Dass die Vorschläge der Jugendlichen heute im Klimaschutz- und Anpassungskonzept der Stadt Friedrichshafen stehen, verbucht Tabea Kuhlmann als Erfolg. Dazu gehört der Bau von Photovoltaikanlagen auf Parkhausdächern, die Nutzung von Nahwärme und die Stadtbegrünung. „Darauf bin ich wirklich stolz“, sagt sie. Als Vorsitzende des Jugendparlaments hat sie wochenlang mit anderen Jugendlichen, der Fridays-for-Future-Bewegung und Vertretern der Stadt in Gesprächen, Workshops und einer Klausurtagung darauf hingearbeitet.
Sie hat dabei viel über komplexe Problemlagen in der Politik gelernt: „Was ist gut für das Stadtklima? Verdichten wir in der Stadt, ist es für das Stadtklima schlecht, bauen wir draußen, treiben wir die Versiegelung der Landschaft voran. Das sind Dilemmas, von denen wir in der Schule nichts mitbekommen“, sagt sie.
Zur Person und zur Serie
Ihr Interesse an Politik wurde in Südafrika geweckt. Die zehnte Klasse absolvierte Kuhlmann auf einer Schule in Kapstadt und wohnte bei ihrer Patentante. „Ich habe dort gesehen, was passiert, wenn Staat und Politik nicht gut funktionieren“, sagt die 19-Jährige. Wegen der Wasserkrise in Kapstadt mussten alle Bürger Wasser sparen, Landwirte verloren ihre Existenz, Menschen standen in langen Schlangen mit Wasserkanistern vor Quellen. Die Angst vor dem „Day Zero“ wuchs – dem Tag, an dem Kapstadt das Wasser ausgeht.
„Meine Tante und ihr Mann sind Professoren und forschen zu Ökologie und Klima. Sie haben mir erklärt, dass die Wahrscheinlichkeit einer solchen Dürre durch die Klimakrise dreimal erhöht ist“, sagt Tabea Kuhlmann. Statt sich mit Klimaschutz und Strategien der Wassergewinnung durch mehr Staudämme oder Meerwasserentsalzung zu befassen, habe die Politik jedoch Machtkämpfe betrieben. „Das hat mich politisiert“, sagt sie.
Zurück in Friedrichshafen interviewte sie auf dem ersten Schülerklimagipfel den Landrat zu Klimazielen der Region. Auf Demonstration von Fridays for Future trat sie mit Gedichten zur Klimakrise auf. Im Jugendparlament arbeitete sie zunächst als Freiwillige mit und wurde dann in den Vorstand gewählt. „Ich fand das aufregend: Ich konnte am Kultur- und Sozialausschuss teilnehmen, durfte die Sitzungsunterlagen anschauen und hatte Rederecht.“

Einige Themen gingen sie direkt an, die Mensaumfrage etwa oder die Gestaltung der Pausenhöfe. Im Dezember 2019 wurde sie dann Vorsitzende des Gremiums, zusammen mit Max Kuschel. „Es hat Spaß gemacht. Wir hatten ein tolles Team, waren total motiviert, haben Anträge vorbereitet und uns mit Vertretern der Stadt getroffen“, sagt sie.
Aber dann kam Corona
Sie hatten viel vor: Kinoabende, Workshops, ein Poetry Slam waren schon vorbereitet. Aber dann kam Corona. „Wir haben versucht, weiterzumachen, aber das hat sich schwierig gestaltet“, sagt sie. Die Themen brachen weg und die Ansprechpartner bei der Stadt wechselten. Ihr Co-Vorsitzender trat im Herbst zurück, zwei weitere Vorstandsmitglieder hörten ebenfalls auf und konnten online nicht ersetzt werden. Zu den digitalen Treffen kamen nicht mehr viele Teilnehmer. „Ich verstehe das schon. Die Jugendlichen hatten es satt, nach einem Online-Schultag schon wieder vor dem Bildschirm zu sitzen. Das Jugendparlament lebt auch von der persönlichen Begegnung“, sagt sie.
Sie versuchte es weiter, organisierte Online-Treffen, ging in Ausschüsse und setzte sich mit dem Nothaushalt auseinander. „Wir haben es noch geschafft, im Herbst die Wahlen durchzuziehen, je zwei Vertreter von jeder Schule werden ins Jugendparlament gewählt“, sagt sie. Aber die Motivation ihrer Mitstreiter erlahmte und im März trat auch Tabea Kuhlmann zurück. „Mir ging es nicht mehr gut damit, ich hatte ohne diesen Kontakt nicht mehr das Gefühl, ausreichend legitimiert zu sein“, sagt sie. Sie konzentrierte sich auf ihr Abitur und organisierte den Abiball am KMG.
„Wir haben lange genug die Augen vor allen möglichen Dingen verschlossen.“Tabea Kuhlmann, 19 Jahre
Jetzt hofft die 19-Jährige auf einen Neustart des Jugendparlaments mit den Wahlen im Herbst. Ihr Rat an ihren Nachfolger: „Trau dich, Missstände auszusprechen. Trau dich, in Ausschüssen zu sagen, was du denkst.“ Ihrer Erfahrung nach schätzen die Gemeinderäte quer durch alle Fraktionen das Engagement der Jugendlichen, hören ihnen zu und unterstützen sie. „Das hat mich bereichert und mir Mut gemacht.“ Außerdem sei es wichtig, eine gute Teamkultur mit Vertrauen und Offenheit zu schaffen. Sie würde Aufgaben wie Arbeitskreisleitung, Kommunikation mit der Stadt oder Pressearbeit von Anfang an klar verteilen, um die Überlastung einzelner zu vermeiden. „Man muss auch auf sich selbst aufpassen. Wenn es keinen Spaß mehr macht, muss man etwas ändern.“

Thematisch sieht sie weiter den Klimaschutz ganz oben auf der Aufgabenliste für Jugend und Verwaltung. „Das Klimakonzept steht, aber wir brauchen die Stellen und die Leute, die das wirklich umsetzen“, sagt sie. Nicht nur wegen der Pandemie sollte die Digitalisierung weiter vorangetrieben werden. Außerdem sollte sich die Infrastruktur für Jugendliche verbessern: „Wir haben schon mal an ein Café von Jugendlichen für Jugendliche gedacht.“ Dafür wünscht sie sich eine weitere Stärkung der Jugendbeteiligung durch niederschwellige Angebote, kontinuierliche Ansprechpartner bei der Stadt und vielleicht sogar ein Kinderparlament.
Sie selbst wird dann schon Jura studieren, in München oder Heidelberg und mit Schwerpunkt Völkerrecht und internationale Beziehungen. Ihr Ziel ist es, in einer internationalen Organisation zu arbeiten. Von den Menschen, die ihr begegnen werden, wünscht sie sich vor allem offene Augen und Ohren. „Wir haben lange genug die Augen vor allen möglichen Dingen verschlossen“, sagt sie. Neben dem Klima fallen ihr gleich die ungenügende Vorbereitung auf die Pandemie ein, aber auch die Rolle Europas in einer sich schnell ändernden Welt. Politisch engagieren wird sie sich auch in Zukunft. „Ich möchte nicht nur danebenstehen, sondern mitgestalten“, sagt sie.