Herr Lieber, der von Ihnen formulierte Widerspruch liest sich wie ein Verriss der Baugenehmigung der Stadt Friedrichshafen, die in mannigfaltiger Art den Rechtsvorschriften zuwider läuft…
Ja, was man hier für Klimmzüge gemacht hat, um irgendwie dazu zu kommen, dass man dieses Hotelprojekt im Außenbereich genehmigen kann, ist schon bemerkenswert. Es ist auch deshalb verwunderlich, weil sich in der Akte immer wieder die Aussage verschiedener Stellen der Stadt findet, man sei an einem rechtssicheren Verfahren interessiert. Aber ein solches Projekt im Außenbereich ohne Bebauungsplan zu genehmigen, geht halt nicht. Hier gibt es ein grundlegendes baurechtliches Problem.

Ist nach Ihrer Einschätzung ein Hotelbau an dieser Stelle am Seeufer überhaupt möglich?
Nein. Denn ein gewerbliches Vorhaben ist im Außenbereich nicht zulässig. In gewissem Umfang wäre nach einer Ausnahmevorschrift des Baugesetzbuches die Erweiterung eines bestehenden Betriebes erlaubt. Das hat die Stadt im Ansatz auch zu argumentieren versucht. Aber weder funktional noch baulich gibt es dort derzeit ein Hotel, das sich weiter entwickeln könnte. Der Gebäudekomplex wird nahezu vollständig abgebrochen und neu gebaut. Das geht im Außenbereich nicht. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat ausdrücklich klargestellt, dass auch nach der genannten Ausnahmevorschrift die Ersetzung des Gebäudebestandes durch einen Neubau nicht zulässig ist.
Darf der BUND überhaupt gegen die Baugenehmigung vorgehen?
Seit ein paar Jahren haben Verbände dieses Recht. Ein Umweltverband darf für die Natur oder Umwelt eintreten und Verstöße gegen umweltrelevante Vorschriften rügen. Das Regierungspräsidium als Widerspruchsbehörde muss also prüfen, ob diese Baugenehmigung umweltrelevante Vorschriften verletzt. Das beginnt bei der Frage, ob ein Bauprojekt im Außenbereich genehmigt werden kann, da dieser aus Gründen des Umweltschutzes grundsätzlich von Bebauung freizuhalten ist. Darüber hinaus kann das RP aber auch als Fachaufsicht, in dem Fall für die Baurechtsbehörde der Stadt, tätig werden und über diese Schiene eingreifen, wenn es das für angebracht hält.

Sie argumentieren, dass das Hotelprojekt auch gegen die Verordnung zum Landschaftsschutz verstößt. Hat das Landratsamt überhaupt zugestimmt?
Die Untere Naturschutzbehörde hat am 5. Juni 2020, also am Tag der Erteilung der Baugenehmigung, erklärt, dass ihr Einvernehmen als erteilt gilt. Das ist erstaunlich, denn das Landratsamt wollte das eigentlich nur tun, wenn die Stadt mit dem Bauherrn, also der Zeppelin Wohlfahrt, einen Vertrag schließt, in dem das Nutzungskonzept und die zulässige bauliche Entwicklung festgehalten sind. Die Naturschutzbehörde hatte zu Recht die Sorge formuliert, dass einer weiteren baulichen Entwicklung kaum noch eine Grenze gesetzt ist, wenn dieses Hotel erst einmal gebaut ist. Aber diesen Vertrag gibt es nicht. Die Stadt hat das offenbar nicht für notwendig erachtet. Am Ende hat die Naturschutzbehörde der Baugenehmigung nicht mehr widersprochen, obwohl die Forderung nach diesem Vertrag nicht erfüllt wurde.
Ist dieser kritische Punkt einer baulichen Weiterentwicklung quasi wider Willen anders gelöst?
Stattdessen wurde die Übernahme einer Baulast vereinbart. Darin steht, dass der Bauherr auf ein künftiges Baurecht im Innenbereich, also nach Paragraf 34 Baugesetzbuch, verzichtet. Allerdings ist der abstrakte Verzicht auf eine Rechtsposition kein zulässiger Inhalt einer Baulast, eine solche Baulast kann nur konkrete Unterlassungspflichten zum Gegenstand haben. Letztlich hat man auch hier also ein untaugliches Mittel gewählt, um dieses Risiko in den Griff zu kriegen, dass der neue Hotelkomplex nach seiner Errichtung später einmal erweitert werden könnte.

Sie erklären, dass die Stadt Friedrichshafen – mal ganz einfach ausgedrückt – sich nicht selbst eine Baugenehmigung hätte ausstellen dürfen. Ist das richtig?
Ja, nach der Landesbauordnung ist eine Stadt bei eigenen Bauvorhaben nicht für die Erteilung der Baugenehmigung zuständig, wenn gegen das Vorhaben Einwendungen erhoben wurden. Im Verfahren hat die Stadt selbst die Auffassung vertreten, ein solcher Fall könnte gegeben sein, weil Bauherrin ein städtisches Unternehmen ist. Übersehen wurde dann aber, dass es seitens des BUND durchaus Einwendungen gab. Richtigerweise hätte deshalb die Stadt das Regierungspräsidium über die Baugenehmigung entscheiden lassen müssen.
Wie geht das Verfahren jetzt weiter?
Die Stadt prüft zunächst selbst den Widerspruch und kann ihm auch selbst abhelfen. Wenn sie das nicht tut, liegt der Fall dem Regierungspräsidium Tübingen vor. Das entscheidet dann, ob es dem Widerspruch stattgibt oder nicht. Sollte die Behörde den Widerspruch zurückweisen, dann stellt sich für den BUND die Frage, ob gegen die Baugenehmigung Klage erhoben wird.
Jetzt laufen bereits die Abrissarbeiten…
Der Abriss ist rechtlich von dem Neubauvorhaben zu trennen. Entscheidend ist, wann mit dem Neubau begonnen wird. Sollte der vor einer endgültigen Entscheidung in der Sache starten, käme ein Eilverfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht.
Fragen: Katy Cuko