An der Jakob-Gretser-Grundschule rumort es. Grund: Die vom Gemeinderat gewünschte Auflösung der Doppelstruktur der Betreuungsformen (Ganztagesschule und Hort). Nachdem sich die Stadträte in der jüngsten Gemeinderatssitzung erneut für die komplette Auflösung ausgesprochen haben, melden sich die Elternvertreterinnen des Hortes, Manuela Gutermann und Jutta Künzner, zu Wort.
Sie möchten die Sicht der Eltern schildern, die sich bei ihnen gemeldet haben. "Es geht nicht darum, jeder Familie flexibel zu begegnen, sondern die Betreuung an der Schule so aufzustellen, dass diese so viel wie nötig und so wenig wie möglich in Anspruch genommen werden kann", sagt Gutermann, Mutter von zwei Grundschulkindern.
Wahrnehmung der Sorgepflicht
In der ganzen Diskussion komme ihenen die Betrachtung der Situation der Kinder zu kurz. "Die Eltern wollen ihre elterliche Sorgepflicht, die im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist, wahrnehmen wann immer es ihre Berufstätigkeit zulässt, aber die Schulpflicht in der Ganztagesbetreuung gibt uns keinen Handlungsspielraum", so Gutermann, die darin das große Manko sieht. Während der Hort ein städtisches Angebot ist und somit keine Schulpflicht besteht, muss das Kind an der Ganztagesbetreuung – ein Angebot der Schule – verbindlich teilnehmen.

Eine Arbeitsgruppe, der auch Künzner und Gutermann angehören, hatte ein Konzept erarbeitet, wie das schulische und städtische Angebot nebeneinander funktionieren kann. Die Verwaltung hatte den Gemeinderat darüber in Kenntnis gesetzt, die kostenlose Ganztagesschule statt wie bisher bis 16 Uhr nur noch bis 15 Uhr anzubieten.
Alle weiteren Betreuungsangebote darüber hinaus sollten kostenpflichtig sein und von der Stadt gestellt werden. In einem Zeitkorridor zwischen 13.30 Uhr und 15 Uhr sollte es weiterhin ein städtisches und schulisches Angebot geben. Die Stadträte unterstützten diesen Vorschlag nicht, eine Entscheidung soll in einer der nächsten Sitzungen getroffen werden.
Inhaltliches Konzept fehlt
"Wir verstehen nicht, warum ein Angebot, das sich bewährt hat und sich stetig weiter entwickelt, bei den Kindern beliebt ist und bei dem das Betreuungspersonal als Team funktioniert, partout abgeschafft werden soll. Und warum ausgerechnet gleich schon bis zum nächsten Schuljahr", so Künzner, die dies als "Schnellschuss-Charakter" bezeichnet.
Den Elternvertreterinnen liege bislang kein inhaltliches Konzept vor, wie die Betreuung im kommenden Schuljahr aussehen soll. "Keiner weiß, wie diese ausgestaltet wird und welche Qualitätskriterien oder welche Indikatoren zur Messung definiert werden. Die Stadtverwaltung verspricht eine Qualitätsoffensive in einem Ressort, für das die Schule zuständig ist", sagt Manuela Gutermann.
Den Hort empfinden viele Schüler als Rückzugsort, haben bei den Erziehern feste Ansprechpartner und am Nachmittag zwei Angebote, die täglich wechseln, sowie die Möglichkeit zum Freispiel. Sorge bereitet einigen Eltern die Tatsache, dass Kinder, die von 7 Uhr bis 17 Uhr an der Schule sind, über den Tag und die Woche verteilt in unterschiedlichen Gruppen mit wechselnden Betreuern untergebracht sind. Stand heute sollen keine reinen Ganztagesklassen gebildet werden, die eine Rhythmisierung des Unterrichts von 8 bis 15 Uhr ermöglichen würden.
Lebenswirklichkeit einer Familie
Eine Wahl haben die Eltern nicht – in der Kernstadt Markdorf gibt es nur eine Grundschule – und da sollte laut den Müttern das Angebot zur Lebenswirklichkeit einer Familie passen. "Es gibt bestimmt Eltern, die mit Abschaffung des Hortes leben können, aber das sind nicht alle", so Jutta Künzner. Auch gibt sie zu beachten, dass nicht alle Kinder "Stromschimmer" seien und manche mehr Rückzugsmöglichkeiten brauchen, als im Ganztagesbereich gegeben.
Künzner und Gutermann werden den Standpunkt der Stadträte weitergeben und sind für weitere Gespräche bereit. "Die Eltern, für die das Angebot nicht passt, haben dann entweder keine Betreuungsmöglichkeit oder eine Zwangsbetreuung", meint Künzner. Auch die Landesregierung spreche sich laut Manuela Gutermann gegen eine "staatliche Zwangsbeglückung aller Familien" aus und möchte im Juni ein Konzept mit Qualitätskriterien präsentieren. Die Elternvertreterinnen führen weiter an, dass im Sinne einer Chancengleichheit das Gebührenmodell umgestellt werden könnte, hin zu einer Staffelung in Abhängigkeit der jeweiligen Einkommenssituation.
Grundschule in der Bringschuld
Ein weiteres Treffen der Arbeitsgruppe ist für kommende Woche terminiert. Manuela Gutermann fasst die Wünsche der Eltern wie folgt zusammen. Neben der Ganztagesbetreuung soll es ein zweites Standbein geben, das flexibel genutzt werden kann, für das keine Schulpflicht besteht und in dem der Freizeitwert nicht zu kurz kommt. "Wir wünschen uns eine Pädagogik, in der auf die individuellen Bedürfnisse eines Kindes eingegangen wird, die abgekoppelt ist von Leistung und die soziales und emotionales Lernen in den Vordergrund stellt."
Des Weiteren gehe es um die Qualität, die bislang noch niemand definiert habe, aber binnen weniger als zwei Monaten konzeptionell erarbeitet werden sein soll. Und um die Frage, wer diese kontrolliere. Hier sollten dringend handfeste Indikatoren festgelegt werden. Sie sehen die Bringschuld und die Vorleistung bei der Schule. "Wenn der Ganztag wirklich so toll wird, wird sich der Hort von ganz alleine erledigen", so Jutta Künzner.
Betreuung
Die verbindliche Ganztagesschule findet an vier Nachmittagen inklusive Mittagspause, Essenbetreuung, Hausaufgabenbetreuung und Arbeitsgemeinschaften statt. Dieses kostenfreie Angebot ist verbindlich. Des Weiteren gibt es die zusätzliche Betreuung (Hort) an fünf Nachmittagen. Das städtische Angebot ist flexibel und kostenpflichtig. Dazu gehört auch eine Ferienbetreuung an bis zu 35 Ferientagen im Jahr. (shn)