Niemand freut sich, wenn Verkehrsunternehmen ihre Fahrpreise erhöhen. Selbst die Geschäftsleitungen der betreffenden Betriebe lassen dann ihr Bedauern durchblicken. So wie Jürgen Löffler, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Bodensee-Oberschwaben (Bodo), der jüngst in einem Gespräch mit dieser Zeitung erklärte, warum sich sein Unternehmen zu Tariferhöhungen von durchschnittlich 3,8 Prozent zum 1. Januar 2020 gezwungen sieht. Die Kosten für Personal, Treibstoff und auch die Fahrzeuge seien deutlich angestiegen.
Nicht nur keine Freude, sondern Befremden und Unmut hat die angekündigte Entgeltanhebung unterdessen bei etlichen Abokunden des Verkehrsverbunds ausgelöst. Jutta Winckler, Ärztin aus Markdorf, die täglich mit der Bahn zu ihrer Praxis in Singen fährt, hat ihrem Unmut nun Ausdruck in einem Brief an die Bodo-Geschäftsleitung Ausdruck verliehen. Sie schreibt, dass sie in Anbetracht der vielen Zugausfälle in den vergangenen Monaten, der häufigen Verspätungen und mit Blick auf die den Berufspendlern dadurch entstandenen Mehr- und Zusatzkosten eher mit einem finanziellen Ausgleich für solche Unannehmlichkeiten gerechnet habe.
Preiserhöhung ist aus Sicht von Bahnfahrerin Jutta Winckler ein „Unding“
„Stattdessen gibt es eine Tariferhöhung“, so Jutta Winckler im Gespräch, „die nicht nur einen ganzen Prozentpunkt über der vom letzten Jahr liegt, sondern obendrein auch noch höher liegt als die Inflationsrate.“ Solch ein Signal an die Bahn-Kunden auszusenden, sei für sie ein „Unding“.
Jutta Winckler steht mit dieser Ansicht keineswegs alleine da. „Frühmorgens“, in Markdorf steigt die Ärztin kurz vor sechs in den Zug nach Radolfzell, „frühmorgens hab‘ ich Mitfahrende angesprochen, aber auch am späten Nachmittag, wenn ich nach Haus‘ gefahren bin“. Auf Verständnis für die Fahrpreiserhöhung sei sie bei niemandem gestoßen. Im Gegenteil: Binnen kurzer Zeit hatte sie 60 Namen auf ihrer Unterschriften-Liste. Die Namen von tagtäglich auf das Bodo-Angebot angewiesene Pendler, die kein Verständnis für die von Löffler vertretenen Gründe für die Tariferhöhung zeigten.
Manche frustrierte Bahnfahrer neigen wieder dem Auto zu
Was der Markdorferin darüber hinaus zu Ohren kam, lässt sie daran zweifeln, dass die allerorten so oft diskutierte „verkehrs- und klimapolitische Wende“ die Bodensee-Region rechtzeitig erreicht. „Ich habe mit Leuten gesprochen, die inzwischen ernsthaft in Erwägung ziehen, sich zusammen mit ihren Mitfahrern ein Fahrzeug zu leasen.“ Auch hält sie steigende Preise im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) kaum für einen Anreiz, darauf umzusteigen.
Dies um so weniger, als einige der Bodo-Nutzer nun, mit dem neuen Fahrplan das Nachsehen haben. In Kluftern und in Fischbach werden Zughalte gestrichen, damit der Fahrplan für die im Spätsommer ausgelieferten neuen Züge benötigten längeren Haltezeiten angepasst werden kann. Die Betroffenen in Fischbach und Kluftern müssen nun auf einen früheren Zug ausweichen. Immerhin: Das Verspätungsproblem scheint sich gelöst zu haben. „So katastrophal wie vor einigen Monaten ist es heute nicht mehr“, erklärt Jutta Winckler. Für jene Fahrgäste, die ihr bei ihrer Umfrage von Abmahnungen und drohender Entlassung berichtet haben, scheint das jedoch nur ein schwacher Trost zu sein.
Pünktlichkeit kommt zuerst
- Ein erklärtes Ziel beim Fahrplanwechsel der Bodenseegürtelbahn im Dezember ist es gewesen, „den Fahrbetrieb zu stabilisieren“. So heißt es in einer Pressemitteilung des baden-württembergischen Ministeriums für Verkehr. Es hatte sich seit Mai, seitdem die neuen „Coradia-Lint-54-Dieseltriebzüge im Bodo-Verkehrsverbund in Betrieb genommen wurden, gezeigt, dass fürs Öffnen und Schließen der Zugtüren mehr Zeit veranschlagt werden muss. Eine erste Fahrplananpassung hatte es deshalb bereits im September gegeben. So fuhren Züge teils später, teils weiter, teils stellten sie ihren bisherigen Halt an weniger frequentierten Stationen ein. Manche Züge, etwa die 16.19 Uhr-Verbindung von Markdorf nach Friedrichshafen, wurden ganz eingestellt. David Weltzien, der Vorsitzende der Regionalleitung von DB-Regio in Baden-Württemberg argumentierte: „Wir brauchen Fahrpläne, die wir auch halten können.“
- Pünktlichkeit, Verlässlichkeit ist denn auch das, was sich die Nutzer des Öffentlichen Personennahverkehrs wünschen. Heidrun Schall, Bodo-Kundin aus Markdorf rückte die Zuverlässigkeit an die erste Stelle. „Je verlässlicher die Verbindungen sind, desto mehr Leute werden auf Bus und Bahn umsteigen“, prophezeite die Pendlerin. Sie lobt die Sauberkeit der neuen Dieseltriebzüge. Und sie nimmt die Bahn in Schutz. „Den Dreck verursachen ja die Fahrgäste – die legen die Füße auf die Sitze.“ Thomas Liebhart, gleichfalls aus Markdorf und ebenfalls Pendler nach Friedrichshafen, ist erst seit einigen Tagen zufrieden mit der Pünktlichkeit der Züge. In den Wochen davor hätten sich die Verspätungsmeldungen gesteigert. „Erst fünf, dann zehn, dann 15 Minuten – aber zum Glück können wir hier ja auf den Bus ausweichen.“ Oliver Kärcher vermerkt positiv, dass seine Anschlussbusse in Friedrichshafen warten, wenn die Bahn aus Markdorf mit fünf- oder zehnminütiger Verspätung eintrifft. Er nutzt die Bahn seit einer Woche. Nach der Reparatur seines Autos werde er sich aber wohl wieder selbst ans Steuer setzen.