mit dem Abriss des ehemaligen Diakonissenheims und dem Hotel-Neubau, was sie darf. Der vorläufige Baustopp sollte verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor entschieden ist, ob die Baugenehmigung rechtens war.

Das könnte Sie auch interessieren

Inzwischen sind die Bauarbeiten weit fortgeschritten. Warum das Gericht drei Monate braucht, um über einen Eilantrag zu befinden, lasse sich schwer verallgemeinern, sagt Gerichtssprecher Julian Thüry auf Anfrage. Aber: Nach Rücksprache mit der Kammer, die den Fall bearbeitet, werde „zeitnah eine Entscheidung über den Eilantrag ergehen“.

BUND sieht „zahlreiche Eingriffe“ in die Landschaft

Warum der BUND diesen Schritt vor Gericht ging, erklärte der Ortsverband bereits Ende April in einem Brief an die Stadträte, der von Brigitte Walkam unterzeichnet war. Er liegt unserer Zeitung vor. Der Tenor: Der BUND Friedrichshafen setze sich seit Jahren für den Erhalt des Landschaftsschutzgebietes und des Bodenseeufers ein. Dagegen stünden „zahlreiche Eingriffe“, so etwa beim Clubhaus-Neubau des WYC, dem MTU-Uferweg oder Genehmigungen für die Zeppelin Wohlfahrt, die am Ufer die Zeppelin-Universität mit Wegen und Parkplätzen oder ein Haus mit zwölf Wohnungen gebaut hat. Dabei wurden diese Projekte „zu keiner Zeit in ihrer Summenwirkung auf Natur und Landschaft betrachtet“, steht in dem Brief. Gerade die Bucht vor dem früheren Diakonissenheim stelle „eine der letzten ruhigen Uferstellen“ dar, vor allem für Rastvögel und gefiederte Wintergäste.

Das könnte Sie auch interessieren

Mit dem Hotelneubau steige der Nutzungsdruck auf das Gelände. Trotzdem habe die Stadt auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet, was „rechtsfehlerhaft“ sei. „Weniger als 50 Meter entfernt vom FFH-Gebiet ist dies der definitiv falsche Ort für ein großes Tagungshotel“, heißt es weiter. Und: „Wir hoffen, dass die Vorgänge um das LSG und den geplanten Hotelbau infolge unseres Eilantrags aufgearbeitet werden und dies darüber hinaus zu einer transparenten und juristisch korrekten Genehmigungspraxis in Friedrichshafen führt.“

Riesige Baugrube: Drei weitere Dreigeschosser sollen hier entstehen.
Riesige Baugrube: Drei weitere Dreigeschosser sollen hier entstehen. | Bild: Cuko, Katy

Was sagen die Gemeinderats-Fraktionen zum Konflikt um das Hotel-Projekt?

Der SÜDKURIER wollte nun im Vorfeld der Gerichtsentscheidung von den Fraktionen im Gemeinderat wissen, wie sie den Hotelbau im Landschaftsschutzgebiet – unabhängig der Rechtsfragen – bewerten.

Von den Fraktionen der CDU, Freien Wähler und FDP gab es dazu keine Stellungnahme. Für die SPD bat Fraktionschef Wolfgang Sigg um Verständnis, „dass wir zu laufenden Rechtsstreitigkeiten der Stadt keine Stellungnahme abgeben“. Grüne, Netzwerk und ÖDP hingegen beziehen Position, wobei für die Grünen gleich zwei Stadträte – teils unterschiedlich – ihre Ansicht vertreten.

Ulrich Heliosch
Ulrich Heliosch | Bild: SK

Grüne: Ulrich Heliosch vertraut auf rechtmäßig erteilte Baugenehmigung der Verwaltung

Ulrich Heliosch verweist für seine Fraktion auf die rechtlichen Grundlagen. So schließe die LSG-Verordnung „leider“ eine Bebauung nicht generell aus. Ob ein Neubau damit vereinbar sei, müsse das Landratsamt prüfen. Da an dem Ort schon seit langer Zeit eine Beherbergungsstätte bestand, „war für uns die von der LZ angestrebte Weiterführung dieser Nutzung durch einen Hotelbetrieb erstmal nicht ungewöhnlich“, sagt Ulrich Heliosch. Nach allen vorliegenden Informationen „gab es für uns bisher keine erheblichen Zweifel an diesem Projekt“. Der Gemeinderat werde bei der Bewilligung von Bauvorhaben aber nicht beteiligt. Hier sei Vertrauen gefragt: „Wenn das Baurechtsamt eine Baugenehmigung erteilt, haben wir keinen Anlass, das anzuzweifeln. Träger öffentlicher Belange nicht zu hören oder an ihnen vorbeizuplanen, wäre natürlich ein Unding.“

