Im Vergleich zum Landkreis Sigmaringen, wo es bereits mehrere Anlagen gibt, ist der Bodenseekreis noch Niemandsland, wenn es um das Thema Fotovoltaik auf Freiflächen geht. Das könnte sich jetzt ändern, wenn Heiligenberg dem Antrag eines Betreibers zustimmt, eine solche Anlage auf der Gemarkung Rickerstreute zu bauen. Die geplanten zehn Megawatt-Peak (MWp) würden ausreichen, um etwa 6000 Privatpersonen mit Strom zu versorgen. Allerdings müsste dafür eine Fläche von zehn bis zwölf Hektar mit Solarmodulen auf Ständern überbaut werden.
Regionalverband sieht in Fotovoltaik die Zukunft
In der jüngsten Gemeinderatsitzung ging es zwar nur um eine Vorinformation, aber die Gemeinderäte machten deutlich, dass sie das Vorhaben nicht einfach absegnen möchte. Verbandsdirektor Wilfried Franke vom Regionalverband Bodensee-Oberschwaben sah sich „hin und her gerissen, weil die Kapazitäten auf den Dächern nicht reichen“, und machte deutlich: „Fotovoltaik ist die große Zukunft.“
Schafe könnten die Fläche abgrasen
Ein Biolandwirt möchte bei Rickertsreute ein Solarfeld errichten, für das er etwa 20 bis 35 Prozent seiner Betriebsfläche benötigt. Es würden rund 100 Quadratmeter Fläche versiegelt, da die Solarmodule auf Ständer montiert werden und acht Trafostationen errichtet werden müssen. Mit Schafen könnte man das Gelände bewirtschaften, sagt der Landwirt, oder man würde ein- bis zweimal im Jahr mulchen und das gemulchte Grüngut zur Humusbildung auf der Fläche belassen.
Betreiber rechnet mit Nutzungsdauer von 30 Jahren
Der zukünftige Betreiber rechnet mit einer Nutzungsdauer von rund 30 Jahren. Danach könnte man die komplette Anlage abbauen und die Fläche wieder landwirtschaftlich nutzen. Diese befindet sich in landwirtschaftlich benachteiligtem Gebiet und dürfte völlig rechtskonform für einen Solarpark genutzt werden, wie Wilfried Franke deutlich machte. Rickerstreute liegt auch nicht innerhalb eines vom Regionalverband festgelegten regionalen Grünzugs, in dem eine Fotovoltaikanlage ausgeschlossen wäre. „Die Entscheidung, ob sie die Anlage haben wollen oder nicht, liegt allein bei der Gemeinde“, stellte Franke fest.
Gemeinderat sorgt sich, Präzedenzfall zu schaffen
Hier wurde im Gemeinderat die Sorge laut, einen Präzedenzfall zu schaffen. Bürgermeister Frank Amann sagte: „Was tun wir beim nächsten Antragsteller? Müssen wir ihm dann auch eine Genehmigung erteilen?“ Hier konnte Franke beruhigen. Man müsse jedes Vorhaben einzeln betrachten. Ein Regionalplan Erneuerbare Energien werde kommen, aber bislang sei noch alles offen. Wichtig sei, dass das Landschaftsbild nicht beeinträchtigt werde. Das sei beim geplanten Vorhaben wohl kein Problem.
Pläne für Windkraftanlage auf der Fläche scheiterten
Hubert Nadler (CDU) sprach sich gegen die Anlage aus. „Die Energie soll auf den Dächern erzeugt werden, wir können doch die Erde nicht zupflastern.“ Franke machte deutlich, dass das Land noch weit davon entfernt sei, seine Klimaschutzziele zu erreichen. Das hänge auch mit dem Stillstand beim Ausbau der Windkraft zusammen. Ursprünglich waren auch Windkraftanlagen in Rickertsreute geplant, auf derselben Fläche, wo jetzt Sonnenstrom erzeugt werden soll. Doch das Vorhaben scheiterte.
Heiligenberg dank Biogasanlagen enegieautark
Derzeit werde in Heiligenberg mehr Strom erzeugt als verbraucht, unter anderem durch Biogasanlagen. Man sei also energieautark. Landwirt Peter Apfelstädt (Bürgerliste) erklärte, er finde die Ausweitung von Biogasanlagen mancherorts wegen des großflächigen Maisanbaus bedenklich. „Im Allgäu ist das echt krass“, sagte er. Dominik Sonntag (CDU), der eine Biogasanlage betreibt, machte auf deren Vorteile aufmerksam. Die Anlagen seien, anders als Sonnenstrom, grundlastfähig, stellten also dauerhaft und zuverlässig Energie zur Verfügung.
Gemeinderat will am 21. Juli entscheiden
Bereits im Juni hatte der Gemeinderat den geplanten Standort besichtigt und einen umfangreichen Fragekatalog aufgestellt, der vom Projektentwickler detailliert beantwortet wurde. In der Gemeinderatssitzung am 21. Juli soll entschieden werden, ob man das Änderungsverfahren zum Flächennutzungsplan einleiten will.
Fakten zur Anlage
- Die Anlage darf eine Kapazität von 100 Megawatt-Peak haben. Mehr ist auf Acker- und Grünland vom Gesetzgeber nicht erlaubt.
- Schöpft man diese Leistung aus, ergibt sich bei einer Laufzeit von 30 Jahren eine prognostizierte CO²-Einsparung von 317 625 Tonnen.
- Der Flächenbedarf liegt bei zehn bis zwölf Hektar. Die Flächenversiegelung durch technische Anlagen entspricht etwa acht Autostellplätzen. Das gesamte Areal mit einem Zaun eingefasst werden, der von Niederwild wie Fuchs und Hase problemlos passierbar sein soll.
- Die Vegetation unter den Modultischen wird von Halbschattengewächsen wie Gras-, Blumen- und Kräuterarten bestimmt sein. Da die Fläche nicht gedüngt wird, soll sich die Stickstoff- und Nitratbelastung im Boden reduzieren, was dem Gewässer- und Bodenschutz zugute komme.
- Es steht kein Stromkonzern als Investor hinter dem Vorhaben.
- Obwohl ein Landwirt die Anlage bauen will, gilt das Vorhaben nicht als privilegiert. Es sind also dieselben Vorgaben einzuhalten wie bei Nichtlandwirten.
- Eine Freifächensolaranlage unterliegt der Gewerbesteuer.