Nach einer mehrmonatigen Pilotphase beschloss der Gemeinderat nach längerer Debatte Ende April, ein E-Sharing-Konzept in Friedrichshafen zu etablieren. Künftig sollen 250 E-Roller und 200 Pedelecs, also Elektrofahrräder, an Einheimische und Gäste verliehen werden, die damit „die letzte Meile“, zum Beispiel eine längere Strecke von der Bushaltestelle zur Arbeit oder nach Hause, bewältigen können.
Doch bereits in der Pilotphase wurde deutlich, dass ein solches Konzept nicht nur Probleme löst, sondern auch welche schafft. Diese Probleme sollen jetzt mit Hilfe einer neuen sogenannten Sondernutzungssatzung gelöst werden, die am 4. Juli im Finanz-und Verwaltungsausschuss vorberaten wird. Am 20. Juli trifft der Gemeinderat die endgültige Entscheidung über die Sharing-Satzung.
1. Problem Verkehrschaos
In den meisten größeren Städten gibt es mehrere Anbieter, die E-Roller und Pedelecs verleihen, teilweise düsen hunderte Menschen damit durch Innenstädte. Fußgänger, Radfahrer, E-Rollerfahrer – das kann schnell unübersichtlich werden, vor allem wenn die Rad- und Fußwege, so wie an den meisten Stellen in Friedrichshafen, nicht voneinander getrennt sind. Das sieht auch die Stadtverwaltung so: „Der öffentliche Raum hält nur begrenzte Kapazitäten für die Nutzung durch Fahrzeugverleihsysteme bereit“, heißt es in der Sitzungsvorlage. Deshalb will die Stadt nur einem Anbieter den Zuschlag geben, der sowohl Pedelecs als auch E-Scooter verleiht. Außerdem ist die Verkehrsflotte limitiert (250 E-Scooter und 200 Pedelecs).
Zudem sollen zwei Zonen eingerichtet werden. Zone 1 ist der Kernstadtbereich, von Cap Rotach bis kurz vor Seemoos. Richtung Norden wird er durch die Maybach- und Ehlerstraße eingegrenzt. Zone 2 umfasst sämtliche Teilorte bis zur jeweiligen Gemarkungsgrenze. In der Kernstadt dürfen maximal 150 E-Scooter und 100 Pedelecs stehen.

2. Problem Parken
E-Roller im Straßengraben, unachtsam irgendwo hingeworfen – das war zu Beginn der Testphase auch in Friedrichshafen ein großes Problem. Gelöst wurde es durch fest zugewiesene Abstellplätze, die wiederum aber dafür sorgten, dass die Roller relativ unflexibel genutzt werden konnten. Künftig soll dieses Thema ebenfalls über Park- und Verbotszonen gelöst werden, die die Stadt vorgibt. Zudem soll der künftige Verleiher sicherstellen, dass außerhalb „der definierten Parkzonen lediglich bis zu maximal vier Fahrzeugen an einem Standort stehen dürfen“. Außerdem sollen „ordnungswidrig oder störend abgestellte Fahrzeuge“ binnen vier Stunden vom Verleiher entfernt werden.
3. Problem Vandalismus
Nicht nur falsch abgestellt, sondern teilweise auch nicht mehr fahrtüchtig, im schlimmsten Fall sogar mutwillig zerstört: E-Sharing-Flotten werden häufig nicht so gut behandelt wie Eigentum. Teilweise ist auch Vandalismus ein Thema. Die Kurzlebigkeit vieler E-Scooter und Pedelecs ist ein Minus in ihrer Ökobilanz. Die Stadt will zumindest dafür sorgen, dass kaputte Roller nicht tagelang irgendwo herumliegen. So müssen „nicht betriebsbereite“ Fahrzeuge ebenfalls binnen vier Stunden weggeräumt werden. „Bei Gefahr in Verzug oder Nichteinhaltung obiger Frist können die Fahrzeuge jederzeit auf Kosten des Anbieters durch die Stadt entfernt werden“, heißt es in der Satzung.
4. Problem Umweltbilanz
Das Urteil des Umweltbundesamts ist ernüchternd: „Elektrische Tretroller, wie sie aktuell in Innenstädten zum Verleih angeboten werden, sind zurzeit kein Gewinn für die Umwelt.“ Der Hauptgrund: Die E-Roller würden nicht statt dem Auto genutzt werden, also als umweltfreundlicher Autoersatz, sondern eher den längeren Fuß- und Fahrradweg ersetzen – auf deutlich umweltschädlichere Weise.
Das zeigte sich auch in Friedrichshafen: Von Mitte August bis Ende Januar wurden 51.476 Fahrten mit den E-Scootern absolviert. Zwei Umfragen ergaben, dass rund ein Viertel der E-Scooter-Fahrten eine Autofahrt ersetzt haben. Zwei Drittel der Fahrten wären allerdings ansonsten zu Fuß bewältigt worden. Weitere 30 Prozent mit dem Fahrrad oder per Bus und Bahn. Dieses Problem kann die Stadt allerdings nicht per Satzung lösen, sondern nur durch attraktive ÖPNV-Angebote und den weiteren Ausbau von Radwegen. Allerdings soll die E-Flotte laut Satzung so umweltfreundlich wie möglich gestaltet sein. Das heißt: austauschbare Akkus, die zu 100 Prozent mit Ökostrom aufgeladen werden.
5. Problem Spaßfaktor statt Nutzfahrzeug
Betrunken auf dem E-Roller, mit 20 Stundenkilometern auf dem E-Scooter durch die Fußgängerzone – dagegen helfen nur engmaschige Kontrollen. Allerdings kann auch eine vielfältige E-Flotte dafür sorgen, dass die Fahrzeuge nicht allein aus Spaß genutzt werden. Die Stadt will deshalb, dass der Anbieter möglichst verschiedene Fahrzeuge anbietet – zum Beispiel auch E-Lastenräder, mit denen sich der Wocheneinkauf machen lässt. Außerdem soll es attraktive Abo-Modelle und Flatrates geben. Was allerdings noch fehlt, um das Angebot komplett zu machen, ist die Möglichkeit, unkompliziert und schnell ein normales Fahrrad zu mieten, beispielsweise am Bahnhof. Solche Mietrad-Systeme gibt es in Städten wie Konstanz seit vielen Jahren.