Jetzt gilt es. Simon Blümcke steht am Stichtag zwei Minuten nach Mitternacht am Rathaus und wirft seine Bewerbung ein. Früher ging nicht: Seit Ende Juni ist der Posten des Oberbürgermeisters in Friedrichshafen öffentlich und landesweit ausgeschrieben. Jetzt können sich Kandidaten bis zum 2. September bewerben.

Dass sie antreten wollen, haben der Erste Bürgermeister in Ravensburg und der Bürgermeister von Immenstaad schon vorher kundgetan. Simon Blümcke wollte mit seinem nächtlichen Ausflug wohl unbedingt der Erste sein, der offiziell seinen Hut in den Ring wirft. Aber auch Johannes Henne versenkt wenige Stunden später sein Kuvert im Briefkasten der Stadtverwaltung. Beide, sowohl Henne also auch Blümcke, haben ihren ersten öffentlichen Auftritt schon hinter sich.

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Faktor eins: Bekanntgabe der Kandidatur

Die Unterschiede, wie sie ihre Kandidatur bekannt gegeben haben, könnten kaum größer sein. Blümcke verschickte noch vor der Kommunalwahl eine nüchtern formulierte Pressemitteilung. Henne ließ über eine Wahlkampfagentur mitteilen, dass „ein aussichtsreicher Bewerber“ am Moleturm sein Interesse an dem Posten bekannt geben wird. Die Überraschung gelang dem Immenstaader Bürgermeister. Zumal er sich vorher auf Anfrage, ob er kandidieren würde, zurückhaltend geäußert hatte.

Mit einem großen Banner am Moleturm machte Johannes Henne auf seine OB-Kandidatur aufmerksam. Das hätte das Rathaus selbst auf Antrag ...
Mit einem großen Banner am Moleturm machte Johannes Henne auf seine OB-Kandidatur aufmerksam. Das hätte das Rathaus selbst auf Antrag nicht erlaubt. | Bild: Cuko, Katy

Allerdings setzte sich Johannes Henne gleich zu Beginn seines Wahlkampfes über geltende Regeln hinweg. Denn für das riesige Wahlkampfbanner am Moleturm hatte er keine Genehmigung. „In diesem Fall lag uns kein Antrag vor“, erklärt die Häfler Stadtverwaltung auf Anfrage. „Wir hätten eine Wahlwerbung am Moleturm auch nicht genehmigt.“ Man habe den Kandidaten darauf hingewiesen und ihn gebeten, künftig die notwendigen Genehmigungen vorab zu beantragen und einzuholen – auch im Sinne der Gleichbehandlung aller Kandidaten. Ein Ordnungsgeld wurde jedoch nicht verhängt. „Manchmal muss man einfach machen“, hatte Johannes Henne am Fuß des Moleturms schmunzelnd erklärt. Weitere Guerilla-Aktionen seien aber nicht geplant.

Diese Unterschiede im Wahlkampf setzen sich fort, zum Beispiel beim Thema Wahlkampfhilfe. Beide gehen offen damit um, aber verfolgen unterschiedliche Strategien.

Faktor zwei: Finanzierung des Wahlkampfs

Johannes Henne hat beim Online-Portal gofundme eine Spendenkampagne gestartet. Die passe zu seinem Grundverständnis, wie Kommunalpolitik heute funktioniere, „indem wie uns gemeinsam für Veränderung einsetzen“. Die Häfler hätten also die Möglichkeit, „Teil meiner Kampagne und damit eines Aufbruchs für die Stadt zu werden“, so Henne auf Nachfrage.

OB-Kandidat Simon Blümcke im Gespräch vor seiner ersten Wahlkampfveranstaltung.
OB-Kandidat Simon Blümcke im Gespräch vor seiner ersten Wahlkampfveranstaltung. | Bild: Cuko, Katy

Bei einer OB-Wahl rechne man grundsätzlich mit Kosten von 1 Euro je Einwohner. Friedrichshafen hat 64.000 Einwohner. Solche Kosten könne er als junger Familienvater nicht einfach so stemmen. Er werde dennoch einen beachtlichen Teil selbst finanzieren. Seit dem Aufruf vor zwei Wochen steuerten drei Spender insgesamt 850 Euro bei. Da ist noch viel Luft bis zum Spendenziel von 20.000 Euro.

Simon Blümcke hingegen erklärt auch auf seiner Internetseite, dass er Spenden nicht annehme. Gerade in Friedrichshafen und mit den zahlreichen Mandaten des OBs bei Wirtschaftsunternehmen seien Unabhängigkeit und Transparenz noch wichtiger als in anderen Städten. Deshalb bezahle er seinen Wahlkampf komplett selbst. „Nicht weil ich sehr vermögend bin, sondern weil ich aus Erfahrung weiß, dass Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit das höchste Gut sind.“ Dafür verzichte er notfalls auch auf eine zusätzliche Hochglanzbroschüre.

Johannes Henne im Gespräch mit Journalisten am Moleturm, als er seine OB-Kandidatur bekanntgab.
Johannes Henne im Gespräch mit Journalisten am Moleturm, als er seine OB-Kandidatur bekanntgab. | Bild: Cuko, Katy

Faktor drei: Mit oder ohne Bürgermeistermacher

Bleibt die Frage: Nutzen die beiden Kandidaten die Dienste eines sogenannten Bürgermeistermachers? Der hätte ihm wohl davon abgeraten, seine Kandidatur so frühzeitig öffentlich zu machen, antwortet Simon Blümcke. Er habe sich aus tiefer Überzeugung so entschieden, weil „Politik stärker denn je um Vertrauen werben muss – und insgesamt weniger taktieren sollte“. Die wahren Bürgermeistermacher seien für ihn die Wählerinnen und Wähler. Mit seiner Erfahrung brauche er auch keinen PR-Berater.

Johannes Henne hingegen war es wichtig, ein professionelles Umfeld um sich herum zu haben, das ihn unterstützt „und mit mir eine gemeinsame Strategie für meinen Wahlkampf erarbeitet“. Henne hat die Tübinger Agentur Plus x beauftragt, die sich „Agentur für Wahlerfolg“ nennt. Er brauche dieses breit aufgestellte Team auch, weil er noch mit Tatkraft Bürgermeister in Immenstaad sei, sagt Henne.

Worauf liegt im Wahlkampf Ihr größtes Augenmerk?

Faktor vier: Unterstützung der Familie

In einem Punkt ziehen Johannes Henne und Simon Blümcke gleich. Beide können nicht nur auf die Unterstützung ihrer Familie bauen, sondern wissen ihren Ehepartner tatkräftig an ihrer Seite. Das zeigt sich auch auf den Wahlwerbefotos, die beide OB-Kandidaten schon machen ließen.

Johannes Henne mit seiner Frau Emma und den beiden Kindern.
Johannes Henne mit seiner Frau Emma und den beiden Kindern. | Bild: Johannes Henne
Simon Blümcke ist mit Christian Schilling verheiratet.
Simon Blümcke ist mit Christian Schilling verheiratet. | Bild: Blümcke

Und doch wird auch hier die Unterschiedlichkeit beider Bewerber deutlich. Hier der Familienvater mit seiner Frau Emma und den beiden Kindern, die er auch ganz bewusst in den Blick der Öffentlichkeit rückt – so wie auf dem Foto beim Einwurf der Wahlunterunterlagen. Dort der Mann, der aus seiner Homosexualität keinen Hehl macht und sich mit seinem Ehemann Christian Schilling zeigt.