Herr Blümcke, Sie durften sich den Ort unseres Treffens selbst aussuchen. Warum sind wir hier am Stadtbahnhof gelandet?

Weil der Bahnhof mitten in Friedrichshafen liegt und mir das Wir-Gefühl sehr wichtig ist, aber auch weil ich damit zeigen möchte, Problemen soll man nicht aus dem Weg gehen und ich werde ihnen nicht aus dem Weg gehen. Wir haben am Bahnhof eine Situation, wo mir viele Frauen, jüngere und ältere Menschen, auch Geflüchtete sagen, hier herrscht manchmal das Recht des Stärkeren. Das ist nicht gut, daher habe ich hier meine elf Punkte für mehr Sicherheit vorgestellt.

Was sind für Sie dabei die wichtigsten Stellschrauben?

Das kommunale Handwerk auch beim Thema Sicherheit gut umzusetzen. Entscheidend ist für mich, mit der Polizei, mit der Bundespolizei, dem Ordnungsdienst, den Streetworkern eine Sicherheitspartnerschaft aufzugleisen. Ziel muss es sein, nicht nur zu vergrämen, sondern an die Ursachen zu gehen. Gleichzeitig aber auch deutlich zu machen, es gibt Regeln, und die werden durchgesetzt, denn der öffentliche Raum gehört allen.

Der OB-Kandidat bei der Vorstellung seines Elf-Punkte-Plans für mehr Sicherheit.
Der OB-Kandidat bei der Vorstellung seines Elf-Punkte-Plans für mehr Sicherheit. | Bild: Simon Blümcke

Stellenabbau bei ZF, Schlagzeilen rund um den Medizin Campus, ein schwächelnder Flughafen: Die Liste der Herausforderungen ist lang. Warum wollen Sie OB dieser Stadt werden?

Probleme reizen mich eher, als dass sie mich abschrecken. Mein Angebot an die Bürger ist: Ich habe Erfahrung, ich bin bei allen Ämtern, die ich innehatte, wiedergewählt worden, weil ich die Leute nicht enttäuscht habe. Außerdem kann ich mit den Bürgern vom ersten Tag an arbeiten. Auch das ist bei den Problemlagen wichtig. Beim Krankenhaus sieht die Lauterbach‘sche Reform so aus, dass wir innerhalb kürzester Zeit ins Handeln kommen müssen. Wir müssen die Leistungsgruppenzuordnung, das heißt, den Abbau von Doppelstrukturen, angehen. Und zwar selbstbestimmt, mit großer Überzeugung und aus Häfler Sicht.

Und Ihre Rolle in der Wirtschaft?

Ein OB hat in der Wirtschaftsförderung wichtige Pflichtaufgaben, etwa bei der Versorgung mit Grundstücken, mit Kita-Plätzen, damit Fachkräfte auch arbeiten können. Was ZF oder Zeppelin sicher nicht brauchen, ist ein neuer Super-Chef. Ein OB überprüft und hinterfragt Strategien im Aufsichtsrat, fordert sie ein, macht sie aber nicht selbst. Die Häflerinnen und Häfler wären schlecht beraten, wenn sie einen OB wählen, der den Firmen ständig ins Lenkrad greift. Meine Kompetenz heißt Rathaus, Gremienarbeit und Arbeit mit der Bürgerschaft.

Sie haben Ihre Kandidatur in einer Mitteilung kurz vor der Kommunalwahl vergleichsweise nüchtern öffentlich gemacht. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden?

Mich nervt es, wenn Politik nur noch Taktik und Strategie ist. Die Menschen haben Anliegen, Bedürfnisse und Fragen. Deshalb war es mir wichtig, Zeit zu haben, aber auch, dass der Fokus zunächst auf der Kommunalwahl liegt. Ich habe – wie Sie es nennen – nüchtern begonnen, um dann am 21. Juni gleich inhaltlich einzusteigen. Eben nicht mit Hochglanz und allzu viel Werbung, sondern mit konkreten Antworten auf Probleme.

Zunächst waren in der Stadt andere Kandidaten gehandelt worden. Vor- oder Nachteil?

Ich bin von ganz vielen Häflerinnen und Häflern angesprochen worden, weil sie es mir zutrauen und weil sie sich einen OB wünschen, der bürgernah und zupackend ist, gleichzeitig nicht abgehoben. Ich habe es also durchaus anders erlebt.

Wollten Sie zunächst nicht Landrat des Bodenseekreises werden?

Ich habe bei Gremienwahlen alles erreicht, was man erreichen kann. Ich bin als Erster Bürgermeister von Ravensburg in einer tollen Position, aber Oberbürgermeister in einer Stadt wie Friedrichshafen zu sein, das ist für mich reizvoll, das ist für mich Herzensanliegen. Ich würde mit meinem Mann gern wieder an den See kommen und hier in Friedrichshafen leben und arbeiten.