Regine Ankermann
Regine Ankermann | Bild: SK

Grüne: Regine Ankermann sieht unbebaute Zonen am Ufer schrumpfen

Regine Ankermann hingegen sieht „die Gefahr, dass das Gelände nicht mehr allgemein zugänglich ist, sondern vorrangig für zahlende Gäste“. Zumal der Bau von 62 Doppelzimmern die Nutzung des Areals doch stark intensiviere. Merkwürdig findet die Stadträtin, dass die Stadt vor Gericht nun von einem Bauvorhaben im Innenbereich spricht. Im Verfahren um die Baugenehmigung ging man offenbar davon aus, dass es sich um ein Bauprojekt im Außenbereich handelt und daher strengere Umweltvorschriften einzuhalten sind. Dass auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung letztlich verzichtet und die Genehmigung dennoch erteilt wurde, sei nicht minder ungewöhnlich. „Der BUND als einer der maßgeblichen Umweltschutzverbände hätte meiner Ansicht nach am Verfahren beteiligt werden müssen“, so Ankermann. Auch sie hält es für bedenklich, dass die unbebauten Zonen am Seeufer „zusehends schrumpfen“.

Simon Wolpold
Simon Wolpold | Bild: SK

Netzwerk: Eingriff in die Landschaft hoch, Nutzen für Öffentlichkeit gering

„Das Netzwerk für Friedrichshafen sieht dieses Projekt an diesem Ort durchaus kritisch“, erklärt Simon Wolpold stellvertretend für seine Fraktion, die an keiner Abstimmung im Rat dazu beteiligt war. Der Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet sei hoch, der Nutzen für die Öffentlichkeit niedrig. Ein luxuriöses Tagungshotel an dieser landschaftlich höchst attraktiven Stelle stehe im Kontrast zum öffentlichen Auftrag der Stadt und seiner Tochterunternehmen. Man könne die Bedenken des BUND nachvollziehen. Die Baugenehmigung sieht das Netzwerk als „Gratwanderung auf geltendem Recht“. Dass LZ als Bauherrin mit dem Bau trotz des BUND-Widerspruchs begonnen hat, sei aus Kosten- und Zeitgründen nachvollziehbar. „Aus Sicht eines Unternehmens in kommunaler Hand sollte jedoch Rechtmäßigkeit vor Wirtschaftlichkeit gestellt werden und abgewartet werden“, sagt Simon Wolpold. Hier sollte LZ „kein schlechtes Vorbild sein“.

Sylvia Hiss-Petrowitz
Sylvia Hiss-Petrowitz | Bild: Lena Reiner

Fraktionsgemeinschaft ÖDP/parteilos: „Nur mit Bauchschmerzen zugestimmt“

Auch die Fraktionsgemeinschaft stehe dem Hotelprojekt im Landschaftsschutzgebiet „von Anfang an sehr kritisch gegenüber“. Die ÖDP habe dem Projekt seinerzeit „nur mit Bauchschmerzen und als Kompromisslösung zugestimmt“, heißt es in der Stellungnahme. Diese Zustimmung sei allerdings an Bedingungen geknüpft. So müsse das Gebiet weiterhin für die Bevölkerung voll zugänglich bleiben, Eingriffe in die Tier- und Pflanzenwelt müssten auf ein absolutes Minimum beschränkt werden. Unter diesen Voraussetzungen könne man einem Hotel an diesem ökologisch sensiblen Platz zustimmen. Die Dimensionierung sollte allerdings nochmals überdacht werden, meint die ÖDP. Für „eine Nummer kleiner“ ist es seit Erteilung der Baugenehmigung jedoch zu spät.

Dass sich die Stadt für das Projekt quasi selbst eine Baugenehmigung ausgestellt hat, ist für die Fraktionsgemeinschaft „sicherlich kein feiner politischer Stil und hat schon einen faden Beigeschmack“. Und auch von LZ hätte man sich ein anderes Verhalten gewünscht. „Die Fortsetzung der Baumaßnahmen trotz des anhängigen Verfahrens mag rein rechtlich okay sein – ethischen und moralischen Grundsätzen, wie gerade von einem Stiftungsunternehmen erwartet werden kann, laufen sie aber zuwider.“