Wenn ein Fasnet-Urgestein wie Brigitte Kohler die These aufstellt, im Erbgut vieler Immenstaader gebe es ein ganz spezielles Fasnetsgen, könnte man das fast glauben. Dafür sprechen auch hunderte historische und aktuelle Bilder, die derzeit im Rathaus ausgestellt sind. Sie zeigen eine Fasnet, die am See zumindest eine Sonderstellung einnimmt. Es gibt sie auch schon länger als anderswo: Vor 170 Jahren wurde in Immenstaad das erste Fasnetsspiel aufgeführt. Den Geburtstag feiern die Hennenschlitter am 23. Februar mit einem großen Umzug, der um 15 Uhr beginnt, und anschließend mit einem Fest in der Linzgauhalle.
Erstes Fasnetsspiel spiegelte Revolutionsgeist
„Die Immenstaader Fasnetsspiele waren immer auch politisch geprägt“, erklärt Narrenvater Wolfgang „Hoss“ Haas. Das erste seiner Art fand am Fasnetsdienstag 1849 statt und spiegelte den Revolutionsgeist der damaligen Zeit. Johann Baptist Einhard brachte es mit ledigen Burschen auf die Bühne. Weil im Stück heftig gegen die deutschen Fürsten gewettert wurde, gab es anschließend eine amtliche Untersuchung. Einhard entzog sich durch Flucht nach Amerika.
Nach dem Fasnetsspiel Umzug durch "Narrenstadt"
Ein mehrere Kilo schweres handgeschriebenes Buch dokumentiert die Fasnetsgeschichte ab 1905 bis ins Detail. So ist darin zu erfahren, dass die ersten Fasnetsspiele im Freien vor dem damaligen Rathaus, dem heutigen Bürgerhaus, stattfanden. 1906 etwa seien 21 Gruppen auf der Bühne aufgetreten und anschließend in einem Umzug durch „sämtliche Straßen der Narrenstadt“ gezogen. Nach dem Umzug habe es „Verbelustigung“ in den Gasthäusern "Schiff" und "Adler" gegeben. 1935 fand das letzte Fasnetsspiel vor dem Zweiten Weltkrieg statt.

1950 wurde der frühere Narrenverein als Narrengesellschaft wieder gegründet und bald gab es auch wieder Fasnetsspiele. An viele Aufführung auf der Bühne beim Gasthaus "Schiff" erinnern sich Brigitte Kohler, Bruni Brecht, Hansjörg Holderried und Hermann Langenstein noch gut. Alle sind Ehrenmitglieder der Hennenschlitter und teilweise schon seit mehr als 60 Jahren in der Immenstaader Fasnet aktiv. „Die ganze Gemeinde war schon lange vor dem Spiel mit den Vorbereitungen beschäftigt“, erzählt Hermann Langenstein, „fast jede Gruppe hat jedes Jahr auch einen neuen Wagen für den Umzug gebaut.“
Bis zu 3000 Besucher vor der Bühne
Hansjörg Holderried hat ab Mitte der 1950er Jahre häufig das Geschehen in der Fasnetshochburg mit der Filmkamera festgehalten. „Der Andrang von Auswärtigen zum Fasnetsspiel war immer hoch“, berichtet er, „1956 zum Beispiel kamen etwa 3000 Besucher, teilweise mit Sonderschiffen von Konstanz und Friedrichshafen. Vor der Bühne stand Mensch an Mensch dicht gedrängt." Außer in Immenstaad und Markdorf habe es damals keine Fasnetsspiele in der Region gegeben.

Bruni Brecht und Brigitte Kohler erinnern sich gerne an die Zeit, in der sich die Frauen am Fasnetssonntag, Montag und Dienstag als Mäschkerle aufwendig verkleideten – sodass sie nicht mehr zu erkennen waren: „Da haben wir dann die Männer an der Nase rumgeführt. Die haben dann gerätselt, wer das wohl war." Sogar ihre Stimmen und den Gang hätten die Mäschkerle verändert, um ja nicht erkannt zu werden, sagt Kohler.
Anni Weißenberger gibt "Hennensuppe" ihren Namen

Ab den 1960ern fanden die Fasnetsspiele im "Adler"-Saal statt, ab 1973 in der neu erbauten Linzgauhalle. Der heutige Name „Hennensuppe“ leite sich von einer Tradition ab, die Anni Weißenberger begründete, berichten die Urgesteine der Fasnet. Immer als erste Nummer des Abends sei sie mit einem großen Suppenkessel auf der Bühne aufgetreten.
Der Schmotzige Dunschtig ist in Immenstaad traditionell der wichtigste Fasnetstag für die Einheimischen. Bei der Prinzenhochzeit treten viele Gratulanten-Gruppen auf. „Da wurden auch immer viele Pfeile in Richtung Bürgermeister abgeschossen“, erzählt Hansjörg Holderried. Dass man anschließend im Winzerkär feiert, ist ebenfalls Fasnetstradition. Bis in die 1970er Jahre galt jedoch: „Um 14 Uhr war im Kär Schluss. Man ist in die Wirtschaften gezogen oder hat im privaten Rahmen weiter gefeiert.“
Ausstellung
„Die Fünfte Jahreszeit von de Henneschlitter-Fasnet“ nennt Bärbel Härle-Schultheiss ihre mit Unterstützern zusammengestellte Ausstellung mit mehr als 700 Fotos. Viele hat sie in den Chroniken der Narrengesellschaft aufgestöbert und abfotografiert, etliche selbst aufgenommen. Außerdem werden von Bärbel Härle und Friedbert "Fibi" Schultheiss hergestellte Puppen gezeigt, die fast alle Maskengruppen der Hennenschlitter repräsentieren. Die Ausstellung ist bis Ende Mai während der Öffnungszeiten des Rathauses zu sehen. Jeden Mittwoch von 11 bis 12 Uhr ist Bärbel Härle-Schultheiss in der Ausstellung anzutreffen.