Im September 2015 reisten so viele Flüchtlinge nach Deutschland ein, wie es in dieser Konzentration zuvor noch nie der Fall war. Im Zuge dessen waren auch die Behörden gefordert, ausreichend Platz für die Menschen zu schaffen. Wie ist die Situation drei Jahre später? Der SÜDKURIER hat sich bei den Beteiligten umgehört.

700 in Kreis-Unterkünften

In den Gemeinschaftsunterkünften seien derzeit rund 700 Personen an 29 Standorten untergebracht, erklärt Robert Schwarz, der Pressesprecher des Bodenseekreises. „Etwa 80 Personen davon sind eigentlich auszugsberechtigt, können aber in der Regel wegen fehlender Unterkunftsmöglichkeiten in den Gemeinden nicht rechtzeitig ausziehen“, so Schwarz, der klarstellt: „Damit wird auch deutlich, wo aktuell eine der Herausforderungen liegt.“

Die Aufgabe, den Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben, habe sich erwartungsgemäß auf die Städte und Gemeinden verlagert. In der Verwaltung des Landkreises liege die Herausforderung schon seit einigen Monaten primär darin, die neuen Mitmenschen „in die Leistungssysteme“ zu integrieren.

Zu drei Vierteln ausgelastet

Was heißt das? Es geht darum, möglichst jeder Person einen Arbeitsplatz zu verschaffen und die Integration in die Gesellschaft zu begleiten. Beispielsweise durch Schule und Sprachkurse. „All dies braucht Ressourcen in der Verwaltung“, führt Schwarz an. Diese müssten immer wieder organisiert und angepasst werden. Aber: „Dramatisch ist die Lage keineswegs.“

Die aktuelle Auslastung der Gemeinschaftsunterkünfte liege bei etwa dreiviertel. „Wir fahren daher die Platzzahl kontinuierlich zurück, indem wir Unterkünfte aufgeben, bei denen dies sinnvoll oder vertraglich möglich ist“, sagt Schwarz.

Markdorf ein Positiv-Beispiel

Die Stadt Markdorf sticht positiv heraus. Im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen werden hier ausreichend Plätze in Anschlussunterbringungen bereitgestellt. Die Stadt setzt auf dezentrale Unterkünfte.

Ordnungsamtsleiter Jürgen Hess betont, dass die Stadt die Vorgaben auch in diesem Jahr wieder erfüllt. „Jedes Jahr aufs Neue müssen wir neue Menschen aufnehmen und dieser Verpflichtung versuchen wir nachzukommen“, so der Amtsleiter. Bislang gelingt dies ausnahmslos. „Die große Welle kam im Jahr 2015, inzwischen hat sich die Lage für uns beruhigt“, sagt Hess.

Der zu diesem Zweck gekaufte oder gemietete Wohnraum werde allerdings nach wie vor benötigt. „Manche Familien ziehen nach einer gewissen Zeit, wenn sie zum Beispiel über eigenes Einkommen verfügen, in eine eigene Wohnung, aber dafür kommen andere nach.“ Der momentane Bestand an Wohnraum werde also vorerst gehalten.

Ehrenamtliche nach wie vor engagiert

Das Team des Mehrgenerationenhauses (MGH) in Markdorf bietet Deutsch- und Integrationskurse an, unterstützt darüber hinaus den Freundeskreis Flucht und Asyl. Renate Hold von der MGH-Leitung hat die Flüchtlinge so kennengelernt: "Sie sind sehr lernwillig, was die Sprache betrifft und wollen unbedingt in Arbeit kommen."

Alle Sprachkurse komplett belegt

Sämtliche Sprachkurse im MGH seien restlos belegt. Von einer sinkenden Nachfrage sei dort keine Spur. "Jetzt geht die Arbeit erst richtig los", so Hold, "die Sprache zu beherrschen, öffnet den Zugang zu allem". Ohne diese seien keine Begegnungen möglich.

"Es fehlen allerdings Sprachkurse mit Kinderbetreuung", wird Hold deutlich. Die Kinder würden Deutsch relativ leicht erlernen. "Aber an die Mütter denkt niemand, diese sind am Ende vollkommen isoliert". Auch die Angebote des Freundeskreis Flucht Asyl, wie etwa Kleider-, Möbel- und PC-Kreisel sind gleichbleibend stark gefragt. "Die Ehrenamtlichen könnten jeden Tag ihre Runden fahren, ich muss sie manchmal sogar bremsen."

So funtkioniert die dreistufige Unterbringungsregelung

In Deutschland eintreffende Asylsuchende werden nach einem festgesetzten Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Dann gilt eine dreistufige Unterbringungsregelung.

  1. Landeserstaufnahmeeinrichtung: Sie sind die erste Anlaufstelle für Asylsuchende. Dort stellen sie auch ihren Asylantrag in einer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.
  2. Gemeinschaftsunterkunft: Die Flüchtlinge werden nach der Erstaufnahme in die Landkreise verteilt. Gemessen an der jeweiligen Bevölerungszahl muss jeder Landkreis anteilig eine bestimmte Zahl an Menschen aufnehmen.
  3. Anschlussunterbringung: Auf Dauer bleibeberechtigte Asylsuchende und Kontingentflüchtlinge dürfen ihren Wohnsitz in Deutschland frei wählen. Finden sie jedoch keine Wohnung, kommen sie in einer Anschlussunterbringung unter. Für diese sind die Kommunen zuständig. (che)