In Friedrichshafen gibt es unzählige Parkplätze – kein Wunder. Denn in das Wirtschaftszentrum am Bodensee pendeln laut Statistischem Landesamt gut 24.000 Beschäftigte. Wer von denen derzeit tatsächlich kommt – und nicht im Homeoffice sitzt – will meist sein Auto parken: bei der MTU, bei ZF oder Zeppelin. Und auch rund um das Messegelände gibt es riesige Parkflächen für Besucher. Doch geht es nach Räten des Hälfer Bauausschusses, soll sich das ändern.
Einstimmig haben die Fraktionen Anfang der Woche einem Vorschlag der Verwaltung zugestimmt, wonach die Regeln für gewerbliche Stellplätze angepasst werden sollen. In Konsequenz könnte es irgendwann mehr Fläche für Nachverdichtung und auch neue Betriebe in der Stadt geben. Würden bestehende Flächen begrünt, würde dies zudem der starken Flächenversiegelung entgegenwirken, die das Stadtklima negativ beeinträchtigt, wie Experten der Verwaltung bestätigt haben.
Radikale Berechnung für Messe
Bislang wurde bei Handwerks- und Industriebetrieben ein Stellplatz pro 60 Quadratmeter Nutzfläche angesetzt – oder einer je drei Beschäftigte. Künftig soll ein Stellplatz pro 70 Quadratmeter zugrunde gelegt werden, die Kalkulation pro drei Mitarbeiter soll bestehen bleiben.
Besonders drastisch würde die neue Berechnung die Messe treffen: Bislang gilt als Richtwert ein Stellplatz pro zehn Quadratmeter Ausstellungsfläche. Künftig soll eine Referenz von einem Stellplatz pro 80 bis 100 Quadratmeter gelten – und damit eine drastische Reduzierung der bisherigen Plätze. Allerdings: Rückwirkend wird die Regel nicht angewandt, erzwingen kann die Stadt bislang noch nichts.

Bei den Räten im Bauausschuss traf der Vorschlag für die Neuberechnung auf breite Zustimmung und mündete in einem einstimmigen Beschluss für die Idee. Felix Bohnacker von den Grünen plädierte: „Wir müssen mit Unternehmen in Dialog gehen – und für die Neuberechnung werben.“ Parteikollegin Regine Ankermann forderte: „Städtische Beteiligungsunternehmen kann man offensiv darauf aufmerksam machen.“
Rolls-Royce baut derzeit Parkplatz
Tatsächlich muss die Stadt örtliche Betriebe zunächst überzeugen, dass weniger Parkplätze eine gute Idee sind. Rolls-Royce baut derzeit einen neuen Parkplatz hinter seinem Werk 1, unweit eines Parkhauses, das sich das Unternehmen mit Zeppelin teilt. Dabei liegt die Auslastung der Garage nach Angaben einer Zeppelin-Sprecherin derzeit bei gerade einmal 50 Prozent.
Der Grund für die geringere Auslastung liegt auf der Hand: Seit der Corona-Pandemie arbeiten viele Beschäftigte von zuhause aus. Klar ist aber auch, dass die Verantwortlichen in den Unternehmen noch nicht wissen, ob und wann die Angestellten doch noch zurückkehren. Ein schnelles Umwidmen von Parkplätzen dürfte daher eher unwahrscheinlich sein.
Ein Sprecher der ZF schreibt auf Nachfrage: „Wir werden nun prüfen, welche Auswirkungen die neue Stellplatzsatzung auf ZF hat, damit wir deren Erfordernisse in Einklang mit den Mobilitätsbedürfnissen unserer Beschäftigten bringen können.“ Er verweist auch darauf, dass das Unternehmen schon jetzt alternative Angebote zum Auto mache, etwa Fahrradleasing und die finanzielle Unterstützung von Nahverkehrstickets. Er schließt: „Ergänzend bieten wir einen ganztägigen Zubringerdienst aus allen Werken zum Bahnhof Friedrichshafen an.“

„Kein Vorteil“, findet die Messe
Bei der Messe Friedrichshafen sieht man den Vorschlag der Stadt kritisch. Sprecher Frank Gauß schreibt auf Anfrage: „Aus aktueller Mobilitätssicht sehen wir absehbar keinen Vorteil bei der Reduzierung des Bemessungsschlüssels.“ Die tatsächliche Nutzungszahl zur Durchführung von Veranstaltungen liege bereits deutlich über der baurechtlich festgelegten Stellplatzzahl. Diese Betrachtung schließe auch den Zusatzparkplatz / P7, der etwas entfernt des Geländes liegt, sowie Parkplätze der ansässigen Industrie mit ein.
Dennoch will die Stadtverwaltung – sofern der Gemeinderat auch zustimmt – für die Idee werben. Für Pendler könnten Alternativen entstehen. In der Vorlagen der Ausschusssitzung ist zu lesen, dass die Verwaltung „konzeptionelle Gesamtüberlegungen für künftige Mobilitätsangebote in Abstimmung mit der Stadtverkehr GmbH“ anstellen will. Konkret heißt das: Busse und Bahnen sollen sperrige Autos ersetzen. Trotz aller Planungen und Ideen dürfte es letztlich vor allem an einer Personengruppe liegen, ob das Vorhaben gelingt: den Beschäftigten in den Betrieben.