Die Fischbacher Bucht liegt nur augenscheinlich ruhig da. Deutlich zu hören sind die Abrissarbeiten des Ensembles „Haus am Bodensee„. Eva Schöllhorn vom Bund für Naturschutz und Umwelt Deutschland (BUND) Friedrichshafen lebt in Hörweite und schildert: „So geht das seit Dezember. Es gibt Tage, die leiser sind, aber auch solche, die lauter sind.“ Doch nicht nur der Baulärm bereitet ihr Kopfzerbrechen: „Hier wird in das Landschaftsschutzgebiet eingegriffen, ohne dass wir Umweltschutzverbände einbezogen wurden“, ergänzt Brigitte Wallkam, ebenfalls Vorstandsmitglied des BUND Friedrichshafen. Auch liege die Baustelle nur wenige Meter von einem FFH-Gebiet entfernt: „Von einem Eingriff erholt sich die Natur vielleicht, aber wir sprechen hier von einer Vielzahl.“ Mehr als zwei Dutzend Eingriffe ins Landschaftsschutzgebiet Friedrichshafen-West sind auf der BUND-Webseite aufgeführt.

Dabei handle es sich im aktuellen Fall nicht lediglich um ein „ungutes Gefühl“ von Umweltschützern, betont Schöllhorn. Auch der vom BUND Friedrichshafen einbezogene Anwalt, Tobias Lieber, bestätige die Sicht, dass mit der Baugenehmigung etwas im Argen liege. Hauptpunkt des im Januar an die Stadt gerichteten Widerspruchs ist, dass Ausnahmeregelungen des Baugesetzbuchs für ein „Bauen im Außenbereich“ hier nicht zutreffen.
Er verweist außerdem auf den Flächennutzungsplan, der hier vorrangig eine Grünanlage vorsehe und die Villa Gminder als „sonstige Freizeitanlage“ markiere. Beides schließe sogar explizit den Neubau einer gewerblichen Anlage aus. Doch genau dafür, wörtlich für „die Errichtung einer Hotelanlage“, wurde bereits 2019 eine Bauvoranfrage durch die Stadt positiv beschieden.
Eingriff ins Landschaftsschutzgebiet ohne Bedingungen und Auflagen
Für die Befreiung von der Landschaftsschutzgebiet-Verordnung, die für die Erteilung der Baugenehmigung notwendig wäre, sei außerdem eine Anhörung der Umweltverbände vorgeschrieben. Auch seien die notwendige FFH- und Umweltverträglichkeitsprüfung nicht ausgeführt worden, heißt es in der Widerrufsbegründung weiter, die auf der Webseite des BUND Friedrichshafen einsehbar ist.
Das Landratsamt äußert sich zu den fehlenden Verträglichkeitsprüfungen wie folgt: „Im Rahmen der Vorabstimmungen und der Modifizierung der Unterlagen im Genehmigungsverfahren wurden diese so verändert, dass für eine Erlaubnis Bedingungen und Auflagen nicht mehr erforderlich waren.“
Die Stadt Friedrichshafen erklärt: „Die durchgeführte FFH-Verträglichkeitsvorprüfung kommt zum Ergebnis, dass mit dem Vorhaben keine erhebliche mittelbare Beeinträchtigung des FFH-Gebiets verbunden ist. Daher ist eine FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht erforderlich.“
Weiter führt eine Sprecherin der Stadt aus, dass in einem Landschaftsschutzgebiet kein „absolutes Veränderungsverbot“ bestehe und so die Errichtung baulicher Anlagen grundsätzlich möglich sei. Erfolge dies „ohne erhebliche Einschränkungen“, sei die Einbindung naturschutzrechtlicher Organisationen nicht vonnöten. Worauf diese Einschätzung genau beruht, wird nicht näher ausgeführt.
Dabei hatte das städtische Rechtsamt laut einem unserer Zeitung vorliegenden Schreiben im Februar 2019 sogar explizit darauf hingewiesen, dass es „riskant“ sei, von einer förmlichen Beteiligung des BUND abzusehen.