Wie managen Sie den Wahlkampf neben Ihrem Job als Erster Bürgermeister?

Das ist in der Tat eine Herausforderung, daher habe ich meinen Jahresurlaub im September genommen. Aktuell mache ich beides parallel, das war vor allem im Juli fordernd. Es erfordert Disziplin, früheres Aufstehen und erklärt, warum der eine oder andere Brief vielleicht etwas später kommt (lacht).

Auch in den Ortschaften ist der OB-Kandidat unterwegs. Sein nächster Termin findet in Ailingen statt.
Auch in den Ortschaften ist der OB-Kandidat unterwegs. Sein nächster Termin findet in Ailingen statt. | Bild: Simon Blümcke

Mit der Zeppelin-Stiftung sowie Aufsichtsratsposten in Großunternehmen ist das Amt einmalig. Fühlen Sie sich dem gewachsen?

Angesichts der Herausforderungen müssen Sie Ihr kommunales Handwerk sehr gut beherrschen, denn Sie werden Extrazeit dafür benötigen. Ich fühle mich darauf vorbereitet, auch wissend, dass ich in diesem Bereich dazulernen muss und mitunter auch Beratung brauche. Gleichzeitig bin ich nicht der Meinung, dass der OB selbst alle Aufsichtsratsmandate wahrnehmen muss. Man merkt, dass das Menschen an die Grenze bringt.

Dem OB wird mitunter nachgesagt, er habe zu viel verwaltet und zu wenig gestaltet. Verwalter oder Gestalter, wo sehen Sie sich?

Eine gute Verwaltung ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, dass man gestalten kann. Ich würde mich als Macher und Brückenbauer bezeichnen, der möglichst im Konsens mit vielen das Beste für die Stadt sucht und dann auch umsetzt. Verwaltung ist das Handwerk, das wir brauchen, um die Dinge anzugehen. Führen heißt für mich, Ziele zu definieren, einzufordern und Delegation wirklich zu leben, Wertschätzung und Kollegialität spielen dabei eine wichtige Rolle. Entscheidend sind gemeinsame Ziele, die Ergebnisse hervorbringen, daran werde und will ich gemessen werden.

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Sie sagten einmal, man darf nicht mehr versprechen, als man halten kann. Drei Schlagworte, bei denen Sie sich sicher sind, dass Sie Ihr Versprechen halten können.

Wenn Sie die Menschen nicht enttäuschen wollen, dann müssen Sie das, was Sie skizzieren oder versprechen, auch umsetzen. Daher ist mein erstes Versprechen: voller Einsatz – immer. Für die Stadt und für die Menschen. Zweitens: Ich werde Erster unter Gleichen sein, wenn es darum geht, die Stadtgesellschaft nach vorn zu bringen. Das Wir-Gefühl ist wahnsinnig wichtig, weil wir in Zukunft eben nicht mehr alles mit Geld lösen können, zentral sind daher Engagement und Miteinander. Drittens: Ich werde sagen, wenn ich mich geirrt habe. Es muss möglich sein, gesichtswahrend sagen zu können, das ist nicht so, wie ich es dachte, oder heute weiß ich mehr, eben eine echte Fehlerkultur leben.

Welche Themen werden besonders oft an Sie herangetragen?

Das kommt darauf an, in welchen Gruppen ich unterwegs bin. Was ich beim Chef eines Unternehmens ebenso wie im Gespräch mit Familien höre, sind die Themen Bildung und Betreuung. Es darf nicht sein, dass man hier dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz nicht nachkommt, Fachräume an Schulen geschlossen sind, Zukunftsinvestitionen nicht getätigt werden. Das Thema Sicherheit wird angesprochen, aber auch der Wunsch nach einer Lebendigkeit der Innenstadt. Da spüre ich manchmal fast Resignation. Die Perspektiven der Wirtschaft und die Arbeitsplatzsicherheit werden ebenfalls thematisiert.

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Nehmen wir an, Sie werden in wenigen Wochen zum neuen OB gewählt. Was wäre Ihre erste Amtshandlung?

Ich glaube, es wird darum gehen, die Kollegen im Rathaus abzuholen und einzubinden, denn sie sind der Schlüsselfaktor, dass es mit der Vision der Bürgerinnen- und Bürgerstadt weitergeht. Daher wäre meine erste Amtshandlung eine E-Mail, die mit den Worten beginnt: „Liebe Kolleginnen und Kollegen“. Und das beinhaltet vom Ersten Bürgermeister bis zur Reinigungskraft alle, denn wir sind alle zusammen dem Erfolg dieser Stadt verpflichtet.