Schöllhorn zeigt sich außerdem beim Rundgang um die Baustelle darüber besorgt, wie sich der Baulärm – und auch der spätere ganzjährige Hotelbetrieb – auf die (Zug-)Vögel auswirke, die hier im Winter normalerweise zum Rasten und Fressen landen: „Dieses Jahr sind fast keine Singschwäne hier zu sehen. Allerdings kann ich nicht sagen, ob es am ungewöhnlich hohen Wasserstand des Sees oder am Baulärm liegt.“ Weil nichts im Kontext Umwelt so einfach einer einzigen Ursache zuzuordnen sei, wünscht sich die Biologin ein gründliches Monitoring, wenn Baumaßnahmen in einem schützenswerten Gebiet umgesetzt werden.
Zeit für eine mehrjährige Beobachtung im Vorfeld wäre im Fall des aktuellen Bauprojekts eigentlich gewesen, da die Erarbeitung des Vorhabens bereits im Jahr 2016 begonnen hat. Die Stadt bestätigt auf Anfrage, dass es nach dem Bundesnaturschutzgesetz verboten sei, wildlebende europäische Vogelarten erheblich zu stören, erklärt aber auch: „Die Untere Naturschutzbehörde geht davon aus, dass die mit dem Betrieb der Hotelanlage verbundenen Störungen aufgrund ihrer Begrenzung auf das Umfeld des Vorhabens nicht zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Population führt.“ Näher begründet wurde diese Annahme dem SÜDKURIER gegenüber nicht.
2016 begann die Erarbeitung des Bauvorhabens der Haus am Bodensee GmbH, einer Ausgründung der Zeppelin Wohlfahrt GmbH, die wiederum eine der Tochtergesellschaften der Luftschiffbau Zeppelin GmbH bildet, die wiederum der Zeppelinstiftung gehört. Dies bildet übrigens einen weiteren Punkt der 32 Seiten Widerspruchsbegründung gegen die Baugenehmigung; die Stadt habe „eigentlich sich selbst“ ein Projekt genehmigt. Die Planungen seien bereits Ende 2017 reduziert und auf die spezielle Situation angepasst worden, erklärt die Bauherrin in einer Stellungnahme.
Weiter heißt es: „Es erfolgten zahlreiche Expertengutachten. Auf dieser Basis erfolgten intensivste Behördenabstimmungen, insbesondere auch auf Ebene der zuständigen Naturschutzbehörde und des Regierungspräsidiums. Des Weiteren haben wir in den Verfahren Fragen des BUND, die über die Baurechtsbehörde an uns herangetragen wurden und baurechtlich relevant waren, beantwortet.“ Schöllhorn nennt als Beispiel die Frage nach dem Schutz der Vögel während der Bauarbeiten. Das Ergebnis sehen wir beim gemeinsamen Rundgang: acht Bauzäune, die mit einer Plane versehen einen eher untauglichen Sicht- und Lärmschutz zum Bodensee hin bilden.

„Auch werden Versprechen nicht eingehalten“, bemängelt sie. Als Beispiel nennt sie den fehlenden öffentlich-rechtlichen Vertrag, den die Untere Naturschutzbehörde ursprünglich zur Bedingung für das Projekt gemacht habe, um sicherzustellen, dass auch nach dem Hotelbau das Areal baurechtlich im Außenbereich bleibt. „Das ist wichtig, denn wenn das hier Innenbereich wird, werden die nächsten Gebäude viel einfacher genehmigt“, erklärt sie. Das Landratsamt begründet sein Umdenken damit, dass die Baurechtsbehörde (Anm. d. Red: Stadt Friedrichshafen) das Bauvorhaben als von ihr im Außenbereich liegend beurteilt habe. So sei von der Erfordernis des Vertrags Abstand genommen worden.
Bauherrin „verwundert“ über späten Widerspruch
Derweil zeigt sich eine Sprecherin der Bauherrin verwundert darüber, dass der BUND – „insbesondere erst jetzt“ – Widerspruch eingelegt habe: „Zumal die positiv beschiedene Bauvoranfrage im März 2019, die erteilte Baugenehmigung im Juni 2020 und der Projektbeginn im Oktober 2020 öffentlich kommuniziert wurden.“
Wallkam und Schöllhorn zeigen sich ihrerseits verwundert über die Verwunderung der Bauherrin. „Wir haben uns immer kritisch zu dem Vorhaben geäußert; ob in der Fischbacher Runde oder per Stellungnahme im Jahr 2019“, betont Schöllhorn. Letztlich hätte sich der BUND darauf verlassen, wie zugesichert auch einbezogen zu werden: „Schließlich erfuhren wir dann eher zufällig im August 2020, dass die Baugenehmigung bereits erteilt wurde, ohne dass wir einbezogen worden wären.“ Darauf hätten sie Einsicht in die Bauakte verlangt, diese abfotografiert, gesichtet und sich rechtlich beraten lassen. „Das dauert seine Zeit“, erklärt Wallkam.

Wie die Stadt auf den Widerspruch gegen die Baugenehmigung reagieren wird, ist bislang noch unklar. Eine Sprecherin erklärt gegenüber dem SÜDKURIER, dass er vorliege und derzeit geprüft werde: „Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, bitten wir um Verständnis dafür, dass wir derzeit keine weiteren Auskünfte erteilen werden.“ Dabei drängt die Zeit. Zwar seien die Abrissarbeiten rechtlich nicht relevant. Werde allerdings mit dem Bau begonnen, müsse ein Eilantrag eingereicht werden, erläutert Anwalt Tobias Lieber im Interview mit dem SÜDKURIER.